09.12.2010

Bundespatenonkel in Bedrängnis

Warum ausgerechnet Nazis ein guter Anlass wären, das Mutterkreuz endlich einzumotten

Redaktion

Am 2. Advent rotteten sich ein Dutzend Nazis auf dem Grundstück von Reinhard Knaak, linker Bürgermeister von Lalendorf in Mecklenburg Vorpommern, zusammen. Der Anlass: Knaak hatte sich geweigert einer rechtsextremen[1] Familie die Urkunde für Patenschaft des Bundespräsidenten für das siebente Kind sowie ein Geldgeschenk von 500 Euro zu überreichen. Beides wird routinemäßig und auf Antrag überreicht. Geld und Urkunde kamen nun auf dem Postweg aus dem Bundespräsidialamt. Das Argument des Bundespräsidenten: Hier geht es um die Kinder — nicht um die Eltern. Klingt überzeugend?

Warum ausgerechnet die Nazis so scharf darauf sind, die Patenschaft des Repräsentanten eines ihnen verhassten Staates zu erhalten, mag daran liegen, dass das Tragen des Mutterkreuzes seit 1957 in Deutschland verboten ist. Die Traditionslinie ist im Bundespräsidialamt zwar nicht so beliebt — man verweist hier lieber auf Theodor Heuss als Vater —Entschuldigung — als Paten des Gedankens. Aber Fakt ist: Die Patenschaft des Bundespräsidenten für das siebente Kind ist ein anrüchiges Relikt. Im nationalsozialistischen Deutschland war das Mutterkreuz Propaganda für eine völkische Familienpolitik. Anders als heute, konnte der Antrag nicht selbst gestellt werden, es wurde vorgeschlagen, damit nicht die im NS-Sinne falschen Mütter beehrt würden. Ansonsten aber alles gleich: Antrag, Urkunde mit Unterschrift, feuchter Händedruck, fertig.

In der aktuellen Durchführungsverfahrung für die Verleihung der Patenschaft steht anders als in der Satzung des „Ehrenkreuzes für die deutsche Mutter“, nichts mehr davon, dass die Kinder „erbtüchtig“ sein sollen. „Deutsch“ und von den gleichen Eltern müssen die Kinder schon sein. Damit geht es also irgendwie doch um die Eltern. Den Kindern eines in Paraguay lebenden Deutschen, der die Vaterschaft für mehrere Kinder anerkannt hatte, wurde eine Patenschaft vom höchsten Deutschen — damals noch Horst Köhler — nämlich nicht zuteil.[1][2]

Wenn es Wulff mit seiner Erkenntnis Ernst ist, dass man Kinder nicht für ihre Eltern bestrafen soll, dann hätte er vor einigen Wochen einmal mit seinen Parteifreundinnen und –freunden sprechen sollen. Klar – im Flüsterton, schließlich soll der Präsident sich ja nicht in die Tagespolitik einmischen. Im Zuge des Sparpakets und der Neuregelung der Sozialgesetzbücher, geschah genau dies: Kinder werden in Zukunft für ihre Eltern in Haftung genommen. Bezieherinnen und Beziehern von Hartz IV wird das Elterngeld gestrichen und im sogenannten Bildungs- und Teilhabepaket aus dem Hause van-der-Leyen, werden die Jüngsten zu Gutschein-Kindern degradiert.

Darum sollte man zweierlei tun.

1) Die Patenschaft einfach abschaffen. Sie ist eine zweifelhafte Symbolpolitik und gefällt ohne hin nur den Falschen.

2) Sich auf den geeigneten Politikfeldern bemühen, dass Kinder nicht für Ihre Eltern haften.

Die Nazis haben sich das Mutterkreuz ausgedacht. Sie sind ein guter Anlasse die Relikte nationalsozialistischer Symbolpolitik in der deutschen Gesetzgebung zu beseitigen.


[1][3] Kein Anspruch auf Übernahme von Patenschaften durch den [4]Bundespräsidenten, beck-aktuell, 26. Juli 2006.

Links:

  1. http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/fruehform-des-terrors/
  2. https://www.prager-fruehling-magazin.de#_ftn1
  3. https://www.prager-fruehling-magazin.de#_ftnref1