ich werde rechtsanwalt!

Über Schikanen und Selbstbehauptung eines Flüchtlingsaktivisten

Apetor-Koffi A. Appolinaire

Es war sonnig in Bremen, als ich ankam. Nach meiner Ankunft wusste ich, dass ich ein schweres Kapitel hinter mir abgeschlossen habe. Und nun fängt das Neue an. Ich war schon in der ersten Wochen bereit, bei der Flüchtlingsinitiative hier mitzuwirken und meine Erfahrungen mit den Beamtenschikanen weiter zu geben. Ich habe mich vertraut mit den Asylsuchenden und MigrantInnen gefühlt. Ich fühlte mich trotz meines kleinen Wortschatzes endlich verstanden.

Das Flüchtlingsheim Rathenow, in dem ich zuvor untergebracht war, bedeutete für mich Schikane, Residenzpflicht und Ausgrenzung. Einmal stellte ich etwa einen Antrag, den Landkreis verlassen zu dürfen. In Rathenow gibt es nämlich keinen Rechtsanwalt, der sich um Asylangelegenheiten kümmert, und ich wollte mich von einem Anwalt in Hamburg beraten lassen. Der Urlaubsschein, also die Erlaubnis, den Landkreis vorübergehend verlassen zu dürfen, wurde nicht genehmigt. Dennoch bin ich nach Hamburg gefahren. Auf dem Rückweg wurde ich von der Polizei kontrolliert. Die Folge war, dass ich ein Bußgeld zahlen musste. Zudem wurde meine Post, bevor ich sie ausgehändigt bekommen habe, geöffnet und unser Zimmer regelmäßig durchsucht. Der Sicherheitsdienst hat willkürlich jede Nacht den Feueralarm ausgelöst. Das führte bei einigen HeimbewohnerInnen zu Nervenzusammenbrüchen. Darüber hinaus wurde ich damals mehrmals von einem Mitarbeiter des Sicherheitsdiensts körperlich angegriffen. Nach meiner Beschwerde bei der Heimleitung wurde mir gesagt, das Problem solle „zwischen Männern“ gelöst werden. Der Sicherheitsmann war mir körperlich überlegen und gehörte einer Kameradschaft an.

Gemeinsam mit anderen Asylsuchenden, die in Rathenow untergebracht waren, schrieb ich einen offenen Brief, um die Öffentlichkeit über die Zustände in Rathenow zu informieren. Man hat uns sofort danach als „rathenowfeindliche Menschen“ bezeichnet und die Stadt Rathenow und ihr Bürgermeister versuchten, ihr Bild der Stadt wieder herzustellen. Doch es ging 2002 und auch heute um eine menschliche Behandlung in Asylheimen. Mit menschlich meine ich mit dem Herzen. Es darf kein Beamter einem Asylsuchenden sagen, dass „er keine Würde hat, weil er kein Mensch ist“, sondern sollte sich selber immer wieder sagen: „Die Menschenwürde ist unantastbar“.

Die Flüchtlingsinitiative Berlin-Brandenburg hat uns einen Unterstützungsbrief geschickt. Und die Mitglieder dieser Initiative waren bei allen gerichtlichen Verhandlungen, die wir nach unserem offenen Brief durchgeführt haben, dabei. Diese Hilfestellung war für uns sehr wichtig.

Seit 2008 bin ich Vorstandsmitglied der Flüchtlingsinitiative Bremen und berate inzwischen ausländische Studierende an der Universität Bremen im Autonomen Internationalen Studierenden Ausschuss, einem Referat des AStA. Ich habe immer wieder das „Glück“, MigrantInnen, Asylsuchende oder ausländische Studierende bei Behördengängen zu begleiten und zu unterstützen – vor allem, wenn eine Abschiebung droht. Ich studiere nun im dritten Fachsemester Rechtswissenschaft. Mit dem akademischen Abschluss als Rechtsanwalt sehe ich die Möglichkeit, mein Engagement zu professionalisieren. Denn: Ein Rechtsberater ist gut, aber ein Rechtsanwalt ist deutlich besser.

Autor:

Appolinaire A. Apetor-Koffi ist deutsch-togolesischer Staatsbürger und Autor von „Nordafrikanische Zwangsarbeiter der Baustelle des U-Boot-Bunkers in Bremen-Farge und in den zugehörigen Lagern 1943-45“. Er hat bei der „Berliner Antikoloniale Konferenz“ 2004, den Ausstellungen „ Afrikabilder“ in den deutschen Medien 2012, „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ in Bremen 2014 und beim Projekt „Afrika gibt es nicht“ 2019 mitgewirkt."