Editorial

"In der Küche ist Mobbing die natürliche Auslese", sagt der Erschaffer dieses Gerichts.

Liebe Genießerinnen und Genießer,

wohl nirgendwo kann man das verdiente Scheitern des Realsozialismus besser beobachten als auf der Essenskarte seiner Nachlassverwalterpartei, der LINKEN: Der Fleisch gewordenen Bürokratie des Proletariats folgt die Verewigung der Diktatur des schlechten Geschmacks, des Verfalls aller Sitten und Ästhetik, gekoppelt mit dem Proletkult arbeiteraristokratisch gemeinschaftlich zustimmendem „Rrrrrrrrrbrpp-ahh!“ am Catering-Stehtisch vor dem Parteitagssaal. Sämtliche ernährungs- und gesundheitspolitischen Kenntnisse moderner bürgerlicher Gesellschaften wurden vollständig zur Unkenntlichkeit verdaut; die Partei, die sich die Interessen der Arbeitermassen auf die Fahnen geschrieben hat, kennt auf ihren Zusammenkünften nur klebrig-schwere Kartoffelsalatmasse nebst dreckig-gelber Senfmasse auf brauner Wurst. Bockwurst.

Fehlender attraktiver gesellschaftlicher Alternative der realsozialistischen Linken entsprach fehlende attraktive kulinarische Alternative, fehlender kultureller Hegemonie die fehlende kulinarische Hegemonie. Oder besser: entspricht. Die herrschenden Gerichte sind auch heute noch die Gerichte der Herrschenden. Die andere Linke wiederum, die ehemals kritische, beweist nicht selten ebenfalls schlechten politischen Geschmack: Wenn Renate Künast im Bioladen eine Flasche fairen Orangensaft einkauft, entspricht das ungefähr dem Tages-Essensbudget eines Hartz-IV-Kindes. Die Klassengesellschaft kotzt soviel sie essen kann: Industriefood und Mangelernährung für die einen, Haute-Cuisine-Bio-Regional für die anderen. Wir wünschen Renate alles erdenklich Durchgefallene.

Weil wir wollen, dass das alles nicht so bleibt, haben wir in der aktuellen Ausgabe unseres Magazins ein politisch-kulinarisches Menü serviert: klasse Essen statt Klassenessen. Die Widerlichkeit der Aufforderung der letzten französischen Königin, Kuchen zu essen, wo sich das Volk Brot nicht mehr leisten könne, haben die französischen Republikaner zu Recht mit einer Portion Schweinskopfsülze am blanken Metall zum Abend geahndet. Jedoch wollen wir nicht mit der Blödsinnigkeit kontern, das Volk nun aufs Brot festzulegen. Deshalb sind uns weder Tafelreste noch Pinot Grigio unter fünf Euro gut genug. Es geht uns um die Synchronisierung von Kommunismus und Kulinarismus — mit Heinrich Heines: Zuckererbsen für jedermann, bis dass die Schoten platzen! Und als Nachtisch seligst Torten und Kuchen. Guten Appetit wünscht

Euer Redaktionskochstudio