Frau am Steuer

Regierungschefinnen und der Feminismus

Caren Lay

Die Anzahl von Frauen als Staats- und Regierungschefinnen in historischer Übersicht ist mager: Die Liste weiblicher Staatsoberhäupter zählt gerade einmal 44 Frauen, die weiblicher Regierungschefinnen zählt bis zum heutigen Tag lediglich 56 Frauen. Und das ist im Kern das Ergebnis der letzten 25 Jahre. Bis in die 1990er Jahre ließen sich die Staats- und Regierungschefinnen noch an zwei Händen abzählen, erst seither steigt ihre Zahl kontinuierlich an. Daraus lässt sich ableiten, dass mehr Frauen an der Spitze des Staates Ergebnis der Emanzipation und ein zumindest indirekter Erfolg der Frauenbewegung sind. Früher waren auffällig viele Staatschefinnen die Ehefrauen, Töchter oder Schwestern ihrer männlichen Vorgänger oder anderer politischer Führungspersönlichkeiten: etwa Indira Gandhi, Benazir Bhutto oder Isabel Peròn. Die Bedeutung der Herkunft aus der Oberschicht oder einer einflussreichen Familie, die quer zu den Geschlechterhierarchien liegt, scheinen der Grund für den Aufstieg an die Spitze zu sein.

Verdanken die Regierungschefinnen der westlichen Welt ihren Erfolg mindestens in Teilen der Tatsache, dass die Frauenbewegung gekämpft hat — für das Wahlrecht, die Quote, für gleiche Bildungschancen, für die Akzeptanz von Frauen in der Öffentlichkeit und in Führungspositionen, so ist es umgekehrt kein Automatismus, dass sie, oben angekommen, auch die Ziele der Frauenbewegung aktiv unterstützen. Mala Htun und S. Laurel Weldon haben in einer Studie herausgefunden, dass etwa bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen die Existenz zivilgesellschaftlicher Strukturen der Frauenbewegung von größerer Bedeutung ist als der Umstand, ob nun eine Frau die Regierungsgeschäfte führt – oder ob eine linke Partei regiert.

Nur die wenigsten Staatslenkerinnen machen feministische Politik zur Chefinnensache. Und ja, Frauen sind nicht die besseren Menschen. Sie machen nicht alleine aus der Tatsache heraus, dass sie Frauen sind, eine menschlichere, sozialere Politik. Maggie Thatcher und Angela Merkel werden in diesem Zusammenhang gerne als Negativbeispiele bemüht. Sicherlich: Nur Schmalspurfeministinnen kämen auf die Idee, eine Kampagne für Angela Merkel als Kanzlerin zu starten.

Aber nur weil nicht jede Staatschefin ein Gewinn für den demokratischen Sozialismus ist, heißt das noch lange nicht, dass der Kampf für mehr Frauen in politischer Führungsverantwortung kein Ziel linker, emanzipatorischer Politik sein sollte. Es wäre sicherlich falsch, von Frauen als Staatschefinnen mehr zu erwarten als von ihren männlichen Kollegen, sie mit strengeren Maßstäben zu bewerten. Sie sind nicht der Messias und nicht automatisch sind alle Widersprüche aufgelöst, sobald eine Frau das Ruder führt. (s. Seite 38) Doch es gibt die Chefinnen, die Beträchtliches leisten und deren Rückgrat, Mut und Durchsetzungswille nur zu bewundern sind. Die Porträts von Joyce Banda (s. Seite 40) und Dilma Rousseff (s. Seite 39) sind solche Beispiele. Es ist ein struktureller Fortschritt gerechterer Geschlechterverhältnisse, wenn das Gruppenbild der Regierungschefs durch mehr als eine Dame aufgehellt und das „Damenprogramm“ im Hintergrund durch mehr als einen First Gentleman bereichert wird.

Hoffentlich dienen Staatschefinnen jungen Frauen als Vorbild und ermuntern sie, sich selbstbewusste Ziele zu setzen, sich politisch ein- und durchzusetzen. Regierungschefinnen durchkreuzen den Männerbund, sie verändern das Klima in den Institutionen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Caren Lay ist stellvertretende Parteivorsitzende der LINKEN und mit den Widersprüchen von Frauen in Führungspositionen in Theorie und Praxis vertraut.