Prager Frühling, Magazin für Freiheit und Sozialismus (www.prager-fruehling-magazin.de)

Die „fünf Giganten“

Gegenwart und Zukunft des Sozialstaats

Stephan Lessenich

Der Sozialstaat steht zu Beginn des 21. Jahrhunderts, nach dem Ende der „langen Nach­kriegszeit“, vor großen Herausforderungen. Der entgrenzte, flexible, wissensbasierte und finanzmarktgetriebene Kapitalismus des späten 20. Jahrhunderts, der gegen­wärtig – mit noch offenem Ausgang – zum Gegenstand massiver, international koordinierter staatlicher Sorgearbeit geworden ist, hat das auf den nationalen, standardisierten, industriellen Kapitalismus zugeschnittene Nachkriegs­modell des (west-)europäischen Sozialstaats zunehmend „alt aussehen“ lassen. Zwar ist es keineswegs so, als habe sich – wie marktliberale (und evidenzresistente) Kritiker des Sozialstaats im Zweifelsfall immer noch gerne behaupten – das überkommene sozial­politische Institutionensystem in der Vergangenheit als völlig rigide, sprich veränderungs­resistent und reformunfähig, erwiesen. Doch hat dieses Institutionen­system, das in seiner Funktionslogik durch und durch von den Arbeits- und Lebensweisen der hoch­industriellen Gesellschafts­formation der Nachkriegszeit geprägt ist (und die Arbeits- und Lebensweisen dieser so genannten „fordistischen“ Ära umgekehrt maßgeblich geprägt hat), in der Tat mit dem Tempo der sozioökonomischen und soziokulturellen Veränderungen in jüngerer Zeit nicht mithalten können. Der Sozialstaat hinkt dem Wandel der kapitalistischen Produktionsweise und der durch diesen Wandel sich stellenden (um es ganz klassisch auszudrücken) „sozialen Frage“ hinterher – bzw. genauer, im Plural einer pluralistischen Gesellschaft formuliert, den „neuen sozialen Fragen“ unserer Zeit.

William Beveridges „Five Giants“ der Nachkriegszeit

Die Frage, die sich in diesem Kontext stellt, lautet also nicht, ob der institutionelle Wandel des Sozialstaats im „postfordistischen“, spätindustriellen Zeitalter weitergeht, sondern vielmehr, in welche Richtung der Sozialstaat sich in Zukunft bewegen wird – und soll. Betrachtet man die gegenwärtigen Herausforderungen an den Sozialstaat in ihrer Breite und ihrer Tragweite, dann erscheint die Erinnerung an die berühmten, von William Beveridge dereinst identifizierten „Five Giants“ der Nachkriegszeit nicht ganz weit hergeholt. Zur Erinnerung: Beveridge legte Ende 1942 im Auftrag der britischen Regierung einen auch als „Beveridge Report“ (welt)­bekannt gewordenen Plan zur Reform des britischen Wohlfahrtsstaats vor, der nach 1945 unter der Labour-Regierung Attlees Zug um Zug (allerdings, wie nicht nur in Deutschland üblich, nicht unbedingt „eins zu eins“) umgesetzt wurde. Entstanden auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs, ersonnen und durchgeführt unter den spezifischen historischen Bedingungen eines allgemein als nationale politische Aufgabe erachteten „sozialen Wideraufbaus“ nach Beendigung der Kriegshandlungen, war der Beveridge-Plan ein beeindruckendes, bis heute wohl einzigartiges Dokument umfassender öffentlicher Sozialverantwortung. Er wurde getragen nicht nur durch die – gleichsam kaum zu vermeidende – kollektive Einsicht aller politischen Akteure in die materiale Notwendigkeit staatlicher Sozialhilfen, sondern auch von einem lodernden Idealismus in Bezug auf die Schaffung einer neuen, gerechten Gesellschaft, für die zu kämpfen es sich gelohnt haben sollte. Jobs, homes, health, education, and a decent standard of living: Das war, um es in eine möglichst kurze Formel zu bringen, das Versprechen für den typischen britischen Arbeiterhaushalt, der Leib und Leben für Krone und Vaterland eingesetzt (und womöglich gar verloren) hatte. Wie an der Auflistung der Zielgrößen erkennbar, sollte der neue britische Wohlfahrtsstaat – der im Grunde genommen auch erst seither als solcher bezeichnet werden kann – nicht allein auf der Umgestaltung der Einkommenstransferleistungen, sondern auch und vor allen Dingen auf der Neuausrichtung von sozialen Diensten und sozialer Infrastruktur beruhen. Das Beveridge-Modell moderner Sozialstaatlichkeit ging über einen bloßen Fokus auf Geld­zahlungen zugunsten einer umfassenden (heute würde man wohl sagen: total quality management-) Perspektive auf die Verbesserung der Lebenslage sozialer Akteure hinaus.

Die problematisierenden Konzepte, mit denen Beveridge damals den grundlegenden Reformbedarf des zukünftigen Sozialstaates ins Bewusstsein von Politik und Publikum rief, sind als die so genannten „five giants“ – die fünf sozialpolitischen Grundübel seiner Zeit – in die Sozialpolitikgeschichte eingegangen: Want, Ignorance, Disease, Squalor, Idleness. Gegen jedes dieser „Riesenübel“ schlug Beveridge ein eigenes Instrument sozial­politischer Bearbeitung vor – und erst dieses gesamte Instrumentarium schien ihm hinreichende Garantien für eine effektive Politik des „sozialen Fortschritts“ zu bieten. Ein Wohlfahrtsstaat, der seinen Namen verdiene, könne sich nicht auf Programme zur Sicherung eines angemessenen (Mindest-)Einkommens in den typischen Notlagen der Lohnarbeiterexistenz konzentrieren oder gar darauf beschränken – selbst wenn, wie es Beveridge grundsätzlich forderte, der Zugang zu diesen sozialen Sicherungssystemen offen gestaltet, also von der britischen Tradition der stigmatisierenden Bedürftigkeits­prüfung („means testing“) abgelassen und zum Prinzip des universellen Rechtsanspruchs übergegangen werde. „Want“, verstanden als Mangel an monetären Mitteln zur unmittelbaren Sicherung des alltäglichen Lebensunterhalts (sprich: Armut), sei nur ein Teil der „riesigen“ sozialen Probleme der Zeit, und eine auf die Bekämpfung dieses Übels zugeschnittene Sozial­versicherung daher auch nur ein Teil der Problemlösung. Große Gruppen der britischen Bevölkerung – und damit die britische Gesellschaft – litten zudem an Unwissenheit (bzw. mangelnder Bildung – „Ignorance“), Krankheit (bzw. mangelndem Gesundheitsschutz – „Disease“) und Schmutz (womit mangelhafte Wohnverhältnisse gemeint waren – „Squalor“), was folglich intensive politische Anstrengungen im Sinne einer Garantie des universell-egalitären, also freien und gleichen Zugangs zu öffentlichen Erziehungs- und Bildungseinrichtungen, öffentlichen Gesundheitsdiensten und öffentlich gefördertem Wohnraum notwendig mache. All diese Maßnahmen sollten schließlich im Kontext einer neuartigen Verantwortung der öffentlichen Hand für eine Politik der Voll­beschäftigung, also des freien und gleichen Zugangs zur Erwerbsarbeit, stehen – einer aktiven Politik gegen das Übel der Arbeitslosigkeit also. Dass Beveridge diesen Giganten auf dem Weg zum sozialen Wiederaufbau allerdings nicht „Unemployment“ oder „Job­lessness“ nennt, sondern als „Idleness“ – sprich: Müßiggang – bezeichnet, ist in der Tat bezeichnend. Denn diese Begriffswahl verweist nicht nur auf die lange, auch damals noch lebendige britische Tradition einer „liberalen“ Armenpolitik, der die arbeitsfähigen Armen als „undeserving poor“, d.h. als eine der öffentlichen Hilfe unwürdige Population, galten. Sie ist – über den britischen Fall hinaus – Ausweis der tiefen kulturellen Verankerung einer erwerbsgesellschaftlich geformten und wohlfahrtsstaatlich institutionalisierten Arbeitsethik, die in der Redewendung vom Müßiggang als „aller Laster Anfang“ über­historisch-alltagsweltlichen Ausdruck gefunden hat und noch heute erkennbar die Grenzen, bzw. genauer: eine der wesentlichen Grenzen jeglichen sozialpolitischen Universalismus’ markiert.

Am Ende der langen Nachkriegszeit: Die „fünf Riesen“ der Gegenwart

Es muss nicht eigens betont werden, dass die sozialen Herausforderungen der Gegenwart gänzlich anderer Natur und Qualität sind als jene, die Beveridge zur Mitte des 20. Jahrhunderts vor Augen hatte. Wir bewegen uns – denken, handeln und argumentieren – heute in den hoch entwickelten kapitalistischen Gesellschaften in einem Kontext nicht von Zerstörungen der materiellen Infra­struktur und wirtschaftlicher Unterversorgung weiter Teile der Bevölkerung, sondern im Rahmen eines historisch nie dagewesenen, in der Breite wirksam gewordenen, die individuellen wie kollektiven Lebensführungsmuster tiefgreifend prägenden gesellschaft­lichen Wohlstands. Materielle Not aufgrund fehlender Produktionsmöglichkeiten gehören der Vergangenheit an, die ungeheuren (und sich nach wie vor fortsetzenden) Produktivitäts­steigerungen der vergangenen Jahrzehnte haben Beveridges Gesellschafts­utopie – „Freedom from Want“ – in den fortgeschrittenen Marktökonomien des „Westens“ realisierbar werden lassen.

Und dennoch: In eben diesem Rahmen, auf eben diesem Entwicklungsstand der spät­industriellen Gesellschaft erleben wir gegenwärtig die Wiederkehr – in neuem Gewand – der „sozialen Fragen“, die Renaissance sozialer Ungleichheiten und Ungleichheits­erfahrungen, die Rückkehr der Unsicherheit in die Mitte der Wohlstands­gesellschaft. Diese Prozesse haben viel mit dem eingangs angesprochenen Wandel vom „fordistischen“ zum flexiblen Kapitalismus zu tun, nicht weniger aber auch mit dem in jüngster Zeit eben jenen Wandel sozialpolitisch nachvollziehenden, selektiven Umbau des Sozialstaats von einem „sorgenden“ zu einem „gewährleistenden“, von einem auf abstiegs­vermeidende Statussicherung des „Normalarbeitnehmers“ zielenden zu einem auf die quasi-unternehmerische Eigenverantwortung und Selbstsorge flexibler Arbeits­kräfte setzenden institutionellen Arrangement. An unterschiedlichen Orten der Gesellschaft – in der Mitte wie an den Rändern, im ver­unsicherten Facharbeitermilieu wie im expandierenden Niedriglohnsektor, in prekären Wohlstandslagen wie im „abgehängten Prekariat“ – erhalten die sozialen Fragen gegenwärtig eine Dring­lichkeit, eine Dynamik und eine Relevanz, wie sie ihnen zuletzt vielleicht tatsächlich vor über einem halben Jahrhundert, an der Schwelle zum Zeitalter der langen Nachkriegs­prosperität, zu eigen waren.

In diesem, mit Blick auf Beveridges Zeiten zugleich eingeschränkten wie doch auch wieder gleichgerichteten Sinne kann heute von den „fünf Riesen“ auf dem Weg zur Rekonstruktion des Sozialstaats der Gegenwart die Rede sein. Anders als bei Beveridge sollten allerdings – der spezifischen Ausgangssituation fortgeschrittener Wohlfahrtsstaat­lichkeit Rechnung tragend – die „gigantischen“ Zukunftsaufgaben unserer Zeit von vorn­herein positiv bestimmt werden, somit nicht Mängellagen, sondern Ziel­bestimmungen als Schlagworte der Sozialreform dienen: Arbeit, Bildung, Partizipation, Autonomie, Muße.

Arbeit, die letzte (und zugleich oberste) Bezugsgröße des Beveridge-Plans ist auch – und anders kann es gar nicht sein – die erste des Sozialstaats der Zukunft. Die Lohnarbeit als Strukturmerkmal der kapitalistischen Vergesellschaftung, die Zentralität der Erwerbs­arbeit für die individuelle und kollektive Lebensführung, für die Denk- und Handlungs­weisen in dieser Gesellschaft sind soziale Tatsachen ersten Ranges; sie lassen sich nicht wegdiskutieren. Doch ebensolche Tatsachen sind auch – selbst wenn man überzogene Krisendiagnosen nicht teilen mag – der Strukturwandel der Erwerbs­arbeit, die langsame Erosion der „Normalarbeit“, die in den letzten Jahrzehnten vollzogenen Veränderungen in den Möglichkeiten, Bedingungen und Formen abhängiger Beschäftigung, die Ausweitung von persönlichen Selbstverwirklichungsansprüchen an die (und in der) Erwerbsarbeit, die Tendenzen auch eines erweiterten Verständnisses – und zwar nicht allein in so genannten „alternativen“ Milieus – von gesellschaftlich sinnvoller Tätigkeit jenseits der Erwerbs­arbeit. Man sollte beide Seiten nicht gegeneinander ausspielen wollen: Wir leben in einer Gesellschaft, die durch und durch Erwerbsgesellschaft ist, aber ihren Charakter als solche erkennbar verändert. Gesellschaftlich bzw. gesellschaftspolitisch relevante Vorstellungen einer zukünftigen sozial(staatlich)en Ordnung werden an dieser Doppeldiagnose nicht vorbeikommen.

Dass Bildung eine der „riesigen“ konstruktiven Aufgaben der Sozialstaatsreform sein wird, dürfte heute außerhalb jedes Zweifels stehen. Auch wenn man die pauschale Rede vom Übergang in die „Wissens­gesellschaft“ durchaus nicht ohne Weiteres teilen mag, so kann doch die Erwartung als gesichert gelten, dass Bildung als Zuteilungsmechanismus gesellschaft­licher Lebenschancen in Zukunft an Bedeutung eher noch gewinnen wird. Zwar sollte man sich in diesem Zusammenhang wiederum keine naive Vorstellung von einem bildungs­politischen Positivsummenspiel machen, in dem „Bildung für alle“ zu etwas anderem als (bestenfalls) einem neuen gesellschaftlichen „Rolltreppeneffekt“ (Robert Castel) führen könnte: denn Bildung ist definitionsgemäß ein positionales Gut, das nur bei ungleicher Verteilung (den jeweils Bessergebildeten) Wettbewerbsvorteile garantiert, und auch in Zukunft werden sich die Distinktionspraktiken der bürgerlichen Mittelschichten in außer­ordentlichen Bildungsrenditen widerspiegeln. Dessen ungeachtet dürfte aber eben auch (und weit mehr noch als zu Beveridges Zeiten) gelten, dass ohne Bildung „alles nichts“ ist – und dass, ganz gleich ob nun innerhalb oder außer­halb des Erwerbsarbeitssystems, der Zugang zu den oben bezeichneten Positionen gesellschaftlich nützlicher, anerkannter und gesicherter Lebensführung allein über ein (wachsendes) Maß an institutionell garantiertem und zertifiziertem Bildungserfolg möglich sein wird.

Beveridges Modell eines modernen Sozialstaats beruhte auf der Idee des freien und gleichen Zugangs zu öffentlichen Leistungen, Diensten und Gütern – und damit auf dem Prinzip universeller Partizipation. Die Frage allgemeiner Zugangs-, Beteiligungs- und Teilhaberechte wird auch zukünftig Dreh- und Angel­punkt staatlicher Sozialpolitik sein. Beveridges Vorstellung sozial­politisch vermittelter Partizipation war nun allerdings insofern von allenfalls halbierter Universalität, als sie rund um die Sozialfigur des männlichen, weißen Arbeiters konstruiert war. Der Sozialstaat der Zukunft wird der sozialen Herausforderung einer Gewährleistung gleicher, und d.h. nicht zuletzt auch geschlechtergerechter und herkunftsneutraler, gesellschaftlicher Teil­habemöglichkeiten gerecht werden müssen. Dabei wird es notwendig auch um den engeren Kreis der Sozialpolitik überschreitende Fragen nach „industriellen Teilhaberechten“, also nach wirtschafts­demokratischen Ansprüchen auf Mitbestimmung in Betrieben und Unternehmen zu gehen haben.

Sozialpolitik kann – prototypisch hierfür mag eben die politische Intention des Beveridge-Plans stehen – verstanden werden als die Herstellung institutioneller Bedingungen für individuelle Autonomie. Die Tatsache, dass solcherlei Handlungsspielräume im Kontext der kapitalistischen Vergesellschaftungsform prinzipiell durch sozialstaatliche Interventionen und Institutionen zu eröffnen und offen zu halten sind, gilt es zunächst weder emphatisch als potenziell systemtranszendierend zu überhöhen – noch herablassend in ihrer realen Bedeutung für die Lebensqualität der Menschen zu unterschätzen. Was ein Sozialstaat der Zukunft – für alle seine Bürgerinnen und Bürger - zu gewährleisten hätte, wären individuelle Optionen des selbst­bestimmten Ausstiegs aus bzw. Widerspruchs in sozialen Abhängigkeitsbeziehungen, eröffnet durch eine konsequente Individualisierung sozialer Rechts- und Teilhabeansprüche.

Beveridges starkes Plädoyer für den Kampf gegen Arbeitslosigkeit als Bekämpfung der „idleness“ – der Faulheit, Trägheit, Untätigkeit – der Menschen lässt einen tiefen Einblick in die Deutungswelt nicht nur des damaligen Ratgebers seiner Majestät, sondern auch noch der Sozial(staats)­reformer der heutigen Zeit zu. Trägheit, Untätigkeit, Passivität: So lautet auch noch (oder wieder) die der „aktivierenden“ Wende der Sozialpolitik des vergangenen Jahr­zehnts zugrunde liegende Problemdiagnose – weshalb die institutionelle Mobilisierung der Menschen zu Bewegung, Tätigkeit, Aktivität zur Leitidee der sozialstaatlichen Reform­programmatik des beginnenden 21. Jahrhunderts geworden ist. Das Menschenbild strukturell passiver, aktivitätsaverser, arbeitsscheuer Subjekte sitzt tief und ist fest verankert in den Einrichtungen und Regularien des Sozialstaats der Erwerbsgesellschaft verankert – eines Sozialstaats, der andererseits doch strukturell auf die Arbeitsbereitschaft, den Leistungs­willen, die Aktivierbarkeit seiner Bürgerinnen und Bürger setzt. Wie passt beides zusammen? Wie stellt sich der Sozialstaat der Zukunft zur Frage des „Müßiggangs“? Und wo liegen die Grenzen zwischen dem Müßiggang (als, wie es so (un)schön heißt, „aller Laster Anfang“) auf der einen und der Muße auf der anderen Seite – als spezifischer Form menschlicher Aktivität, die in einem funktionalen Zusammenhang mit Arbeit und Bildung, Partizipation und Autonomie, d.h. mit dem hier skizzierten „Herausforderungssyndrom“ des Sozialstaats steht?

Muße erscheint heute, in der sich rastlos beschleunigenden Gesellschaft des flexiblen Kapitalismus, als ein notwendiges Komplement individuellen Engagements in Arbeit und Bildung, als eine materiale Voraussetzung der Möglichkeit von Partizipation und Autonomie. Und doch kommt sie – etwa in den zuletzt wieder neu entzündeten Debatten um die Legitimität und Praktikabilität der Grundeinkommensidee - unweigerlich in den Ruch der „System­feindschaft“. Für die Zukunft des Sozialstaats dürfte es von zentraler Bedeutung sein, diesen politischen Dissens um Muße und Müßiggang wirklich auszutragen. Denn ein Sozialstaat, der Arbeit und Bildung, Partizipation und Autonomie – und damit die formalen, materiellen und ideellen Grundlagen der Demokratie – sichern will, der muss seinen Bürgerinnen und Bürgern auch jenes fundamentale Recht auf Muße garantieren, das der flexible Kapitalismus ihnen alltäglich negiert. Erst damit, so könnte man sagen, wäre die Idee einer umfassenden öffentlichen Verantwortung für das Soziale im 21. Jahrhundert angekommen – und Sir William Beveridge vom Kopf auf die Füße gestellt.

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Artikel aus der Ausgabe Februar 2009
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