26.10.2014

Der Eindimensionale wird 50.

Ein Geburtstagsstück.

Thomas Lohmeier
Der eindimensionale Mensch wird 50

“Und doch ist diese Gesellschaft als Ganzes irrational. Ihre Produktivität zerstört die freie Entwicklung der menschlichen Bedürfnisse und Anlagen, ihr Friede wird durch die beständige Kriegsdrohung aufrecht erhalten, ihr Wachstum hängt ab von der Unterdrückung der realen Möglichkeiten, den Kampf ums Dasein zu befrieden — individuell, national und international.”(Herbert Marcuse, Eindimensionaler Mensch, 1964)

Der “Eindimensionale Mensch” wird fünfzig. Gefeiert wird hier kein besonders einfältiges Exemplar der Gattung, die sich eine gesellschaftliche Ordnung mit systematischer Umweltzerstörung, Krieg und Ausbeutung eingerichtet hat, sondern ein Buch. Ein Buch, das vor eben diesen fünfzig Jahren eine Generation ergriff, die angeregt durch seine Lektüre gegen Entfremdung, Ausbeutung und den Krieg in Vietnam zu rebellieren begann und deren Marsch, der irgendwann durch die Institutionen führen sollte, auch dort endete, wogegen er sich richtete: in der verwalteten Welt.

Ein runder Geburtstag muss gefeiert werden, dachte sich Thomas Ebermann, Kristof Schreuf, Andreas Spechtl und Robert Stadlober und richtet dem Buch Herbert Marcuses - einem von seinem damaligen Lesern verdrängten und der heutigen Generation kritischer Geister unbekannten Sozialphilosophen der Kritischen Theorie eine “facettenreiche Geburtagsfeier” aus, wie sie im Ankündigungstext der Feier schreiben. Aber sie versprechen keine obflächliche Partybekanntschaft mit dem Autor des Geburtstagsbuchs: “Wir stellen in einer Collage Marcuse vor. Und es ist nicht ‘Marcuse light’. Wir haben auch keine Scheu, Sequenzen vorkommen zu lassen, die überfordernd sind. Es gibt zum Beispiel eine Stelle zur philosophischen Grundhaltung des Antipositivismus, obwohl wir nicht vor Leuten spielen werden, die Marcuses philosophische Grundpositionen schon kennen”, so Thomas Ebermann die Tage in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau[1].

Es ist also kein Agitprop. Aber auch kein “großes Straßentheater” (Robert Stadlober). Es sei ein Zugang irgendwo zwischen Musik, gesprochenem Wort und Lesung. Bereits aufgeführt wurde diese Collage zwischen Theater, Musical und Lecture in Graz, Wien, St. Gallen, Heidelberg und Frankfurt am Main. Am Wochenende gastierte es in Hamburg und am 29.10 und 30.10 in Berlin, später dann in Bremen, Leipzig und Potsdam.

Wer mitfeiern möchte, muss sich beeilen. Infos gibt´s [2]hier und Karten hier. [3]

Abspann:

Die Aufsaugung des Negativen durchs Positive wird bestätigt in der täglichen Erfahrung, die den Unterschied zwischen rationaler Erscheinung und irrationaler Wirklichkeit verschwimmen läßt:
Ich gehe auf dem Lande spazieren. Alles ist, wie es sein sollte: die Natur zeigt sich von ihrer besten Seite. Vögel, Sonne, weiches Gras, ein Blick durch die Bäume auf die Berge, niemand zu sehen, kein Radio, kein Benzingeruch. Dann biegt der Pfad ab und endet auf der Autobahn. Ich bin wieder unter Reklameschildern, Tankstellen, Motels und Gaststätten. Ich war im Nationalpark und weiß jetzt, daß das Erlebte nicht die Wirklichkeit war. Es war ein »Schutzgebiet«, etwas, das gehegt wird wie eine aussterbende Art. Wenn die Regierung nicht wäre, hätten die Reklameschilder, die Verkaufsstände für heiße Würstchen und die Motels längst in dieses Stück Natur ihren Einzug gehalten. Ich bin der Regierung dankbar; wir haben es viel besser als früher…
(Herbert Marcuse, Eindimensionaler Mensch, 1964)



Links:

  1. http://www.fr-online.de/theater/interview-robert-stadlober-marcuse-als-haette-er-es-letzte-woche-geschrieben,1473346,28660596.html
  2. http://der-eindimensionale-mensch.com/
  3. http://www.eventim.de/Tickets.html?affiliate=EVE&doc=artistPages/tickets&fun=artist&action=tickets&erid=1222168&includeOnlybookable=true&xtmc=eindimensionaler_mensch&xtnp=1&xtcr=2