standortdebatten gibt es immer wieder

Test the Left II: Wie international ist der Europäische Gewerkschaftsbund?

prager frühling: Es gibt europäische Gewerkschaftsverbände, die sich nach Branchen organisieren. Wofür braucht es den Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) dann eigentlich?

Ringo Bischoff: Der EGB fasst nationale Gewerkschaftsverbände aus 36 Ländern und 12 europäische Branchenverbände zusammen. Die Bündelung der Einzelinteressen zu grundlegenden Richtungen und Aktivitäten ist die wichtigste, wenn auch sehr abstrakte Aufgabe. Und dass das nicht einfach ist, ergibt sich schon aus den völlig unterschiedlichen Ausgangsbedingungen der Mitgliedsverbände. Die Richtung mag dieselbe sein, aber das bedeutet noch lange nicht, dass die Vereinbarung auf eine Geschwindigkeit einfach ist.

Der EGB ist direkt an den europäischen Gesetzgebungsverfahren beteiligt. Er kann mit den europäischen Arbeitgeberverbänden Vereinbarungen abschließen. Auf Beschluss des EU-Rates und des Europäischen Parlaments können diese Rechtsstatus erlangen. Die Richtlinien zur Teilzeitarbeit oder zum Elternurlaub sind Beispiele für die Arbeit des EGB.

pf: Bei aller Europäisierung: Interessieren sich die nationalen Gewerkschaften, wenn es wie bei Airbus hart auf hart kommt, nicht am Ende doch wieder nur für „ihre“ Leute?

Bischoff: Standortdebatten gibt es leider immer wieder. Oft geprägt von der Angst vor dem Unbekannten und geprägt von Vorurteilen. Ich kann mich daran erinnern, dass nach der Vorstellung der Aktivitäten unseres Arbeitskreises Antirassismus auf einer Betriebsrätekonferenz ein Kollege aufstand und unsere Aktivitäten würdigte. Gleichzeitig sagte er, dass es bei ihm im Betrieb keinen Rassismus gebe. Aber dass die Polen rüber kommen und für weniger Geld arbeiten und somit ihm und seinen Leuten die Arbeit wegnehmen, das sei ein reales Problem.

Gleichzeitig gibt es auch immer wieder verschiedene Beispiele für transnationale Absprachen, koordiniertes Vorgehen und gegenseitige Unterstützungen. Als zum Beispiel vor zwei Jahren die Telekom streikte, gab es viele Solidaritätsaktionen in anderen Ländern. Und ich meine damit tatsächlich Streiks und ähnliches – auch wenn Solischreiben immer gern gesehen sind. Unterm Strich: Alle Gewerkschaften haben in den letzte Jahren dazugelernt und die internationale Vernetzung, Abstimmung und gegenseitige Unterstützung deutlich ausgebaut.

pf: Der EGB rühmt sich, Mitte bis Ende der 90er Jahre Rahmenvereinbarungen ausgehandelt zu haben, die in Richtlinien und schließlich in nationales Recht umgesetzt wurden. War's das jetzt oder können die Beschäftigten hoffen, dass der EGB für uns noch richtig was reißt?

Bischoff: Hoffen ist nie verkehrt. Konkretes Handeln ist aber immer besser. Die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen des EGB ist keine einfache. Sie bewegen sich in Diskussionen, die oft weit weg scheinen von der erlebten Realität Einzelner. Gleichzeitig soll aber die Arbeit des EGB, das Resultat nennt sich „Richtlinien“, das Leben von vielen verbessern. Wenn das funktionieren soll, dann braucht der EGB Unterstützung. Kraft entfaltet sich nicht virtuell. Kraft entfaltet sich immer dann, wenn sich Menschen ihrer gemeinsamen Interessen bewusst werden und sie ihre Stärke erkennen und nutzen. Gewerkschaften sollen dabei helfen. Und gerade entdecken sie diese Fähigkeit neu. Also, nicht hoffen. Organisieren und mitgestalten.

Autor:

Ringo Bischoff ist der Bundesjugendsekretär von ver.di. Im Gespräch über den Europäischen Gewerkschaftsbund meint er, dass konkretes Handeln immer besser sei.