It was so good - I almost came.

„Girls“ und die neue Ernsthaftigkeit

Mariana Schütt

Während ich diesen Artikel schreibe, höre ich Mumford and Sons. Ich will mich so langsam in Stimmung bringen für das Genre der New Sincerity, zu dem auch die Fernsehserie „Girls“ gehören soll. Dieser HBO-Serie von Lena Dunham, die vier weiße heterosexuelle Mittzwanzigerinnen aus der Mittelklasse portraitiert und daher immer wieder mit „Sex and the City“ verglichen wird. Deswegen gleich am Anfang: Nein, ich habe „Sex and the City“ nicht gesehen, will und kann also nichts darüber schreiben. Ganz oberflächlich kann ich nur sagen, dass es in „Girls“ sicher nicht um Manolo Blahniks gehen wird und ich hoffe, dass das auch so bleibt. Was hat es also nun mit dieser neuen Ernsthaftigkeit auf sich? Die neue Ernsthaftigkeit kann verzweifeln, sie kann scheitern. Die neue Ernsthaftigkeit glaubt an das Große, das Absolute. Die Protagonistin von „Girls“, Hannah Horvath, geht die Dinge nicht locker an, nicht ihr Schreiben, nicht ihre Existenz. Auch ihre Klamotten trägt sie mit einem bitteren Ernst, der sie von der gängigen Hipster-Attitüde unterscheidet. Es ist nichts Ironisches an ihrem Stil. Was eine Figur wie Hannah zudem von gängigen Seriencharakteren unterscheidet, ist – wie selbstverständlich – ihr Aussehen. In der „Süddeutschen“ werden ihre Hüften als füllig beschrieben, in der taz gar ihre „Titten“ als unförmig bezeichnet, was eine patriarchale Frechheit ist. Fast automatisch denke ich an Laurie Pennys „Fleischmarkt“ und wie sie einst in einem Interview beschrieb, dass der größte Skandal, den Lady Gaga je veursacht hat, der war, zwanzig Pfund zuzunehmen. Lena Dunham wurde dafür kritisiert, sich als Hannah zu oft nackt zu zeigen. Was soll das? Ich mag es, eine Frau nackt zu sehen, die sich in ihrer Haut sichtlich wohl fühlt. Eine Frau, die furchtlos erscheint. Eine Frau, die nicht weichgezeichnet wird. Hannah Horvath bietet einen Gegenentwurf zur Figur der Heidi Klum, die „ihre Mädchen“ öffentlich mit dem Maßband ausmessen lässt. Hannah behält die Macht über ihr eigenes Fleisch und lässt es sich nicht nehmen. Verweigerung ist das Stichwort: Sie verweigert sich der Shapewear, dem endlosen Kaschieren, der täglichen Unterwerfung des „weiblichen Körpers“. Darüber hinaus bleibt meine Beziehung zu Hannah – wie übrigens zu allen anderen auch – tief gespalten. Hannah, die Hyperindividualistin, die sich ihrer Privilegien oft nicht bewusst erscheint. Hannah, die Autorin, die ihre Umwelt als Material für ihre Essays begreift. Als sie zu einer Lesung eingeladen wird, beneidet Hannah die ihr verhasste Jungautorin dafür, dass deren Freund Suizid beging und sie nun daraus eine gute Story machen konnte. Die Anderen werden zu Statist_innen in Hannahs Welt; und während diese Anderen auf ihren Plätzen bleiben müssen – die Mitarbeiter_innen bei den Jobs, die Hannah schnell wieder kündigt, der ehemalige Drogenabhängige, von dem sie sich Koks besorgt – kann Hannah weiterziehen. Und erinnert das nicht an die ganze Armada von jungen Wissenschaftler_innen, Autor_innen, Regisseur_innen und Künstler_innen, die ausziehen, um das „Elend“ dieser Welt zu portraitieren, aber nie irgendwo bleiben müssen, immer gehen können, wenn es ihnen danach verlangt. Hannah nimmt alles mit. Doch auch hier werden wir sehen, dass Lena Dunham nicht um einen Twist verlegen ist. Sie wird ihre Protagonistin am Ende der zweiten Staffel durch eine Einsamkeit schicken, die sich nicht einfach abstoßen lässt, die sich tief ins Gewebe eingräbt. Eine Einsamkeit, die bleibt.

Mariana Schütt lebt und promoviert in Berlin. In ihrer Freizeit studiert sie intensiv Serien und andere popkulturelle Phänomene.