Prager Frühling, Magazin für Freiheit und Sozialismus (www.prager-fruehling-magazin.de)
07.03.2013

Das linke Millieu muss sich Gedanken machen ...

Zum Ausgang der Parlamentswahlen in Italien

Paola Giaculli
Beppe Grillo: Blickt nach links, ist politisch aber nur schwer klassifizierbar.

Mit 25,4 Prozent wird Beppe Grillos Bewegung 5 Sterne (M5S) die stärkste Kraft in der Abgeordnetenkammer und somit die Überraschung dieser Wahl. Im Senat erobert sie mit 23,8 Prozent den zweiten Platz nach der Demokratischen Partei (PD). Verlierer sind die PD, die in der Abgeordnetenkammer im Vergleich zu 2008 8 Prozent, das heißt, ca. 3,5 Millionen Stimmen weniger erhalten hat, dazu die mit ihr verbündete Partei Linke, Ökologie, Freiheit (SEL), die auf 3,2 Prozent kommt, und der ehemalige Regierungschef Mario Monti, der Favorit der EU- und der Wirtschaftseliten, der in Umfragen bei 12 bis 15 Prozent lag. Er muss sich mit 9,1 Prozent im Senat und 10,5 Prozent in der Abgeordnetenkammer zufriedengeben. Eine bittere Niederlage hat die neue linke Formation Rivoluzione civile, ein Sammelbecken von Parteien wie Rifondazione comunista, Italien der Werte (IdV) des ehemaligen Staatsanwalts Antonio Di Pietro sowie verschiedenen Verbänden erlitten: mit 2,2 Prozent für die Abgeordnetenkammer und 1,8 Prozent für den Senat scheiterte sie an der 4-Prozent-Hürde. Trotz heftiger Verluste beeindruckt die Leistung Silvio Berlusconis, der seinem Mitte-Rechts-Bündnis dank eines fulminanten Wahlkampfes immerhin 30,7 Prozent schenkte, während er bis vor ein paar Wochen als „erledigt“ gegolten hatte.

Entgegen den Prognosen der Umfragen hat das Mitte-Links-Bündnis, das insgesamt 31,6 Prozent der Stimmen erhielt, die Wahl nicht gewonnen. Der erstaunlich geringe Vorsprung von nur 0,9 Prozent gegenüber dem Bündnis der Rechten von Berlusconis Partei Volk der Freiheit (PdL) mit 22,3 Prozent, der Lega Nord mit 4 Prozent und anderen kleineren Formationen reicht aufgrund des komplizierten Wahlrechts trotz der numerischen Mehrheit nicht aus, um eine Mehrheit im Senat zu bilden. Berlusconis Bündnis hat in den großen Regionen des Nordens und Südens gewonnen, denen viele Sitze zustehen. Einen noch geringeren Vorsprung von 0,35 Prozent, bzw. 125 000 Stimmen hat das Mitte-Links-Bündnis im Abgeordnetenhaus, wo es insgesamt 29,44 Prozent erhielt. Aber hier reichte das im Unterschied zum Senat aus, um auf die absolute Mehrheit (340 von 620 Sitzen) zu kommen. Dank des absurden und ungerechten Wahlrechts, das Berlusconi 2005 einführte, hat er sein Ziel erreicht, Störfaktor zu spielen. Im Senat verfügt kein Bündnis über die nötige Mehrheit, um eine Regierung zu bilden.

Porcellum – die „Schweinerei“ - Das italienische Wahlsystem

In Italien hat das Parlament zwei Kammern: die Abgeordnetenkammer (620 Sitze) und den Senat (315 Sitze). Beide haben politisch das gleiche Gewicht. Für beide gilt ein Verhältniswahlrecht mit Mehrheitsbonus, das aber unterschiedlich gehandhabt wird. Wer in der Abgeordnetenkammer die relative Mehrheit der Stimmen gewinnt, erlangt durch den Mehrheitsbonus automatisch die absolute Mehrheit der Sitze (340 von insgesamt 620). Hier gelten folgende Sperrklauseln: für Parteien 4 Prozent, für die einzelne Partei in einem Bündnis 2 Prozent. Das ist eine Lebensversicherung für kleine Parteien, die nur geringe Chancen haben, über die 4-Prozent-Hürde zu kommen. Die Sperrklausel für ganze Wahlbündnisse beträgt 10 Prozent. Im Senat gibt es ebenfalls einen Mehrheitsbonus. Dort erhält jede Region Italiens eine bestimmte Anzahl von Sitzen, die nach der Bevölkerungszahl festgelegt wird. Die Partei, die in einer Region gewinnt, erhält automatisch 55 Prozent der dieser Region zustehenden Sitze. Im Senat beträgt die Sperrklausel für Parteien 8 Prozent, für die einzelne Partei in einem Bündnis 3 Prozent und für ganze Wahlbündnisse 20 Prozent.[1]

„Wir und Montis Partei stehen gemeinsam für Europa“ — Die PD auf der Seite des unsozialen Europas

Angesichts der desolaten Ausgangslage des Bündnisses der Rechten hat Berlusconi trotz der schweren Verluste geradezu ein Wunder bewirkt.[2] Als er im Dezember 2012 das Ruder der Partei wieder in die Hand nahm, hätte niemand auf einen solchen Aufschwung gewettet. Das spricht für seine kämpferischen Fähigkeiten, aber auch für die Unfähigkeit des Mitte-Links-Bündnisses, eine Alternative anzubieten. Erneut konnte Berlusconi mit Lockangeboten, zum Beispiel der Rückzahlung der Immobiliensteuer und einer Steueramnestie, punkten. Da störte es nicht, dass er die Regierung Monti zusammen mit der PD unterstützt und daher selbst zur Einführung der unpopulären Immobiliensteuer beigetragen hatte (ca. 80 Prozent der Italienerinnen leben in Eigentumswohnungen). Mit seinen Wahlversprechen, u.a. diese Steuer abzuschaffen, konnte er wieder aufsteigen.

Der Spitzenkandidat des Mitte-Links-Bündnisses und PD-Chef Pier Luigi Bersani reagierte darauf mit der Erklärung: „Wir machen keine Versprechungen, die wir nicht halten können“. Da half es ihm und seinem Bündnis auch nicht, Berlusconi Populismus vorzuwerfen, denn er war nicht in der Lage, für die dramatische soziale Lage mit einer Arbeitslosigkeit von 12 Prozent — unter Jugendlichen sogar 36 Prozent — eine konkrete Lösung anzubieten. Stattdessen versprach er die Einhaltung des Reformkurses und der europäischen Verträge inklusive des Fiskalpakts, die die Lage im Lande weiter drastisch verschärft haben. Die Einhaltung des Fiskalpakts würde Italien zwanzig Jahre lang einen jährlich um ca. 47 Milliarden Euro gekürzten Haushalt auferlegen. In mehreren Interviews mit internationalen Medien suchte Bersani die Finanzmärkte und die Troika von der „Zuverlässigkeit“ einer zukünftigen Mitte-Links-Regierung zu überzeugen. Diese werde die Spardiktatspolitik der EU fortsetzen.[3] Er halte den Sparkurs für richtig, ebenso die Arbeitsmarktreform (Abschaffung des Kündigungsschutzes und weitere Flexibilisierung) sowie die Rentenreform (Anhebung des Rentenalters), denen er bereits im Parlament zugestimmt hatte. Trotz der zum Teil abweisenden Haltung Montis im Wahlkampf würdigte Bersani den Ministerpräsidenten weiter für seine „Leistung“ in der Krise. Außerdem erklärte er sich bereit, mit Monti zu koalieren, selbst wenn der Wahlausgang für eine Mitte-Links-Regierung ausreichen sollte. Anfang Februar traf er sich mit Finanzminister Schäuble in Berlin, um den Schulterschluss zu demonstrieren. Stefano Fassina, der als Sprecher des linken Flügels der PD gilt, erklärte gegenüber ZEIT online: „Unser Parteivorsitzender Pierluigi Bersani und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sind einer Meinung darüber, dass die Eurozone einen Super-Sparkommissar braucht, der darauf achtet, dass sich die Mitgliedstaaten an die geplanten Sparmaßnahmen halten. Wir verstehen die Bedenken der deutschen Steuerzahler gegenüber der fehlenden Haushaltdisziplin mancher europäischen Länder und sind deshalb überzeugt, dass eine zentrale Aufsichtsbehörde dringend nötig ist“.

Die Unfähigkeit und der Unwille, die echten Probleme der Menschen anzugehen, wurden schwer bestraft. Vielen Menschen wird kaum aufgefallen sein, dass Monti sie oder Italien „gerettet“ habe, wie das Mantra in der europäischen Öffentlichkeit und italienischen Medien lautet. Für Arbeitnehmerinnen, Jugendliche, Arbeitslose und Rentnerinnen hat sich die Krise noch verschärft. Im Bildungs- und Gesundheitswesen wurde wie unter Berlusconi weiter gekürzt: Stellen für Hilfslehrerinnen, die sich um behinderte Kinder kümmern und Gelder für verschiedene Patientengruppen wurden gestrichen. Im „reformierten“ Rentensystem wurden ca. 400 000 Arbeitnehmerinnen, die nach Absprache mit ihrem Betrieb und den Gewerkschaften in die Frührente hätten gehen sollten, im Stich gelassen. Sie haben wegen der Anhebung des Rentenalters weder einen Job noch eine Rente. Hingegen wurde der Einkauf von F-35-Bombenflugzeugen für 17 Milliarden geplant, große Vermögen und Steuerhinterzieher wurden geschont.

Kein Wunder, dass Monti, der zum ersten Mal mit einer eigenen Parteienliste angetreten ist, nicht sonderlich erfolgreich war. Zwar wurde er von EU-Institutionen und vielen europäischen Regierungen bejubelt, aber seine Regierung ist verantwortlich für die weitere Verarmung der Bevölkerung, inklusive der Mittelschichten. „Es gab keine Alternative zur Austeritätspolitik“, erklärte Monti ungeachtet der Quittung der Wähler für diese Politik. Wie realitätsfern man sein kann, hatte bereits die PD gezeigt: „Wir und Monti stehen gemeinsam auf der Seite Europas“, sagte Fassina im ZEIT-online-Interview. Der ehemalige Goldman-Sachs Berater Prof. Monti konnte im Übrigen seine unsoziale Politik nur dank der Zustimmung einer parlamentarischen großen Koalition mit PdL und PD durchsetzen. „Wir sind stark davon überzeugt“, erklärte Fassina in seinem Interview weiter, „dass wir über die nötige Mehrheit verfügen werden, um eine Regierung zu stellen. Außerdem glaube ich nicht, dass Berlusconi bei dieser Wahl eine Gefahr für die politische Stabilität Italiens darstellt. Die eigentliche Gefahr geht eher von Beppe Grillos Fünf-Sterne-Bewegung aus. In dem er die soziale Unruhe, die von der Krise ausgelöst wurde, für seine politischen Zwecke nutzt, schafft Grillo nur mehr Unruhe“. Wollte sich die PD überhaupt um diese soziale Unruhe kümmern bzw. die Gründe dafür angehen? Die PD hat ein Drittel ihrer Stimmen verloren und damit ihr schlechtestes Ergebnis erzielt. Für die oben genannte Frage hatten die Wählerinnen offensichtlich eine klare Antwort: Nein.

In Brüssel, Berlin oder Paris muss man sich jetzt fragen: Wie lange wird es noch möglich sein, den Menschen eine Austeritätspolitik aufzuzwingen, die sie in Italien, aber auch in Spanien, Griechenland und Portugal in immer größerer Zahl ablehnen? Wie lange wird das möglich sein, ohne diesen eklatanten demokratischen Bruch zu vertiefen? Wie lange wird dieser Widerspruch noch halten, ohne in nächster Zukunft die EU zu bedrohen? Diese Fragen können die europäischen Gremien nicht mehr ignorieren.[4]

„Wir schicken alle nach Hause“ – Grillo und die M5S: Alles nur Populismus?

Grillo hat eine lange Theaterkarriere hinter sich. Er war in den 70er und 80er Jahren ein beliebter Fernsehkomiker, bevor er aus dem öffentlich-rechtlichen Sender RAI verbannt wurde, weil er Bettino Craxi und seine korrupten Sozialisten, die damals Italien regierten, „beleidigt“ hatte. Er hat schon immer politisches Theater gemacht: Gegen Atomkraft, für den Schutz der Verbraucherinnen. Seit Langem wirft er Großunternehmen vor, nicht mehr an der Produktion, sondern nur noch am Profit interessiert zu sein. Verbraucher- und Bodenschutz, Umwelt und Wasser sind seine Hauptthemen, dazu das Wettern gegen die „Politikerkaste“. Vor sechs Jahren hat mit seinem „V-Day“, Aufsehen erregt, dem „Leck-mich-am-A****-Tag“ für ein sauberes Parlament mit gleichzeitigen Live-Aktionen auf vielen Plätzen Italiens. Dadurch wollte er eine Petition für eine Wahlrechtsreform, eine drastische Reduzierung der Abgeordnetendiäten und den Ausschluss von Vorbestraften aus dem Parlament erreichen. Seitdem ist er für seinen aggressiven, vulgären Ton gegen das politische Establishment — „Die sind doch alle gleich (korrupt)! Wir schicken sie alle nach Hause!“ – bekannt.

Seit 2005 betreibt er seinen eigenen Blog, auf dem er die Finanz- und Wirtschaftwelt beobachtet. Zusammen mit seinen Aktivisten setzt er sich für partizipative Demokratie (Bürgerhaushalt), öffentliche Daseinsvorsorge, erneuerbare Energien, gegen Aufrüstung und prekäre Arbeitsverhältnisse, für soziale Gerechtigkeit, gerechte Renten und die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen ein. Das sind linke Forderungen, die die sozialen Bewegungen und auch Rifondazione comunista thematisieren. Grillo hat die „NO-TAV-Bewegung“ im Susa-Tal von Piemont unterstützt, wo Gemeinden und Bauern seit Jahrzehnten gegen das umweltschädliche EU-Großprojekt zum Bau der Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke Turin-Lyon kämpfen. Vor drei Jahren war er gemeinsam mit den Linken und vielen anderen Verbänden Initiator des Volksbegehrens für das erfolgsreiche Referendum gegen Atomkraft, für öffentliches Wasser und Daseinsvorsorge.

Im Jahre 2009 gründete Grillo die Bewegung Movimento 5 Stelle (M5S). Sie hat eine vertikale Struktur; er ist der Chef und besitzt daher ihr Logo. Probleme mangelnder innerer Demokratie sind bereits aufgetaucht. 2008, 2010 und 2011 nahm M5S an Kommunal- und Regionalwahlen teil und stellte erste Stadträte. Der Durchbruch kam 2012, als in Parma, in der früheren roten Emilia Romagna, ein „Grillino“, ein M5S-Aktivist, zum Bürgermeister gewählt wurde. In Sizilien wurde M5S mit 14,9 Prozent stärkste Kraft. Die PD erhielt nur 13,4 Prozent. Grillo hat die Verarmung durch die Sparpolitik angeprangert und damit den Nerv der Menschen getroffen, während die PD und SEL ihn als „Populisten“ und Faschisten beschimpften, ohne das soziale Unbehagen wirklich anzugehen. Das zeigte sich auch bei der Abschlusskundgebung seines Wahlkampfes am traditionellen Ort linker Demos, der riesigen Piazza San Giovanni in Rom, an der 700 000 Menschen teilnahmen.

In Italien haben Linke und Rechte die Wut gegen die korrupten Partei- und Wirtschaftseliten gemeinsam. Korruption gab es schon immer, aber ausgerechnet in einer Zeit der tiefen Rezession, da die Sparpolitik den Menschen immer größere Opfer abverlangt, ist sie System geworden. Die jüngsten Skandale betreffen das große Staatsunternehmen Finmeccanica und die älteste Bank der Welt, die Monte dei Paschi di Siena, in deren Vorstand und Aufsichtsrat PD-Vertreter saßen. Rechte wie linke Abgeordnete haben über die Partei- und Fraktionsfinanzierung Steuergelder veruntreut, Hochzeitsfeiern und Restaurantessen für Tausende Euros finanziert, Autos oder auch nur Bücher und Bonbons gekauft. In der Lombardei und in Latium kam es deswegen am 24./25. Februar zu Neuwahlen.

Die M5S-Abgeordneten des Regionalparlaments von Sizilien haben ihre Diäten auf 2500 Euro reduziert, die Parlamentsabgeordneten dieser Partei von 18000 auf 5000 Euro. Der Rest wird für Fonds gespendet – in Sizilien für Kleinunternehmen, die von der Mafia geplagt werden. Bei der Parlamentswahl erzielte die M5S hier 33 Prozent und wurde damit in Sizilien wie auch in Piemont, Sardinien, Ligurien, Marken und den Abruzzen stärkste Partei. Staatliche Parteienfinanzierung wird von ihr abgelehnt, die Bewegung finanziert sich durch Spenden.

Was Grillo sagt, stimmt allerdings nicht immer: Er übertreibt und provoziert gern, „er hat eine groteske Art“, verteidigt ihn Literaturnobelpreisträger Dario Fo, der ihn offen unterstützt hat. Wenn er auch in Richtung der extrem rechten Bewegung „Casa Pound“ Avancen macht, kann er trotzdem nicht als Faschist bezeichnet werden, wie PD-Chef Bersani es getan hat. Im Unterschied zu ihm und anderen Politikern, die sich im Wahlkampf in teilweise halbleeren Theatern verkrochen, ist er bei Wind, Wetter und Kälte mit dem Wohnmobil durch das Land getourt und hat immer auf der „Piazza“, im Freien, auf improvisierten Bühnen gesprochen. Auf seinen Kundgebungen hat er auch gegen die Gewerkschaften gewettert und gefordert: „Weg damit!“ Sie seien so alt wie die Parteien. Betriebe sollen den Arbeitnehmerinnen gehören. Die 163 neu gewählten „Grillini“ (Grillo selbst ist nicht angetreten) sind durchschnittlich 33 Jahre alt, DiplomwissenschaftlerInnen in prekären Arbeitsverhältnissen, Kleinunternehmer, Krankenschwestern, NO-TAV-Aktivisten, Arbeitslose, also ganz „normale“ Bürgerinnen und keine professionellen Politikerinnen. „Wir sind weder links noch rechts“ – „Wir haben keine Ideologien“, behauptet Grillo.

Laut Fausto Bertinotti, ehemaliger Parlamentspräsident und Parteivorsitzender von Rifondazione comunista ist die M5S „eine rabiate Protestformation, die eine völlig neue politische Sprache sowie neue Kommunikationsformen benutzt. … Sie stellt nicht nur der etablierten Politik die Quittung aus, sondern auch der Linken und den Gewerkschaften. Zum ersten Mal in der Nachkriegszeit wird der Massenprotest nicht mehr von der Linken repräsentiert, sondern von einer neuen Bewegung, der Begriffe wie ‚Klassen‘ oder ‚Klassenauseinandersetzungen‘ fremd sind“. Es gibt kein definiertes Programm insbesondere nicht im Finanz- und Wirtschaftsbereich. „Eure Forderungen werden online gestellt“, meint Grillo. Auch die Kandidaten wurden online (auch mit nur ein paar Dutzend Stimmen) gewählt, mit allen Widersprüchen, die so etwas mit sich bringt. Mindestrente, Grundeinkommen von 1000 Euro, eine Mandatszeit von höchstens zwei Legislaturperioden: Viele einzelne Forderungen überschneiden sich mit dem Programm des linken Bündnisses Rivoluzione civile. Grillo hat ein Referendum über den Euro vorgeschlagen, aber das soll wohl ein Witz sein, denn dafür müsste die Verfassung geändert werden. Zum Fiskalpakt hört man von ihm kein Wort. In seinem Blog-Post vom 12. Januar „Das Europa von Goldman-Sachs“ greift er das „parasitäre“ Bankensystem und die Politik der EZB an. Am 2. März erklärt Grillo im Magazin Focus, dass die Schulden neu verhandelt werden sollen, und ruft in einem Interview mit einem griechischen Sender die PIIGS-Länder (Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien) auf, sich solidarisch gegen die Banken zusammenzuschließen.

16 Millionen Stimmen: Eine präzedenzlose Wählerwanderung in Zeiten des Aufruhrs

Von dieser Wahl geht laut und deutlich ein Signal in Richtung Brüssel und Berlin aus. Die italienischen Wählerinnen haben nicht „ohne Verstand“ und nicht „nach Spaß und Laune“ gewählt, wie es die Speerspitze deutscher Arroganz und Besserwisserei, die BILD, behauptet.[5] Sie haben bestimmt nicht „ihre eigene Ehre“ oder gar „die Zukunft eines ganzen Kontinents“ verspielt. Im Gegenteil: Sie haben bewusst ihr „Basta für Weiter so!“ gerufen und an der Urne ihrer Revolte gegen die jetzige EU-Politik Ausdruck verliehen. Damit haben sie kräftig an der undemokratischen und unsozialen Verfasstheit des gegenwärtigen Europas gerüttelt, um seine Zukunft zu retten. Auch die Mediendarstellung der italienischen Politik als ein pro-europäisches/seriöses Lager (Bersani und Monti) einerseits, und ein antieuropäisches/populistisches Lager (Grillo und Berlusconi) andererseits ist angesichts dieser Botschaft irreführend.

Die Wahlbeteiligung ist von 80,5 Prozent auf 75,2 Prozent gesunken, die niedrigste in der Geschichte der italienischen Republik. Von ca. 50 Millionen Wahlberechtigten sind nur etwas über 35 Millionen an die Urnen gegangen. Grillo hat von allen Seiten Stimmen gewonnen: Die meisten der fast 8,7 Millionen 5-Sterne-Wählerinnen waren aber früher Nichtwählerinnen (ca. 3 Millionen d.h. 37 Prozent), Mitte-Links- oder Linkswählerinnen (33 Prozent). Die rechte PdL hat 18 Prozent an die M5S verloren, das gesamte Mitte-Rechts-Bündnis 27,3 Prozent. Laut Roberto Weber, Vorsitzender des SWG-Instituts, seien zwei Haupttendenzen in der 5 Sterne-Wählerschaft festzustellen: Einerseits fordert sie Selbstbestimmung und Demokratie vor Ort; andererseits will sie nicht länger dulden, wie das Parteiensystem und der Staat verwaltet werden.

Besonders schwerwiegend ist die Verschiebung des Kräfteverhältnisses in den „roten“ Regionen Italiens, den traditionellen Hochburgen der KPI, später der Linksdemokraten und letztlich der PD. In den Marken gewann die M5S mit 32,1 Prozent. Die PD, die 2008 41,4 Prozent erhalten hatte, erreichte diesmal nur 27,7 Prozent. Die Region ist wie andere traditionell linke Regionen (Toskana, Emilia-Romagna, wo die PD ebenfalls abgestraft wurde), ein hochindustrialisiertes Gebiet, in dem die Krise heftig zugeschlagen hat, besonders bei den kleinen und mittleren Unternehmen. Da öffentliche Aufträge nicht bezahlt wurden, mussten viele Betriebe bei leeren Kassen ihre Angestellten entlassen und trotzdem Steuern zahlen. Wo die PD traditionell stark war, ist sie zusammengebrochen. Im roten Bologna verlor die Partei auch an Grillo: Die Hälfte seiner Wählerinnen hatten 2008 PD gewählt. 18 Prozent gewann die M5S von der Linken. Im nördlichen Turin, einer industriellen und postindustriellen Stadt mit linker Tradition, wo die 5-Sterne-Bewegung mit 29,1 Prozent den ersten Platz errungen hat, haben ca. 47 Prozent der ehemaligen linken Wählerinnen die M5S unterstützt, bei der IdV waren es 63 Prozent. 20 Prozent der früheren PD-Wählerinnen sind zur 5-Sterne-Bewegung übergelaufen. Die PD hat flächendeckend im Norden wie im Süden um die 33 Prozent der Stimmen verloren. Besonders düster sieht es in den südlichen Regionen Basilicata, Kalabrien und ausgerechnet Apulien aus, das von dem Linken Nichi Vendola (SEL) regiert wird. Auch das Ergebnis von dessen Formation ist ziemlich ernüchternd. Sie erhielt 6,5 Prozent. Bei den Regionalwahlen von 2010 waren es noch 9,7 Prozent. Die PD schrumpfte hier von 31 Prozent auf 18,5 Prozent. Sieger wurde Berlusconis Bündnis. In Siziliens Hauptstadt Palermo ist Grillos Wählerschaft parteiübergreifend: Alle Parteien verloren ziemlich gleichmäßig je 23 bis 30 Prozent ihrer Zustimmung an die M5S.

Laut Valentino Parlato, Mitbegründer der kommunistischen Tageszeitung Il Manifesto gewann Grillo aus zwei Gründen: Erstens, weil er er eine einfache Sprache spreche, sage was Sache ist, was das linke Lager nicht mehr tue. Zweitens, weil er Monti nicht unterstütze, was der Grund sei, warum die PD verloren habe. Er selbst habe SEL gewählt, viele Freunde dagegen die M5S.[6]

Trotz heftiger Verluste siegte das Mitte-Rechts-Bündnis in der Lombardei, paradoxerweise mit Maroni als Spitzenkandidat für die Regierungsführung (42,8 Prozent), dessen populistische Lega Nord sich halbiert hat. Hier hat das Mitte-Links-Bündnis mit Umberto Ambrosoli einen aus linker Sicht nicht allzu überzeugenden Kandidaten aufgestellt. Die Unternehmer, wahrscheinlich besorgt über die Wirtschaftslage angesichts der Exportstärke Deutschlands, haben sich eher für eine „unabhängige Makroregion des Nordens“ entschieden, für die Maroni plädiert hatte. Die PdL von Berlusconi hat trotzdem auch in ganz Italien verloren (insgesamt 46 Prozent der Stimmen). insgesamt gingen 1,6 Millionen Wählerinnen zu Grillo, genauso viele wurden Nichtwählerinnen, 700 000 Stimmen an Monti, genauso viele an andere kleine rechte Parteien, und 300 000 an die PD. Auch die Lega Nord ist eine große Verliererin dieser Wahl. (von 8,3 auf 4 Prozent – von ca. 3 Millionen auf 1,39 Millionen Stimmen). Sie sank besonders drastisch in ihren traditionellen Hochburgen im Norden (Venetien, Lombardei, Piemont), z.B. von 35 Prozent in Venetien bei den Regionalwahlen von 2010 auf jetzt 10-11 Prozent. Hier wanderten 24 Prozent ihrer Wählerinnen in Richtung Grillo ab und 20 Prozent blieben zu Hause. Berlusconi gewann 300 000 Stimmen von der Lega Nord und weitere 200 000 von der Zentrumspartei UDC Casinis, dem das Bündnis mit Monti kein Glück brachte (sein Anteil sank von 2 Millionen auf 610 000 Stimmen). Der Ex-Faschist Fini, der 2010 mit Berlusconi brach, wird nicht mehr im Parlament sitzen. Auch der ehemalige Staatsanwalt Antonio Di Pietro konnte kein Mandat erringen. Die Rivoluzione civile, der seine Partei IdV anschloss, verpasste den Sprung ins Parlament. Außer in der Lombardei wurden die Regionalparlamente auch in Latium (der Region um Rom) und im südlichen Molise neu gewählt. Hier haben die Mitte-Links-Kandidaten gewonnen.

Und die Linke?

In den letzten vier Jahren stellten die SEL, die sich 2009 von Rifondazione abspaltete, und das Linksbündnis (Rifondazione mit weiteren kleinen Formationen) in Italien das parteipolitische linke Lager dar. Beide lagen in den letzen Jahren bei 3-4 Prozent, und konnten daher kein veritables Gegengewicht zur PD darstellen. Eine Zeit lang schien Nichi Vendola der Hoffnungsträger zu sein, insbesondere nach seinem zweiten Erfolg 2010 in Apulien, wo er als Ministerpräsident wiedergewählt wurde. Sein Ziel bestand darin, eine demokratische Urabstimmung des ganzen Mitte-Links-Lagers (PD+Linke) über den Kandidaten für den Regierungschef zustande zu bringen. Sein Name stand für den Wandel. Wenn es 2010-2011 zu einer Urwahl gekommen wäre, hätte er gute Chancen gehabt zu gewinnen, denn seine Popularität war damals sehr groß. Aber die PD wollte zu dieser Zeit keine Urabstimmung, und obwohl ständig von Neuwahlen die Rede war, wurde daraus nichts. Nicht einmal im November 2011, als Staatspräsident Napolitano unbedingt Mario Monti als Premier wollte, statt nach dem aufgezwungenen Rücktritt Berlusconis das Parlament aufzulösen. Vendola gab zu, dass er der Regierung Monti das Vertrauen gegeben hätte, wenn er im Parlament gesessen hätte. Er hätte sie unterstützt, wenn diese eine Vermögenssteuer eingeführt hätte. Vielen Linken war aber von Anfang an klar, dass Monti den Anweisungen der Troika Folge leisten würde. Vendola ging dann in ein Bündnis mit der PD, weil er „auch gewinnen und regieren wollte“. Zum Schluss beteiligte er sich im November 2012 an der Urabstimmung des Mitte-Links-Lagers, wo er nach Bersani und MatteoRenzi, dem Bürgermeister von Florenz und PD-Erneuerer von rechts, an dritter Stelle landete. Voraussetzung für die Urwahlkandidaten war die Unterzeichnung einer Absichtserklärung. Darin verpflichtete sich auch Vendola u.a. zur Einhaltung der europäischen Verträge und dazu, „bei allen wirtschaftlichen und institutionellen Maßnahmen, die in den nächsten Jahren nötig sein werden, um die Währungsunion zu verteidigen, in Richtung einer föderalistischen, politisch-wirtschaftlichen Regierung der Eurozone zu gehen“. Im Fall von Meinungsverschiedenheiten sollte „eine qualifizierte Mehrheit“ entscheiden. Als demokratische Praxis ließ die Kandidatenurwahl viel zu wünschen übrig. Dies sowie Vendolas politische und strategische Positionierung enttäuschten sehr viele SEL-Anhängerinnen, die nicht daran glaubten, dass ein Mitte-Links-Bündnis einen Kurswechsel herbeiführen könnte, weil die PD für den Sparkurs stand.

Andererseits kritisierte Rifondazione comunista das neu verfasste Europa des Spardiktats, während andere Teile des Linksbündnisses erklärten, sich bei der PD-Urwahl beteiligen und eine Mitte-Links-Regierung unterstützen zu wollen. So z. B. der Vorsitzende der Comunisti italiani, Oliviero Diliberto.

Im Herbst 2012 lancierten einige parteilose Intellektuelle und Wissenschaftler einen Appell für den Kurswechsel: Cambiare si può, hieß er, etwa: We can change. Sie plädieren für die Revidierung der europäischen Verträge, insbesondere die Abschaffung des Fiskalpakts und der Sparpolitik, für öffentliche Daseinsvorsorge, Grundeinkommen, für Abrüstung, für öffentliche Investitionen zugunsten der Beschäftigung. Als zu Neuwahlen aufgerufen wurde, versuchten diese Aktivisten Versammlungen und demokratische Teilhabe für eine eigene Listenaufstellung einzuführen. In Italien gibt es kein Parteiengesetz: Das jetzige Wahlrecht ermöglicht Parteigremien eine völlig willkürliche Kandidatenaufstellung. Die Unterstützerinnen des Appells hatten nichts gegen Parteien, aber sie wünschten von deren Seite Zurückhaltung, denn auch im linken Lager ist das Misstrauen gegenüber der etablierten Politik sehr stark, insbesondere nach der Leistung der letzten Jahre (Regierungsbeteiligung 2006-2008, Scheitern der Regenbogen-Linken 2008 und nachfolgende Zersplitterung).

Parallel schlug Luigi de Magistris, der im linken Lager beliebte Bürgermeister von Neapel, Anti-Mafia-Staatsanwalt Antonio Ingroia als Spitzenkandidat einer linken Liste vor. Dieser beteiligte sich an den Treffen der Verbände, organisierte aber seinerseits Anfang Dezember eine Versammlung, zu der er auch die Verbände einlud. Viele hatten keine Einwände gegen ihn als Spitzenkandidat; die Art und Weise aber, wie er offiziell auf einer Pressekonferenz mit Unterstützung des Linksbündnisses und der IdV von Di Pietro mit eigenem Logo (Rivoluzione Civile) kandidierte, verärgerte viele parteilose Aktivisten. Die meisten, die in einer Petition online mitmachten, entschieden sich trotzdem, ihn zu unterstützen. Ingroias Schwerpunkt war eher der Kampf gegen die Mafia und die Korruption, aber dann übernahm er auch die programmatischen Punkte der Unterstützerinnen des Appells für einen Kurswechsel in Europa. Ingroia ist kein fulminanter Redner, außerdem wurde er von den Medien boykottiert und vom Mitte-Links-Bündnis als Konkurrenz verachtet. Dieses versuchte die Wählerinnen zu überzeugen, dass Stimmen für Rivoluzione civile verschenkt seien. Wie schon 2008 bleibt die Linke mit ca. 765 000 Stimmen weit unter der 4-Prozent-Sperrklausel. Die SEL liegt in der Kammer bei 3,2 Prozent (ca. 1 Millionen Stimmen) und im Senat bei 2,97 Prozent. Die Regenbogenlinke (Sinistra Arcobaleno) lag 2008 bei 3 Prozent (ca. 1,25 Millionen Stimmen). Genaue Zahlen gibt es nicht, aber laut Renato Mannheimer soll die PD auch an die SEL verloren haben.

„Der Erfolg der M5S zeigt, dass die Linke in Italien verschwunden ist – nicht die „radikale Linke, die schon 2008 hinweggefegt wurde“. Diesmal wurde an der Stammwählerschaft der früheren KPI, jetzt PD heftig gerüttelt (Allegri/Ceccarelli).

Aus dem politisch-parlamentarischen System ist die Linke endgültig verschwunden. Das spricht für eine Krise des Systems der repräsentativen Demokratie. Die Linke „in der Gesellschaft, in den Bewegungen gibt es schon“, meint Bertinotti. Früher war nur Rifondazione als Partei in der Lage, sich mit den Bewegungen auseinanderzusetzen. Viele Forderungen von beiden sind von den 5-Sterne-Aktivisten auf eine unstrukturierte und nicht ideologische Art übernommen worden: Die M5S hat auch aus diesem Grund gewonnen. Wie sie sich trotz aller Widersprüche weiter entwickeln wird, wird sich mit der Zeit erweisen. Das linke Milieu muss sich jetzt darüber Gedanken machen – und die Debatte hat gerade erst angefangen.

Quellen:

Wählerwanderung:

La Repubblica, Un terzo dalla sinistra, 18 Prozent dal PdL così Grillo ha fatto il pieno di voti, 27. Febbraio 2013-03-01 (Analysen: Swg und Istituo Cattaneo, Bologna)

Corriere della Sera, Si sono spostati 16 milioni di elettori, 27.2.2013 (Analyse von R. Mannheimer)

Corriere della Sera, L’Exploit grillino a Bologna: “rubati” a Bersani il 50 Prozent di consensi, 27.2.2013 (Analyse von Istituto Cattaneo)

Sole24ore, Grillo prende voti da tutti i partiti, 27.2.2013 (Analyse von Roberto D’ALimonte und Lorenzo De Sio)


Hintergrundinformation:

Paola Giaculli, Die Verschärfung der sozialen Lage, 3. September 2012


Fußnoten:

[1] Die aktuelle Sitzverteilung: Abgeordnetenkammer: Mitte-Links-Bündnis: PD 292 SEL 37 Andere 11 = 340, Mitte-Rechts-Bündnis: PdL 97 Lega Nord 18 Andere 9 = 124, M5S: 108, Monti Andere 45; Senat: Mitte-Links-Bündnis: PD 105 SEL 7 Andere 1 = 113, Mitte-Rechts-Bündnis: PdL 98 Lega Nord 17 Andere 1 = 116, M5S: 54, Monti: 18.

[2] Berlusconis Anteil in der Kammer sank von 47 Prozent (ca. 17 Millionen Stimmen) auf 29,17 Prozent (ca. 9,9 Millionen Stimmen).

[3] Vgl. Wall Street Journal vom 9.12.2012, Financial Times vom 26.12.2012.

[4] Basta così, in Le Monde, 27.2.2013.

[5] Vgl. Schlechte Wahl, Italien! in BILD vom 27.2.2013.

[6] Vgl. Interview in La Stampa, 26.2.2013.


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Ob PASOK in Griechenland oder die Parti Socialiste in Frankreich, in vielen Ländern sind die Sozialdemokraten zu Kleinstparteien geworden. Auch hierzulande geht’s der SPD alles andere als gut. Was bedeutet die Schwäche der SPD für die Linke? Was für eine sozialistische Europapolitik? Eine Ausgabe über Glanz und Elend der realexistierenden Sozialdemokratie.

Versteckte Gemeinsamkeit

Sie hassen und sie brauchen sich. Die völkische Rechte nutzt islamistischen Terror und neo-salafistische Ideologie zur Selbstermächtigung und zur geistigen Aufrüstung beim Kampf um die Straße. Unsere Autor*innen gehen der Frage nach, woher sich diese „autoritären Revolten” speisen, wie ihnen zu begegnen ist und welche Rolle eine emanzipatorische Linke dabei spielen sollte.

Bevor die nächste Blase platzt

In EU und Euroraum erleben wir wie der neoliberale, finanzgetriebene Kapitalismus einfach so weitermacht wie bisher. Was eine linke Antwort ist, kann als umstritten gelten: Rückzug in den nationalstaatlich organisierten Kapitalismus oder eine solidarische und demokratisierte Wirtschaftsordnung in Europa?

Wer ist das Volk?

Populismus als Kommunikationsform und Strategie

Wer ist das Volk in „Wir sind das Volk“? — Wir haben uns in Europa und den Amerikas auf die Suche nach dem Volk der rechten Wutbürger und dem Volk des Linkspopulismus begeben. Gefunden haben unsere AutorInnen populistische Elemente in der repräsentativen Demokratie und einen radikaldemokratische Impetus des Linkspopulismus. In den Beiträgen werden Fragen nach der (Un)Möglichkeit des Pluralismus innerhalb linkspopulistischer Strategien und nach der Realpolitik des Populismus an der Macht gestellt.

Angst essen Seele auf

Terror, Gewalt, Kriminalität — SicherheitspolitikerInnen behaupten darauf eine Antwort zu haben. Aber was war eigentlich noch mal die Frage? Unsere AutorInnen haben versucht herauszufinden, was das eigentlich ist: Sicherheit. Sie haben sich an Antworten darauf versucht, ob es eine linke und emanzipatorische Sicherheitspolitik geben kann und worin diese eigentlich bestehen sollte.

This is a movement

Die Neuaushandlung von Bewegungsfreiheit und Grenzregimen

Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen. … oder höchstens eine ganz kleine vielleicht oder einen Zaun aus Natodraht. Die selektive Abschottung des „Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ nach außen ist in seiner bisherigen Form gescheitert. Unsere AutorInnen intervenieren in diese Neuaushandlung zentraler Fragen von Nationalstaatlichkeit, globalen Rechten und Demokratie ...

Krieg und Frieden

Weltinnenpolitik und die Zukunft ziviler Konfliktbearbeitung

Putinversteherin und Faschistenfreund – in Diskussionen über den Umgang mit bewaffneten Konflikten, wird schnell auch rhetorisch scharf geschossen. In seiner neuen Ausgabe fragt prager frühling wie eigentlich linke Weltinnenpolitik geht und wie eine Neuerfindung des politischen Pazifismus ins Werk zu setzen wäre.

So nicht!

Demokratie als Praxis

Griechenland hat die Austeritätspolitik abgewählt - durchgesetzt hat dies eine linke soziale Bewegung auf den Straßen und Plätzen. Ohne die enge Verzahnung mit Syriza als parlamentarischer Verlängerung wäre dies nicht möglich gewesen. In Dresden hingegen marschiert mit Pegida eine neue APO von rechts und mit der AfD rückt eine neue Rechtspartei in die Parlamente ein. Genügend Gründe also sich mit den Formatierungen parlamentarischer Demokratie zu beschäftigen. Spielräume für emanzipatorische Kämpfe zu ergründen und Beschränkungen einer Politik im Zählverein zu analysieren.

No Future?!

Not this Future!

Elendig lange scheint es her, dass Francis Fukuyama en passant mit dem Ende der Geschichte auch das Ende des Zukunftsdenkens ausgerufen hat. Elendig ist das gegenwärtige Zukunftsdenken auch nach dem Ende dieses „Endes der Geschichte“. In Politik, Wissenschaft und Literatur ist der Bedeutungshorizont von Zukunft auf die Begrifflichkeiten der Versicherungsmathematik zusammengeschrumpft. Der Versuch einer Rettung

Common Sense?!

Von Sinn und Eigensinn der Commons

Emanzipatorische Alternative jenseits von Markt und Staat oder nur Lückenbüßer für vormals staatlich organisierte Aufgaben? Unsere Autor*innen haben sich auf die Suche nach heutigen Commons gemacht. Im ersten Teil der Ausgabe haben sie die Kontaktzonen zum Markt, Staat und Care-Ökonomien besichtigt und theoretisch vermessen. Im zweiten Teil der Ausgabe haben sie Gemeinschaftsgärten durchstreift sowie an „Energietischen“ gesessen, um Kämpfe um Commons zu dokumentieren.

Feiern, wie sie fallen?!?

Über das Verhältnis von Opponieren, Regieren und Protestieren

Die heilige Dreifaltigkeit der Linken ist die Trinität aus Protestieren, Opponieren, Mitregieren. Bei der Frage, in welcher Beziehung die drei stehen, gerät die Gemeinde oft ins Stammeln und die politischen Theologen antworten mit dürren Dogmen. Unsere AutorInnen haben zunächst gefragt, wo er ist, der ominöse Ort der Macht und sind ihm dann mit steilen Thesen auf den Leib gerückt.

Wo Strom ist, ist Widerstand

Digitaler Protest und elektronische Demokratie

Unsere AutorInnen fragen sich, ob die Schwarmintelligenz den Cybersexismus überwinden kann und wo genau die Grenzen des digitalen Medienbaukastens verlaufen. Kai van Eikels analysiert die Ideologie des „Nerds“ und Mathias Schindler erklärt, wie es mit Wikipedia weitergeht. In den Feminismen gibt Dr. Lady Bitch Ray dem Feminismus der ersten Welle einen fetten Zungenkuss, während Stefan Gerbing in der ersten Hurenzeitung der Weimarer Republik geblättert hat.

Burn-out den Verhältnissen

… oder die Revolution kommt immer zu spät

Nein, ihr habt’s wieder falsch verstanden! Entschleunigung heißt nicht Breitbandrossel, liebe Telekom. Und Du, Frankfurter Polizei: Die Entdeckung der Langsamkeit meint nicht, zehn Stunden Zwangsentschleunigung im Kessel. In der Stress-Ausgabe prager frühling geht’s, darum wie man es richtig macht.

Essen und gegessen werden

Erst so ein Fressen und dann auch noch Moral!

Der Realsozialismus ist auch auf der Speisekarte gescheitert: Als Diktatur des schlechten Geschmacks. Die Verhältnisse an kapitalistischen Tafel sind nicht weniger ungenießbar. Tausch von ökonomischem und sozialem Kapital geht vor. Wenn Renate Künast eine Flasche fairen Bio-Orangensaft kauft, geht locker das Tagesbudget eines Hartz-IV beziehenden Kindes über die Theke ...

Battlen statt Betteln.

prager frühling entwickelt die neue soziale Idee!

Die neue Ausgabe des prager frühling erscheint am 26.10.2012 und kann hier bestellt werden.Im Schwerpunkt geht es diesmal um die „Neue soziale Idee“ und damit die Frage nach emanzipatorischen Potentialen, aber auch den Grenzen einer linken Sozialpolitik.

Autoritäres Krisenregime

Deutsche Euros rollen wieder …

Und in Berlin singen die Ultras von der FDP gemeinsam mit den Polithools vom rechten Rand: „Protektorat statt Europarat!“ Wird in Griechenland bald mehr als nur Deutsch gesprochen? Unsere AutorInnen stellen sich dem Einmarsch entgegen. Lucas Oberndorfer analysiert den autoritären Wettbewerbsetatismus als Krisenbearbeitungsstrategie ...

Sex! Sex! Sex!

Über die schönsten Nebenwidersprüche der Welt

Von wegen „schönste Nebensache“ der Welt. Sex ist diesmal der Schwerpunkt unseres Heftes. Während uns die Starsoziologin Eva Illouz über den Zusammenhang von Kapitalismus und Partnerwahl aufklärt, analysiert Kathy Meßmer Intimchirurgie als widersprüchliche Praxis. Außerdem im Schwerpunkt: ...

Affentanz um Nahost

Nichts sehen, nichts hören, laut brüllen — geht die Linke über den Jordan?

Ach diese Linken! Sie wissen genau, wie es Frieden zwischen Ramallah und Tel Aviv geben kann und sie brüllen es heraus – in Düsseldorf und Frankfurt. Während die Einen schreien: „Straßenschlacht in Ramallah, die Panzer sind die Antifa“, brüllen die Anderen: „Intifada bis zum Sieg ...

Reinheitsverbot

Parallel sind immer die Anderen!

prager frühling stößt an: ein Prosit den Parallelgesellschaften! Schon klar, Integration fordert immer die Anderen. Deshalben sagen wir: "Erst wenn Efes sich ins deutsche Biersortiment eingegliedert hat und ein Hefeweizen anbietet, werdet ihr merken, dass man so etwas nicht trinken kann." Wie aber geht sozialistischer Antirassismus? Etienne Balibar, Nichi Vendola und viele andere versuchen sich in Antworten ...

Im Zweifel Dagegen!

Schwerpunktheft Dissidenz und ziviler Ungehorsam

Dissidenz und ziviler Ungehorsam sind die Hefe linker Politik. Kann Sie auch Schmiermittel des Kapitalismus sein? Wo schlägt Subversion in unpolitischen Abweichungsfetisch um? Unsere Autor_innen schauen nach, diskutieren und polemisieren.

com.munismus. komm!

Auf dem Weg zum Wissenskommunismus

Ist geistiges Eigentum Diebstahl? Stellen Raubkopien das Ergebnis von Aneignung oder eine besonders perfide Ausbeutung des Kreativproletariats dar? Darüber diskutieren in unserem Heft u.a. Michael Hardt, Cornelia Koppetsch, Sabine Nuss und Stefan Meretz. Digital Natives diskutieren die Implikationen der Digitalisierung von Demokratie ...

Crossover

Gegenmacht oder gegen Macht?

„Crossover“ ist der Versuch, eine Diskussion über politische Kooperation von sozialistischen, grünen und sozialdemokratischen Positionen in Gang zu setzen, deren Ergebnis hegemoniefähige progressive Reformprojekte werden sollen. So nahe liegend dies angesichts des Niedergangs der neoliberalen Ära ist, so blockiert ist diese Perspektive dennoch ...

Klimawandel und Gesellschaftsveränderung

System change not climate change!

Den politischen Gemütszustand unserer Welt beschreibt nichts besser als der alte Kalauer: „Öko? Logisch.“ Niemand schmunzelt mehr drüber, aber alle nehmen den Schenkelklopfer für sich in Anspruch. Dass alles irgendwie auch „öko“ sein müsse, also die Sache mit der Umwelt halt ein Problem sei, ist – logisch – Allgemeinplatz geworden ...

Die Linke und die Nation.

Hattu Nation, muttu entgrenzen

Die Linke und die Nation ist der Schwerpunkt der fünften Ausgabe des prager frühlings. Außerdem beschäftigen wir uns unter dem Motto "balkan beats" mit der Linken in Post-Jugoslawien. Mit dabei sind Thomas Seibert, Julia Bonk, Klaus Höpcke, Michel Albert, Christin Löchner, Lothar Bisky, Ringo Bischoff, Katja Kipping, Andreas Fischer-Lescano und die Band Ego-Tronic ...

Her mit dem schönen Leben!

Infrastruktursozialismus statt Hartz IV

Original sanktionsfrei: Weg mit Hartz IV! Her mit dem schönen Leben! Neben vielen investigativen und weniger investigativen Beiträgen zum Hartz IV-Regime, wollen wir Euch in dieser Ausgabe auch unseren Vorschlag vorstellen, dem Hartz IV-Regime die Forderung nach einem Infrastruktursozialismus entgegen zu setzen ...

Democracy against the machine

Radikaldemokratie statt FdGO

Februar 2009 erschien die dritte Ausgabe des prager frühling. Das Schwerpunktthema ist "Demokratie und Herrschaft" mit Beiträgen und Artikeln von Chantal Mouffe (University of Westminster, London), Jürgen Peters (IG Metall), Colin Crouch, Franziska Drohsel (Juso-Vorsitzende), die Gruppe Soziale Kämpfe, Sonja Buckel (Universität Frankfurt) und viele andere mehr ...

Auf der Suche nach der Ästhetik des Widerstandes

Alles Politur? Zum Verhältnis von Politik und Kultur

Mitte Oktober 2008 kam die zweite Ausgabe von prager frühling, dem neuem Magazin für Freiheit und Sozialismus. Das nächste Heft widmet sich schwerpunktmäßig dem Verhältnis von Politik und Kultur. Ziel der Redaktion ist es, politisches Engagement und Kultur einander näher zu bringen. Dabei geht es nicht um eine Kolonisierung des einen Bereichs durch den anderen ...

Neue Linke: Alles beim Alten?

NeuBegründung als Bruch nach vorn

Der Schwerpunkt der ersten Ausgabe des Magazins prager frühling heißt "Refound: NeuBegründung". Unsere Autorinnen erklären was der "Bruch nach vorn" ist. Mit dabei Frigga Haug, Thomas Seibert, Hans Jürgen Urban, Daniela Dahn und Michel Friedmann.

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