Mama, Du musst zu Hause bleiben

Gendertrouble im Kinderzimmer oder Rollenvorbilder der ganz Kleinen

Katja Kipping
Bei Conni ist Weihnachtsbaum schllagen männlich connotiert

„Papa und ich holen dann den Weihnachtsbaum. Du musst zu Hause bleiben, leider.“ Diese Mitteilung machte mir meine gerade mal dreijährige Tochter kurz vor dem ersten Advent. Da sie in einem Haushalt aufwächst, in dem die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung (wie ich dachte) weitgehend überwunden ist, wirft solch eine Aussage natürlich Fragen auf. Doch später beim alltäglichen Einschlafritual dämmerte es mir. Schuld war Conni. Conni ist ein kluges Kind und offensichtlich für meine Tochter ein Vorbild. Wenn Conni einen Adventskalender bastelt, verlangt meine Tochter auch sofort nach einer Schere, auch wenn sie damit nur bedingt umgehen kann. Wenn Conni backen lernt, heißt es bei uns zu Hause auch schnell: Backe, backe Kuchen. Und da Connis kleiner Bruder Jakob heißt, will meine Tochter nun auch ein Brüderchen. In Ermangelung eines echten Geschwisterkindes wird dann halt mal schnell das Kissen zum Bruder Jakob umfunktioniert.

Conni ist die Hauptfigur in einer Kinderbuchreihe, die sich bei uns großer Beliebtheit erfreut. Mit dem Büchlein „Conni zieht um“ haben wir uns auf den anstehenden Wohnungswechsel eingestimmt. „Conni feiert Ostern“ war ihr Lieblingsbuch in der Frühlingszeit. Und bei „Conni feiert Weihnachten“ geht es u.a. darum, wie die Hauptheldin mit ihrem Vater den Weihnachtsbaum schlägt. Da sie beim Baumabholen Platz im Auto brauchen, müssen Mutter und Bruder Jakob zu Hause bleiben.

Und so war meine Tochter nun der Ansicht, auch ich müsse zu Hause bleiben, wenn es um den Weihnachtsbaumkauf geht. Ihr diese Idee auszureden, dauerte eine Weile und bedurfte des wiederholten Hinweises, dass wir den Baum ja nicht mit dem Auto sondern mit der S-Bahn abholen.

Über diese vorweihnachtliche Episode wurde herzlich gelacht. Jedoch hat sie mir die Wirksamkeit von Vorbildern vor Augen geführt. Jedes Beispiel, jede Geschichte kann schnell normative Kraft entfalten, kann sich in den Köpfen als Selbstverständlichkeit festsetzen. Und das fängt schon bei den ganz Kleinen an. Das Überwinden geschlechtsspezifischer Rollenbilder bei denen die Arbeit im Haus den Frauen und die Arbeit im Sturm der Öffentlichkeit den Männern zugedacht ist, erfordert viele Maßnahmen. Sie erfordert aber eben auch Kinderbücher, die den Ballast verknöcherter Role Models abwerfen. Kinderbücher, in denen die Geschlechterverhältnisse sich in schönster Unordnung befinden und damit am rechten Platz sind.