Digital ist besser für‘s Parteileben?

prager frühling checkt die parteipolitischen Möglichkeiten des Internets

Livestreams – Parteitagsfernsehen für alle

Downstream funktioniert, aber der Upstream stockt.

Während früher die Mitglieder darauf angewiesen war, nach einem Parteitag das Protokoll zu studieren und den Berichten der entsandten Delegierte zu vertrauen, können heute alle zumindest passiv an Parteitagen teilnehmen. Wenn es die Internetverbindungen am Veranstaltungsort und am heimischen Rechner hergeben, kann man selbst bei jenen Parteien Mäuschen spielen, für die das Internet Neuland ist. Und nicht nur das. Die SPD hat vor der Bundestagswahl 2013 gar 72 Stunden lang ununterbrochen live über ihre Aktivitäten berichtet.

Funktioniert’s?Wie haben wir in der Vergangenheit geflucht, wenn wir auf Phoenix angewiesen waren, um Parteitage in Abwesenheit verfolgen zu können – und zum unpassendsten Momentdie Sendung für die Nachrichten unterbrochen wurde. Da mittlerweile Bild und Ton deutlich besser sind, mag man sich die Parteiveranstaltungen auch gerne mal über einige Stunden gestreamtansehen. Natürlich ist es wie bei der Lieblingsband: Live ist sie einfach am besten. Doch um die zentralen Reden mitzubekommen und bei Abstimmungen live mitfiebern zu können, reicht so ein Stream allemal.

Twitter - große Töne aus dem Käfig

Wer twittert, zwitschert. Und im Gegensatz zu einem engagierten Wellensittich, der manchmal kein Ende finden mag, ist beim Twittern die Erzählung beschränkt: Nach 140 Zeichen bleibt das Vögelchen stumm. Deshalb finden bei Twitter keine ausufernden politischen Debatten statt. Für die vertiefende Lektüre wird meist auf eine andere Webseiten verwiesen. Trotzdem ist Twitter öffentlicher Dialog par excellence und geschlossene Accounts die Ausnahme. Professionelle MediennutzerInnen bilden eine große Gruppe bei Twitter, aber gerade das macht den Dients reizvoll. Der Internet-Aufruf #Aufschrei hat so zu Beginn diesen Jahres eine breite Debatte um Sexismus initiiert.

Twitter mal, du Vogel!

Funktioniert’s? Komplexe Argumente lassen sich über Twitter nicht verbreiten. Twitter zwingt zur Parole. Das ist für Parteien gut und schlecht. Die Follower wissen schnell, was Sache ist. Twitter zwingt aber mitunter zu Komplexitätsreduktion, wo Raum für Abwägung und Erläuterungen gefragt ist.

Digitale Aktivierung der Mitglieder

Die eigene Anhänger_innenschaft aktivieren, wenn es darauf ankommt. Sei es im Wahlkampf, sei es für eine zentrale Demonstration, zu der die Partei mobilisiert. Dank des Internets können die eigenen Leute auch kurzfristig und über große Distanzen zum Mitmachen aufgefordert werden. Dabei werden Aufrufe über die sozialen Netzwerke verbreitet, die Homepage entsprechend gestaltet und Massenmails versandt. Ziel ist es, dass über die digitalen Kanäle mobilisiert möglichst viele Mitglieder im real life für die Partei einstehen.

Funktioniert’s? Während sich früher die Infos etwas beschwerlich ihren Weg bahnten, muss man sich heute mitunter Strategien zurechtlegen, um mit den Fluten an Aufrufen klarzukommen. Dies führt aber dazu, dass nicht jeder Newsletter aufmerksam studiert wird und nicht alle Wahlkampfideen bei den trägeren Teilen der Mitgliedschaft ankommen. Erfolgsversprechender ist immer noch die persönliche Ansprache.

Liquid Democracy - immer schön flüssig

Als die Piraten in einen Landtag nach dem anderen einzogen, wurde eine Frage auch bei den etablierten Parteien auf den Plan gerufen: Kann es sein, dass das Internet die Tür zu innerparteilichen Entscheidungsfindungsprozesse aufstößt, die wir uns bisher nicht vorgestellt haben? Wenn es nämlich quasi keine Mühe macht, alle Parteimitglieder nach ihrer Meinung zu fragen, warum sollen dann nicht auch alle mitentscheiden dürfen? Das Konzept sieht vor, dass Stimmen auch einer anderen Person übertragen werden können. So ist man nicht gezwungen, zu jeder Frage immer eine eigene Position haben zu müssen. Liquid Democracy bedeutet also sowohl direkte als auch repräsentative (innerparteiliche) Demokratie.

Bei wieviel flüssigem Feedback dieses Boot kentert?

Funktioniert’s? Um’s mit Tocotronic zu sagen: Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit. Denn es braucht mehr Mitgliederentscheide und weniger inszenierte Parteitage. Innerparteiliche Entscheidungsfindung darf sich nicht alleine auf Abstimmungen reduzieren. Im Gegenteil: Wir wollen mehr Debatten – gerne digital, aber nicht nur!

Digitale Strömungskämpfe

Das Internet bietet Parteien innerhalb von Parteien gute Möglichkeiten, eine Öffentlichkeit zu schaffen und die eigenen Positionen zu verbreiten. Schnell eine eigene Seite geschaltet oder eine facebook-Gruppe gegründet und los geht’s. Veranstaltungen werden angekündigt, um Stimmen zu Anträgen wird geworben oder die letzte Wahl ausgewertet.

Funktioniert’s? Es ist super, dass es heute allen mit ein wenig technischem Verständnis möglich ist, sich digital zu präsentieren. Das belebt die Parteien und macht Konflikte transparenter. Allerdings nur in der eigenen Filterblase, was insbesondere durch die Privacy von geschlossenen Facebookfreundeskreisen befördert wird. Da holt man sich bei den eigenen Leuten die Munition und verklärte die innerparteiliche Gegnerin bis zur Unkenntlichkeit zur Pappkameradin. Oder der politische Konflikt entgleitet ins Persönliche. Deshalb ist es umso wichtiger, nicht alleine im Netz zentrale Entscheidungen der Partei vorzubereiten, sondern auch mal das persönliche Gespräch zu suchen. Oder anders: Poste nichts, was du der ParteifreundIn nicht auch ins Gesicht sagen würdest.

EtherPad – Gemeinsame Textproduktion

Ob Flugblatt oder Änderungsantrag zum Leitantrag: Es ist immer eine Herausforderung, mit mehreren Personen einen gemeinsamen Text zu schreiben. Man muss sich über die Inhalt einigen und – was meistens nicht minder schwierig ist – eine gemeinsame Sprache finden. Oft ist es einfacher, wenn eine Person einen Aufschlag macht und die anderen nach und nach ihre Punkte und Änderungen einpflegen. Damit alle an dem gleichen Dokument arbeiten und nicht verschiedene Versionen kursieren, ist die Nutzung eines EtherPads hilfreich. Hier können alle am Text arbeiten und wer was geschrieben hat, bleibt dabei auch transparent.

Funktioniert’s? Wenn alle mitmachen, klappt’s ganz gut. Wenn sich der Prozess über einen längeren Zeitraum streckt, kann man aber schon mal den Überblick verlieren. Deshalb ist es schon ganz gut, wenn eine Person moderierend den Hut aufhat. Dennoch ist eine gemeinsame Textproduktion, ganz gleich ob sich die Autor_innen in einer Stadt befinden oder auf verschiedenen Kontinenten leben, deutlich leichter geworden.