Was sollen wir trinken?

Echte Entscheidungshilfen der prager-frühling-Redaktion für die Frage der Fragen.

Davon kanns auch mal eins mehr sein. Traditionsmarke aus Leipzig.

Bier

Wie schmeckts?

Für Nichtbiertrinker_innen immer gleich, für Kenner_innen immer anders. Anders als regelmäßige Becks-Besteller glauben, kann Bier nicht nur unterschiedliche Farben wie grün oder gelb, sondern auch vielfältige Geschmacksrichtungen annehmen.

Wie viel kann ich davon trinken?

Immer viel, sonst macht es keinen Sinn. Das erste löscht den Durst, das letzte ist schlecht. Drei dazwischen ersetzen eine Mahlzeit.

Was trinke ich, wenn ich Bier trinke?

Die schlechte Nachricht: der Markt für industriell produziertes Bier konzentriert sich immer mehr. Kaum noch eine der bekannten Biermarken, die nicht in der Hand der großen, transnationalen Brauereikonzerne wie Anheuser-Busch InBev, Heineken, Carlsberg oder auch Radeberger-Oetker ist. Weltweit halten fünf Konzerne die Hälfte des Umsatzes. Die gute Nachricht: Wer sich nicht mit der Industrieplörre zufrieden gibt, findet eine echte Vielfalt und das Brauhaus um die Ecke. In Deutschland existiert eine reichhaltige Landschaft von 1300 kleinen und kleinsten Brauereien, sogar viele aus Enthusiasmus, lokaler Verbundheit oder Tradition am Leben gehalten. Diese können trotz ständig sinkenden Bierkonsums der Gesamtbevölkerung gut leben – Support Your Local Brewery!

Für wen ist es gedacht?

Bier gehört zur Politik wie Stimmkarten, Beitragszahlung oder Plenumssitzungen. Kein Parteitag, kein Ortsverbandstreffen, keine Wahlkampfkundgebung so genannter Volksparteien ohne das Stammgetränk des Stammtisches. Bier gibt Kraft und Schwung für anstrengende Konflikte und hilft bei der Versöhnung danach. An der Basis gehört es zur Lebenskultur, bei den Obersten soll es die Zugehörigkeit zu dieser Lebenskultur symbolisieren. Schröders „Holt mir mal ne Flasche Bier, sonst streik ich hier!“ kalkulierte den Sympathieeffekt genauso ein wie der Stoiber angedichtete Bierhumpen mit Kamillentee. Im linksradikalen Spektrum hat Bier durch die Mate-Revolution ein bisschen an Zugkraft verloren. Aber keine Angst: wenn die Piraten nicht mehr so hip sind, zapfen wir wieder an!

Wein

Wie schmeckts?

Für Nichtweintrinker_innen immer gleich, für Kenner_innen immer anders. Wer einmal einen Weinratgeber gelesen hat, wird feststellen, dass Wein nach Experten-Meinung alle Nahrungsmittel wie Obst und Gemüse, Landschaften wie Erde, Gras und Steine, aber auch alle Gewürze vollständig ersetzen kann. Die pf-redaktion meint: Kommt mal runter. Das ganze abgehobene Schwätzen verdirbt einem noch den Spaß.

Wie viel kann ich davon trinken?

Nicht mehr trinken! Flaschen haben hier schon genug.

Wenn die ZuschauerInnen von Fernsehfilmen in ARD und ZDF so viel Rotwein saufen würden, wie es ihnen dort vorgemacht wird, wären Herzinfarkte hierzulande ausgerottet. Auch in den Männerrunden der Parteipolitik wird viel Rotwein getrunken – aber nur wenn keine Fernsehkameras oder die Parteibasis dabei sind. Wenn doch: siehe Bier. Die meisten unserer Patriarchen sehen am Morgen danach ganz fit aus. Es muss also irgendwie gehen.

Was trinke ich, wenn ich Wein trinke?

Obwohl einiges auf dem Etikett stehen muss und das Produkt europäisch stark reguliert ist, bleibt Wein ein geheimnisvolles Produkt. Das können wir nur begrüßen! 1,3 Millionen Betriebe unterschiedlichster Größe alleine in der EU produzieren eine Vielfalt, die nicht zu überblicken und deren geschmackliche Verästelungen für keine Wissenschaft zu analysieren ist - das Überraschungsei für Große! Die Region der Produktion spielt dabei eine entscheidende Rolle. Anders als etwa beim Bier ist ein Austausch über die Grenzen dieser Region hinaus die Regel, nicht die Ausnahme. Damit ist Wein auch ein europäisches Bindeglied, wobei die Produktion in den neuen EU-Mitgliedsstaaten sich mit jungen enthusiastischen Weinmacher_innen von der Dürre des realen Sozialismus erholt.

Die EU-Kommission kippt leider auch über ein Getränk die langweilige Soße von Deregulierung und Industrialisierung. Herkunftsregeln und Produktionsvorschriften werden Stück für Stück aufgeweicht. Das Ziel ist die internationale Konkurrenzfähigkeit mit Massenprodukten. Gab es 1990 noch 2,1 Millionen Vollzeitstellen im Weinbau, sind es 2005 nur noch knapp 1,3 Millionen. Die Gesamtzahl der Betriebe nimmt seit Jahrzehnten ab, die Fläche je Betrieb deutlich zu. Noch wichtiger als das Weinrecht dürfte jedoch der Trend zum Supermarktkauf von Wein sein. Erst Internetversender und kleine Läden schaffen es, die Vielfalt tatsächlich wieder sicht- und kaufbar zu gestalten. Wir meinen: Lieber einen Weinladen suchen und nach dem günstigen Hauswein fragen, als die erstbeste Flasche aus dem ALDI-Regal ziehen.

Für wen ist das gedacht?

Wein wird gern als bürgerliches Getränk der Besserverdienenden geschmäht. Und Kollegen wie dem Vortragsreisenden und Vizekanzlerkandidaten Peer Steinbrück ist es nicht peinlich, sich mit dem Preis einer Flasche von vermeintlich niederen Schichten abzugrenzen. Auch ein ehemaliger linker Parteivorsitzender traf mit der Auffassung, einen guten Wein gebe es schon unter zehn Euro, voll ins Fettnäpfchen. Wir meinen: Wein ist für alle da. Guter Wein ist keine Frage des Preises, sondern eine Frage des eigenen Geschmacks. Jeder und jede, die in einer Weinregion die dazugehörige Kultur live erleben durfte, weiß: da gibt’s keine Klassenschranken!

So geschmacklos, wie sonst nur Deutsche: das Wasser.

Wasser

Wie schmeckts?

Äh, nach nichts?

Wie viel kann ich davon trinken?

Bis an die Grenze der physischen Belastbarkeit. Durchschnittliche Europäer_Innen trinken 100 Liter – im Jahr. Im politischen Umfeld raten wir allerdings zur Vorsicht. Wer bei der entscheidenden Debatte gerade auf dem Klo ist, hat schnell verloren.

Was trinke ich, wenn ich Wasser trinke?

Es macht sich selbst und kommt dann aus der Erde. Erst danach fängt das Geld verdienen an – mit Wasser als Statusprodukt und als Wirtschaftsgut. Mineralwässer kosten in Oberschichtenrestaurants manchmal mehr als Champagner - während in den ärmsten Regionen ein Mangel an sauberem Trinkwasser herrscht. Die großen Lebensmittelkonzerne Nestlé, Danone, Coca Cola und Pepsi teilen sich ein Drittel des globalen Flaschenwassermarktes. Sie sichern sich weltweit Wasserressourcen, um sie der privaten Verwertung zuzuführen. Das Agieren der Unternehmen zieht insbesondere in ärmeren Regionen ökologische und soziale Katastrophen nach sich. Die Versorgung mit Trinkwasser aus der Leitung oder dem Brunnen ist oft nicht gesichert. Menschen sind auf das Wasser aus der Flasche angewiesen, obwohl die Herstellung und Entsorgung bzw. Reinigung der Flaschen mehr kostet als das Abfüllen selbst. Hierzulande schlägt der Transport von Wasser aus dem Ausland die größte Kerbe in die Klimabilanz. Dabei hat niemand Probleme zu befürchten, der Wasser aus der Leitung trinkt. Er oder sie sichert eine zumeist kommunale Infrastruktur und freut sich über einen Preis pro Liter, der bei keinem Discounter zu finden ist. Und wem das nicht schmeckt: 200 Mineralbrunnen sind über das ganze Land verteilt. In jeder Region hat das Wasser eine andere Zusammensetzung, die anders schmeckt. Allerdings: bis auf wenige Ausnahmen sind die Mineralwässer in den Händen großer Lebensmittelunternehmen oder Handelskonzerne. Wir meinen: Wer Gemeingüter liebt, sollte seinen Wasserhahn benutzen.

Für wen ist’s gedacht?

Wasser brauchen alle - besonders am Morgen nach dem Bier- oder Weingenuss. Die entscheidende Frage: sin gas, con gas?

Kaffee

Das Speed des kleinen Mannes und der kleinen Frau.

Wie schmeckts?

Im besten Fall nach Kaffee, im schlechtesten wärmt er wenigstens.

Wie viel kann ich davon trinken?

Das beantwortet die Statistik. Nichts wird hierzulande so viel getrunken. Wobei man annehmen darf, dass der größte Anteil dieser unglaublichen Massen immer aus einer gluckernden und pfeifenden Filterkaffemaschine stammt. Deutschland ist wohl zum Einschlafen – genau wie Finnland, Norwegen und Schweden, wo noch mehr Kaffee konsumiert wird. Böswillige Neoliberale würde schlussfolgern, das läge an dem Wohlstand in diesen Ländern, der die Leute träge mache. Wir sagen: Kaffee ist Sonne! Davon kann man kaum genug bekommen.

Was trinke ich, wenn ich Kaffee trinke?

Die Achillesferse, wir geben es zu. Nach Erdöl ist Kaffee das meistgehandelte Rohprodukt der Welt – produziert in den ärmsten Regionen mit großer Abhängigkeit von westlichen Industriestaaten. Von 40 Milliarden Dollar globalem Umsatz kommen nur 7 – 8 Milliarden bei den Kaffeebauern an. Mit Kaffee wird spekuliert wie mit Gold oder Aktien. Er hat Krisen produziert, wie die 1977 in der DDR. Als die Devisen nicht reichten, um teuren Kaffee zu importieren und die Bürgerinnen und Bürger wirklich sauer waren. Waffen wurden gegen Kaffeebohnen getauscht, damit die Lage sich wieder beruhigte. Seit 2001 verfallen die Weltmarktpreise für Kaffee hingegen. Die Krise riss ganze Regionen in die Armut – etwa in Kolumbien, Vietnam, Indonesien, Äthopien oder Brasilien. Die Mitgliedsländer der Internationalen Kaffeekommission (IKO) versuchen mit gegenseitigen Abkommen, die nachhaltige Produktion zu unterstützen und Krisen vorzubeugen. Entscheidend sind jedoch die großen Unternehmen im Kaffeemarkt: Tchibo, Nestlé, Kraft oder Procter & Gamble etwa. Diese kaufen zum stark schwankenden Preis an den Börsen und zwingen damit die Rohstoffproduzenten in die Knie. Wir meinen: Auch wenn es nicht alle Probleme löst, sind fair gehandelte Kaffees hier erste Wahl. Was anderes kommt nicht in die Tasse.

Für wen ist‘s gedacht?

Für alle Sitzungssozialist_Innen, Langschläfer_Innen, Abschlussarbeitsschreiber_Innen und Zweitfrühstücker_Innen. „Latte-Macchiato“ wird zwar gern anderen Bezeichnungen wie „Linke“ oder „Mütter“ vorangestellt, wenn man sie beschimpfen will. Aber wären „Brause-Linke“ oder „Bier-Mütter“ irgendwie besser?