27.05.2008

Der 1(1). Parteitag der SED

Nicht sagen, was ist.

Jörg Schindler
Beim Linkspartei-Parteitag in Cottbus

Was hatte der 11. Parteitag der SED und der 1. Parteitag der LINKEN gemeinsam? Dieses: Es fand keine offene politische Debatte statt. Die Simulation politischer Diskussion geisterte durch den Saal; die "Eingeweihten" scharwenzelten herum und tauschten sich über die neuesten Gerüchteküchen im einschlägigen Strömungszusammenhang aus. Hofften die einen, Oskar ein möglichst schlechtes, aber bitte nicht zu schlechtes Ergebnis mit möglichst vielen, aber bitte nicht zu vielen Gegenstimmen reinzudrücken, spekulierten die anderen auf den geräuschlosen Sieg im Beschlusslagenkrieg, Schützengraben Zukunftsinvestitionsprogramm (ZIP).

Aber niemand tat, was als Slogan des Parteitags über allen prangte: "Sagen, was ist." Dann hätte man nämlich darüber diskutieren müssen, dass den Ostdelegierten in ihrer großen Mehrheit die Anliegen dieses ZIP wie ein Geschenk alter Klamotten durch die Westverwandtschaft erschien - man kennt es nicht, es bleibt einem fremd, es sieht komisch aus, aber man traut sich nicht, es abzulehnen, weil man ja nicht unhöflich sein will. Und die Westdelegierten hätten mal sagen müssen, dass sie diesen sächselnden Ossibären mit ihren Kaltwellenfrisuren und kommunalen Halbwichtigämtern von Bürgermeister bis Landtagshinterbänklerin eigentlich alles zutrauen - nur keine linke widerständige Politik. Man hätte sich also eigentlich richtig über Politik fetzen müssen. Das wäre nicht schön geworden.

So war es aber noch viel schlimmer: Man erzählte sich gegenseitig Belangloses vom Erfolgsprojekt LINKE (als ob das wer bestritten hätte), belehrte sich gönnerhaft zur Gleichrangigkeit der Menschen- und sozialen Rechte (als ob das nicht genauso im Programm stünde) und erklärte wichtigwichtig, dass das alles wiederum gar nichts ohne eine starke soziale, wahlweise außerparlamentarische Bewegung wäre (so what). Und nachdem man so einige Stunden generaldebattengestählt aneinander vorbeigeredet und nichts gesagt hatte, wählte man sich am Ende möglichst nicht. Denn wer will schon weiter ungeliebte Westpakete freudestrahlend annehmen müssen oder aber komische linksdrehende Honoratioren mit staatstragendem C&A-Jackett im Vorstand seiner Partei haben? Klar: Niemand.

Der 1. Parteitag war also ungefähr so politisch wie seinerzeit der letzte unserer Vorvorvorgängerpartei. Wenn diese neue Partei nicht deren Schicksal ereilen soll, wirds Zeit innezuhalten und endlich dem anderen Mitgenossen aus Bottrop, der anderen Mitgenossin aus Zwickau, unverblümt vor den Kopf zu knallen, wie scheiße man sich eigentlich politisch findet. Das wäre anstrengend, aber eine politische Befreiung, das wäre wirklich links - und hätte die Chance, dass man sich endlich anfängt zu verstehen.