wer schweigt, weicht aus

Replik auf Peter Ullrich

Katharina König

Beim folgenden Beitrag handelt es sich um eine Erwiderung auf einen Text von Peter Ullrich[1]. Eine andere Erwiderung von Kathrin Vogler[2] findet sich hier[3].

Viel Kritik erfuhren die Autoren Samuel Salzborn und Sebastian Voigt für ihre Studie „Antisemiten als Koalitionspartner“. Salzborn kritisiert nun in einem Artikel in der Jungle World die Argumentationsebenen der Kritiker_innen und unterstellt „Wer schweigt, stimmt zu“. Dem widerspricht Peter Ullrich und erklärt zusammengefasst: „Wer schweigt, ist vielleicht nur unsicher“. Vorweg: Mit der Studie von Salzborn/Voigt wurde eine Konfliktlinie in der Partei DIE LINKE nicht begonnen, sondern einer parteiexternen und somit breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Kritiker_innen der Studie mögen sich über die Methodik, fehlende statistische Daten etc. empören und somit — zumindest teilweise — die Studie als solche anzweifeln. Sie empören sich jedoch am Kern vorbei.

Die entscheidende Frage ist für mich der Umgang mit den Ergebnissen. Statt sich inhaltlich mit der Kritik auseinanderzusetzen und eine längst notwendige Debatte zu beginnen, wird auch von Ullrich der Studie auf formaler Ebene Wissenschaftlichkeit abgesprochen, wird „kritiklose Überidentifikation“ erklärt und diese im Folgeschritt Kritiker_innen bspw. der Boykottaufrufe, aber auch den Autoren der Studie unterstellt. Fast ließe sich vermuten, dass versucht wird, Kritiker_innen als kritikunfähig, da „überidentifiziert“ und nur zur „selektive(n) Aufmerksamkeit mit jüdischem Opferstatus“ fähig darzustellen. Die Folge wäre die Diskreditierung der Kritik und der Versuch der Rückkehr in „vorsalzbornsche“ Zeiten.

Ein Ausweichen also. Ein Ausweichen vor Realitäten, die weder von der Gesamtheit der Partei noch von ihrer Mehrheit getragen werden. Trotzdem Realitäten, deren Existenz bisher nicht oder nur ansatz- weise debattiert wird. Diese Debatte ist jedoch meines Erachtens die Herausforderung der Studie — der eigentliche Kern. Eben, dass es, ebenso wie in allen anderen Parteien, Antisemitismus gibt. Dabei geht es in der LINKEN nicht vorrangig um den so bezeichneten „klassischen Antisemitismus“, sondern um Antizionismus, um Israel-Kritik, die zumindest teilweise antisemitische Stereotype enthält.

Der Fakt an sich ist weder neu, noch bietet die Veröffentlichung der Studie den Anlass zur Empörung. Diese wäre längst wegen des Faktes an sich notwendig gewesen. Ebenso notwendig, wie eine wahrnehmbare innerparteilich geführte Debatte. Dazu ist es nicht Voraussetzung, den Komplex des Nahost-Konfliktes zu verstehen noch eine deutliche Positionierung „pro“ oder „contra“ inne zu haben.

Es geht nicht um den Nahost-Konflikt. Es handelt sich nicht um einen Nebenschauplatz, den man zugunsten vielfältiger weiterer politischer Prioritäten vernachlässigen kann. Es geht um Eliminierungsphantasien gegen den Staat Israel. Es geht um die Gleichsetzung israelischer Politik mit der Judenverfolgung und -vernichtung im Nationalsozialismus. Es geht um die Zusammenarbeit mit faschistischen und islamistischen Organisationen. Es geht um Antisemitismus in einem Teilbereich der Gesellschaft, in dem wir interagieren und der sich emanzipatorischen, fortschrittlichen und humanistischen Werten verschrieben hat. Es geht um Antisemitismus in der LINKEN und damit um Grundpositionen linker Politik, die immer wieder einer Überprüfung zu unterziehen sind und die sowohl im theoretischen Diskurs als auch im praktischen Handeln erkennbar sein müssen. Wer dazu schweigt, weicht aus.

Links:

  1. https://www.prager-fruehling-magazin.de/de/article/750.wer-schweigt-ist-vielleicht-nur-unsicher.html
  2. https://www.prager-fruehling-magazin.de/de/article/749.was-der-nahostkonflikt-aus-deutschland-nicht-braucht.html
  3. https://www.prager-fruehling-magazin.de/de/article/749.was-der-nahostkonflikt-aus-deutschland-nicht-braucht.html