prekäre als stars der berlinale

Interview mit Incrediboy, einem prekären Super-Helden

Prager Frühling: Bei der Berlinale traten Super-Prekäre mit der Losung „Mir reicht’s nicht, nur Statist in meinem Leben zu sein“ auf. Seid ihr auf eine Starrolle scharf?
Incrediboy: Der Glamour der Berlinale ist nur durch die unsichtbare Arbeit zahlloser prekär Beschäftigter möglich. Aber während alle Kameras auf den roten Teppich gerichtet sind, bleiben Prekäre unsichtbar. Das wollen wir ändern. Dafür haben wir auf einer Gala die Arbeit der Prekären auf die Bühne geholt und goldene Superhelden für beispielhafte Aktionen verliehen – etwa an die CinemaxX-Angestellten, die durch Warnstreiks eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen erreichten. Zweitens sind wir bei der Premiere des Films „Die Schwester der Königin“ aufgetaucht. GlamGirl und Incrediboy, zwei prekäre Superhelden, wagten eine Kletterpartie der besonderen Art. In dem Moment als Natalie Portman den roten Teppich betrat, entrollten die Superhelden auf der Großbildleinwand ein Banner. Wir wollten das Scheinwerferlicht dieser Premiere auf unser Anliegen umlenken und somit als Prekäre zu Stars der Berlinale werden.

PF: Worin siehst du das größte Ergebnis Eurer Aktionen?
Incrediboy: Eine Drehbuchautorin hat uns gesagt „In der Filmbranche hat man den Eindruck, alle arbeiten einfach um dabei zu sein.“ Das geht nur, weil z.B. der Wunsch nach kreativer Selbstverwirklichung gegen andere Formen der Entlohnung ausgespielt wird. Dass diejenigen, die so arbeiten, sich darüber austauschen, wie sie arbeiten und warum, ist die Vorbedingung für gemeinsamen Protest.

PF: Warum habt Ihr Euch ausgerechnet für das Thema Prekarität als gemeinsame Klammer entschieden?
Incrediboy: Prekarität ist für viele linke Aktivisten längst Teil des eigenen Lebens. Ich zum Beispiel musste während meines Studiums nebenher jobben. Jetzt heißen meine Jobs „Projekte“. Manchmal machen sie Spaß, aber ich habe keine Ahnung, was ich in fünf Monaten mache. Die unsichere Lage teile ich mit dem BMW-Arbeiter, dem die Kündigung droht, oder der Schauspielerin, die zwischen zwei Produktionen Hartz IV bezieht. Es geht also nicht nur um "die armen Anderen", sondern auch Linke müssen sich der Frage stellen, wie sie leben wollen und was sich dafür ändern muss.

PF: Führt der Kampf gegen Prekarität wirklich die prekarisierte Welt des Laptops zusammen mit der Welt des Wischmopps?
Incrediboy: Das weiß ich nicht, aber klar ist, dass man heute auch mit Laptop unter prekären Bedingungen leben und arbeiten kann. Die Grenzen verschwimmen: Manche arbeiten tagsüber mit dem Laptop und abends mit dem Wischmopp.
Viele Kämpfe können als Teil eines gemeinsamen Kampfes gegen Prekarität begriffen werden: der Streik der Lokführer ebenso wie der Protest gegen Privatisierung. Unterschiedliche Kämpfe als Kämpfe gegen Prekarisierung zu begreifen, dient dazu, das Verbindende ins Blickfeld zu rücken. Ein bedingungsloses Grundeinkommen zum Beispiel würde die Situation vieler Prekärer verbessern. Das Ziel der MaydayParaden am 1. Mai ist es, solche Fragen aufzuwerfen und zu zeigen: Prekarität hat viele Gesichter.

PF: Welche Filmrolle würdest Du gerne mal spielen? Super-Mann?
Incrediboy: Nein, Spiderman, weil er sich so elegant durch die Lüfte schwingt. Außerdem führt er ein Doppelleben, genau wie ich: Tagsüber arbeitet er prekär; nachts hat er einen anstrengenden Zweitjob als Superheld.