Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

wie wir es als Redaktion mit dem Prokrastinieren halten? Nun ja, letztendlich habt ihr die neue Ausgabe unseres Magazins noch pünktlich in den Händen. Und diesem Editorial sieht man zudem nicht an, dass es in einem ähnlich prokrastinativen Prozess entstanden ist wie wohl die Mehrzahl der Beiträge dieser Ausgabe. Immerhin knapp 20 Stunden noch trennen die Erstellung des Editorials vom redaktionellen „Deckeldrauf“. Vielleicht also wäre am Selbsttest des Erstellens zugleich das Thema unserer Ausgabe gut erfahrbar gewesen: Stress.

Stress betrifft uns alle, auch uns als Redaktion. Ständige Erreichbarkeit und Zeiteffizienz, Selbst- und Krisenmanagement, soziale Erschöpfung einerseits, zugleich kreative Fitness und initiative Authentizität. Das ist offenbar die Dialektik unseres Anliegens zu diskutieren, wie dem Kapitalismus Stress zu machen ist. Wir schreiben also diese Ausgabe durchaus auch in eigener Sache. Und zwar theoretisch angenähert über Marx´ Ökonomie der Zeit durch Frigga Haug, folgend fragend diagnostiziert als Modekrankheit namens Burnout durch Claus Leggewie, Schulstress und Karoshi im Arbeitsalltag oder auch dem Stress des Alltags ohne Arbeit – es ist so krank: Offenbar schaffen es die Verhältnisse sogar jenen Stress zu machen, die nun wirklich keinen haben dürften. Ganz praxiseffizient lauten unsere Politiktherapievorschläge: Anti-Stressverordnung, Zeit- und Tempolimits und tage- und jahrelanges Feiern (selbstverständlich auch konfessionslos). Nicht zuletzt schwören Teile der Redaktion auf Yoga. Das reicht uns natürlich nicht.

Dass „Arbeitszeit runter“ im gewerkschaftlichen Kampf qualitativ mehr Punkte wert ist als die „Löhne rauf“, deshalb also hier ein strategischer Hebel liege, stellen wir der gesellschaftlichen Linken zur Diskussion. Ihr seid einverstanden oder widersprecht dem? Schreibt uns! Aber nicht vom Smartphone zwischen zwei Meetings, und nicht nach 18 Uhr, denn dann fahren unsere Server runter. Wir sind gespannt.

Eure Redaktion