Sex! Sex! Sex!
Über die schönsten Nebenwidersprüche der Welt
Essen muss der Mensch. Wohnen auch. Kleidung wird gebraucht. Auch Urlaub wäre schön. Doch wer bei sich zu Hause keine Produktionsmittel unter dem Bett entdeckt, kann keine Werte schaffen und tauschen. Nicht einmal das Bett fällt vom Himmel. Wer konsumieren will, muss produzieren und benutzt dafür meist die kapitalistischen Produktionsmittel. Dafür wird dann Lohn gezahlt und nicht der Gegenwert der Leistung. Die Differenz ist der Profit. Sein Spiegelbild ist die Ausbeutung. Sein Zerrbild die Entfremdung. Denn Lohnarbeit enteignet den Menschen nicht nur, sie stiehlt ihm obendrein die Seele. Wer acht Stunden täglich in einer PR-Agentur Werbebotschaften textet, kommt abends vor dem Fernseher kaum noch zum Gedichteschreiben. Wer ein halbes Leben lang Schweinehälften in Wurst verwandelt, entdeckt seine Bestimmung zum Naturfotografen bestenfalls spät in der Rente. Am Tage bei zugezogenen Fenstern träumt die Hure allein im Bett, in einem anderen Leben wäre sie Astronautin.
Ein einziges langes Leben malocht die LohnarbeiterInnenschaft für fremde Ziele, fremde Wünsche, fremde Träume, fremde Sehnsüchte und fremde Entfaltung. Die eigene Entfaltung muss zurückstehen. Lohnarbeit ist Triebunterdrückung. Weil der Mensch leben will, muss er den Menschen in sich am Leben hindern. Mensch muss sich zurückhalten, muss den Unwillen herunterschlucken, muss sich beugen und fügen für das, was die Lohntüte ermöglicht. Sie ermöglicht das Überleben und ein wenig Genuss. Doch mit dem Konsum beginnt das Schlimmste erst. Konsum ist Triebentfaltung. Der verkaufsoffene Sonntag verwandelt uns in unsere ursprüngliche Form. Durch das Shoppingcenter ziehen wir in Horden aus Jägern und Sammler. Diesen Fernseher schieß ich mir. Dieses Kleid habe ich mir gesammelt. Nun endlich richtet sich unser Handeln auf die eigenen Wünsche. Doch die triebursprüngliche Freude hat eine bösen Haken. Sie speist sich aus der kleinen Lohntüte und endet jäh, wenn diese erschöpft ist. Eine neue Triebentfaltung verlangt nach neuer Lohnarbeit. Lohnarbeit ist neue Triebunterdrückung. So macht Triebentfaltung die Triebunterdrückung erforderlich und die Triebunterdrückung bedarf neuer Triebentfaltung. Wir arbeiten, um zu shoppen. Und wir shoppen, um weiter arbeiten zu können. Für Revolution bleibt keine Zeit, kein Gefühl, keine Sehnsucht und kein Verstand. Das ist gut für den Kapitalismus. Er benötigt ProduzentInnen und KonsumentInnen, keine RevolutionärInnen.
Diese Reduktion des Humanen ist zugleich die Grundlage und die Grenze der Entfaltung von menschlicher Individualität in unserer Zeit. Schon der Philosoph Herbert Marcuse sah und litt sie. Doch er lebte überdies im Zeitalter des sexuell verklemmten Kapitalismus. Er sah etwas Hoffnung. Er vermutete, dass die allgegenwärtige Prüderie eine notwendige Vorbedingung für die geordnete Triebentfaltung beim Konsum war. Vielleicht gab es also einen Ausweg. Stark verkürzt mündete er in einen Rat. „Leute“, sagte Marcuse: Hört doch auf unter euren Betten herumzukriechen. Da findet ihr keine Produktionsmittel. Kriecht doch lieber in eure Betten und fickt euch! Fickt euch häufig und fickt euch intensiv. Entdeckt dabei, wie reich angelegt euer Sensorium ist. Findet heraus, wie viel Leidenschaft und Lust in euch steckt. Dann könnt ihr vielleicht auch bemerken, wo sonst überall euren Trieben Grenzen gesetzt sind. Es sind diese Grenzen, die ihr nicht wollen könnt und die ihr bekämpfen müsst. Ihr seid keine seelisch amputierten Gefangenen des Kreislaufes aus Produktion und Konsumption. Ihr könntet frei sein! Haut endlich mit der Faust auf den Tisch und fühlt wie gut das tut, wenn der Schmerz den Unterarm hochkriecht. Hört auf zu shoppen. Schreit! Revoltiert!
Ja, na gut. Er hat es natürlich wissenschaftlicher gesagt und ein „bisschen schwangerer“ an Bedeutung. Er nahm an, auch in der sexuellen Triebentfaltung schlummere ein Ansatz, um die menschlichen Triebe insgesamt zu de-entfremden, um dem Teufelskreislauf aus Konsum und Lohnarbeit zu entfliehen. Mit seinem „Unter-Ich“ bewaffnet könnte Mensch dem „Über-Ich“ aus Staat und Gesellschaft den Kampf ansagen, um endlich zu einem erwachsenen und autonom gefundenen „Ich“ zu finden. Die Hoffnung des Psychomarxisten: Durch das Bett verlief ein Fluchtweg aus dem Kapitalismus in das Reich der Schmetterlinge.
Doch Marcuse hat sich geirrt. Entlang des Fluchtweges hat der Kapitalismus nach den 68ern ganz einfach eine neue Einkaufsstraße errichtet. Die neue Freizügigkeit teilt das Schicksal des Rock ’n’ Roll. Was einst das wilde Aufbegehren gegen die Verhältnisse war, ist heute ihre seichte Bejahung. Heute gibt es Ozzy Osbourne bei Kaisers an der Kasse und Mutti zieht den Minirock zur Arbeit an. Der S-Bahnsteig ist ein Laufsteg. Eine Geigerin muss Titten haben. Ein Kopfarbeiter ohne Muskeln ist ein Waschlappen. Eine Frau ohne Dildo ist verklemmt. Statt zur Demo geht der freie Geist in den Swingerclub. Internetportale vermitteln den diskreten Seitensprung. Ich kann meinen abspritzenden Schwanz zur Persönlichkeit erklären; Tausende klicken „gefällt mir“ für sein Video im Internet. Die sexuelle Einkaufsstraße des Kapitalismus hat eine Schneise durch unsere onanierenden und vögelnden Köpfe gezogen. Wir konsumieren die geschärften und übersättigten Bilder einer gefälschten Sexualität und wir leben sie kritiklos. Niemand will prüde sein. Ficken ist links. Sex ist Leistung. Sex ist Erfolg. Sex ist Bereicherung. Sex macht individuell. Fick mich jetzt und liebe mich später. Wie fickst Du? Sag mir, wen Du fickst und ich sage Dir, wer du bist!“
Sex sure sells. But it does not revolt at all. Was der Konsum materieller Güter zuvor allein vermochte, erreicht er nun in Ergänzung mit der Kommerzialisierung der Sexualität. Nun bindet uns die „befreite Sexualität“ an die gefesselten Triebe, der wir für unsere Funktion in der kapitalistischen Produktion bedürfen. Wir shoppen nicht mehr, um zu arbeiten. Wir shoppen und wir ficken für genau denselben Zweck. Die Folge der kommerzialisierten Sexualität ist nicht allein eine Stabilisierung des Kapitalismus. Die Folge ist auch die weitere Entfremdung des Menschen als gesellschaftliches Wesen von sich selbst. Denn wir haben längst begonnen, die Schwänze und Mösen unserer Mitmenschen wie Kühlschränke und Radios zu kaufen. Wir ficken Produkte. Und wir ficken uns ins Knie, weil wir uns zu Produkten machen. Die Lebensplanung von Millionen verläuft sich über Disko, Fitnessstudio, Solarium und zweiundvierzig LebensabschnittpartnerInnen im humanen Nichts. Sex ist auch keine Lösung.
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Ob PASOK in Griechenland oder die Parti Socialiste in Frankreich, in vielen Ländern sind die Sozialdemokraten zu Kleinstparteien geworden. Auch hierzulande geht’s der SPD alles andere als gut. Was bedeutet die Schwäche der SPD für die Linke? Was für eine sozialistische Europapolitik? Eine Ausgabe über Glanz und Elend der realexistierenden Sozialdemokratie.
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Putinversteherin und Faschistenfreund – in Diskussionen über den Umgang mit bewaffneten Konflikten, wird schnell auch rhetorisch scharf geschossen. In seiner neuen Ausgabe fragt prager frühling wie eigentlich linke Weltinnenpolitik geht und wie eine Neuerfindung des politischen Pazifismus ins Werk zu setzen wäre.
Griechenland hat die Austeritätspolitik abgewählt - durchgesetzt hat dies eine linke soziale Bewegung auf den Straßen und Plätzen. Ohne die enge Verzahnung mit Syriza als parlamentarischer Verlängerung wäre dies nicht möglich gewesen. In Dresden hingegen marschiert mit Pegida eine neue APO von rechts und mit der AfD rückt eine neue Rechtspartei in die Parlamente ein. Genügend Gründe also sich mit den Formatierungen parlamentarischer Demokratie zu beschäftigen. Spielräume für emanzipatorische Kämpfe zu ergründen und Beschränkungen einer Politik im Zählverein zu analysieren.
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Emanzipatorische Alternative jenseits von Markt und Staat oder nur Lückenbüßer für vormals staatlich organisierte Aufgaben? Unsere Autor*innen haben sich auf die Suche nach heutigen Commons gemacht. Im ersten Teil der Ausgabe haben sie die Kontaktzonen zum Markt, Staat und Care-Ökonomien besichtigt und theoretisch vermessen. Im zweiten Teil der Ausgabe haben sie Gemeinschaftsgärten durchstreift sowie an „Energietischen“ gesessen, um Kämpfe um Commons zu dokumentieren.
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Unsere AutorInnen fragen sich, ob die Schwarmintelligenz den Cybersexismus überwinden kann und wo genau die Grenzen des digitalen Medienbaukastens verlaufen. Kai van Eikels analysiert die Ideologie des „Nerds“ und Mathias Schindler erklärt, wie es mit Wikipedia weitergeht. In den Feminismen gibt Dr. Lady Bitch Ray dem Feminismus der ersten Welle einen fetten Zungenkuss, während Stefan Gerbing in der ersten Hurenzeitung der Weimarer Republik geblättert hat.
Nein, ihr habt’s wieder falsch verstanden! Entschleunigung heißt nicht Breitbandrossel, liebe Telekom. Und Du, Frankfurter Polizei: Die Entdeckung der Langsamkeit meint nicht, zehn Stunden Zwangsentschleunigung im Kessel. In der Stress-Ausgabe prager frühling geht’s, darum wie man es richtig macht.
Der Realsozialismus ist auch auf der Speisekarte gescheitert: Als Diktatur des schlechten Geschmacks. Die Verhältnisse an kapitalistischen Tafel sind nicht weniger ungenießbar. Tausch von ökonomischem und sozialem Kapital geht vor. Wenn Renate Künast eine Flasche fairen Bio-Orangensaft kauft, geht locker das Tagesbudget eines Hartz-IV beziehenden Kindes über die Theke ...
Die neue Ausgabe des prager frühling erscheint am 26.10.2012 und kann hier bestellt werden.Im Schwerpunkt geht es diesmal um die „Neue soziale Idee“ und damit die Frage nach emanzipatorischen Potentialen, aber auch den Grenzen einer linken Sozialpolitik.
Und in Berlin singen die Ultras von der FDP gemeinsam mit den Polithools vom rechten Rand: „Protektorat statt Europarat!“ Wird in Griechenland bald mehr als nur Deutsch gesprochen? Unsere AutorInnen stellen sich dem Einmarsch entgegen. Lucas Oberndorfer analysiert den autoritären Wettbewerbsetatismus als Krisenbearbeitungsstrategie ...
Von wegen „schönste Nebensache“ der Welt. Sex ist diesmal der Schwerpunkt unseres Heftes. Während uns die Starsoziologin Eva Illouz über den Zusammenhang von Kapitalismus und Partnerwahl aufklärt, analysiert Kathy Meßmer Intimchirurgie als widersprüchliche Praxis. Außerdem im Schwerpunkt: ...
Ach diese Linken! Sie wissen genau, wie es Frieden zwischen Ramallah und Tel Aviv geben kann und sie brüllen es heraus – in Düsseldorf und Frankfurt. Während die Einen schreien: „Straßenschlacht in Ramallah, die Panzer sind die Antifa“, brüllen die Anderen: „Intifada bis zum Sieg ...
prager frühling stößt an: ein Prosit den Parallelgesellschaften! Schon klar, Integration fordert immer die Anderen. Deshalben sagen wir: "Erst wenn Efes sich ins deutsche Biersortiment eingegliedert hat und ein Hefeweizen anbietet, werdet ihr merken, dass man so etwas nicht trinken kann." Wie aber geht sozialistischer Antirassismus? Etienne Balibar, Nichi Vendola und viele andere versuchen sich in Antworten ...
Dissidenz und ziviler Ungehorsam sind die Hefe linker Politik. Kann Sie auch Schmiermittel des Kapitalismus sein? Wo schlägt Subversion in unpolitischen Abweichungsfetisch um? Unsere Autor_innen schauen nach, diskutieren und polemisieren.
Ist geistiges Eigentum Diebstahl? Stellen Raubkopien das Ergebnis von Aneignung oder eine besonders perfide Ausbeutung des Kreativproletariats dar? Darüber diskutieren in unserem Heft u.a. Michael Hardt, Cornelia Koppetsch, Sabine Nuss und Stefan Meretz. Digital Natives diskutieren die Implikationen der Digitalisierung von Demokratie ...
„Crossover“ ist der Versuch, eine Diskussion über politische Kooperation von sozialistischen, grünen und sozialdemokratischen Positionen in Gang zu setzen, deren Ergebnis hegemoniefähige progressive Reformprojekte werden sollen. So nahe liegend dies angesichts des Niedergangs der neoliberalen Ära ist, so blockiert ist diese Perspektive dennoch ...
Den politischen Gemütszustand unserer Welt beschreibt nichts besser als der alte Kalauer: „Öko? Logisch.“ Niemand schmunzelt mehr drüber, aber alle nehmen den Schenkelklopfer für sich in Anspruch. Dass alles irgendwie auch „öko“ sein müsse, also die Sache mit der Umwelt halt ein Problem sei, ist – logisch – Allgemeinplatz geworden ...
Die Linke und die Nation ist der Schwerpunkt der fünften Ausgabe des prager frühlings. Außerdem beschäftigen wir uns unter dem Motto "balkan beats" mit der Linken in Post-Jugoslawien. Mit dabei sind Thomas Seibert, Julia Bonk, Klaus Höpcke, Michel Albert, Christin Löchner, Lothar Bisky, Ringo Bischoff, Katja Kipping, Andreas Fischer-Lescano und die Band Ego-Tronic ...
Original sanktionsfrei: Weg mit Hartz IV! Her mit dem schönen Leben! Neben vielen investigativen und weniger investigativen Beiträgen zum Hartz IV-Regime, wollen wir Euch in dieser Ausgabe auch unseren Vorschlag vorstellen, dem Hartz IV-Regime die Forderung nach einem Infrastruktursozialismus entgegen zu setzen ...
Februar 2009 erschien die dritte Ausgabe des prager frühling. Das Schwerpunktthema ist "Demokratie und Herrschaft" mit Beiträgen und Artikeln von Chantal Mouffe (University of Westminster, London), Jürgen Peters (IG Metall), Colin Crouch, Franziska Drohsel (Juso-Vorsitzende), die Gruppe Soziale Kämpfe, Sonja Buckel (Universität Frankfurt) und viele andere mehr ...
Mitte Oktober 2008 kam die zweite Ausgabe von prager frühling, dem neuem Magazin für Freiheit und Sozialismus. Das nächste Heft widmet sich schwerpunktmäßig dem Verhältnis von Politik und Kultur. Ziel der Redaktion ist es, politisches Engagement und Kultur einander näher zu bringen. Dabei geht es nicht um eine Kolonisierung des einen Bereichs durch den anderen ...
Der Schwerpunkt der ersten Ausgabe des Magazins prager frühling heißt "Refound: NeuBegründung". Unsere Autorinnen erklären was der "Bruch nach vorn" ist. Mit dabei Frigga Haug, Thomas Seibert, Hans Jürgen Urban, Daniela Dahn und Michel Friedmann.