Wer gehört an den Herd?

Kochen vor Wut und fürs Prestige

Tobias Schulze

Tobias Schulze

Die Bezeichnung „Herdprämie“ für die KiTa-Ausbauersatzzahlung tut dem Herd als Werkzeug und den Menschen, die damit arbeiten, unrecht. Die Zahlung ist dazu gedacht, Frauen die Nichtbeteiligung am Erwerbsleben schmackhafter zu machen und das „Ernährermodell“ abzusichern.

Kann man den Herd wirklich für eine miese Gleichstellungspolitik in Haftung nehmen? Wer steht denn am Herd? Zumindest in den heiligen Hallen der Gastronomie keine Frauen. Von 255 Sternerestaurants in Deutschland werden ganze fünf weiblich geführt. Die Quote ist noch deutlich schlechter als in Vorständen und Aufsichtsräten der DAX-Konzerne. Professionelles Kochen scheint ein äußerst rückständiges Gewerbe zu sein. Es ist wohl wie überall: Da wo Prestige, Status und Geld locken, wo Kochen eine angesehene Tätigkeit ist, da herrscht ein männlich dominierter Konkurrenzkampf. Aber selbst beim Einstieg in den Beruf liegen die Männer vorn: Bei ihnen steht der Ausbildungsberuf Koch auf Platz 7 der Liste, bei den Frauen auf Platz 17. Die Hierarchie in professionellen Küchen ist unerbittlich. Die Zugänge nach oben sind wenig transparent und von persönlichen Beziehungen abhängig, die Arbeitsbedingungen katastrophal. Und so kommt es, dass sich der Frauenanteil vom Eintritt in den Beruf auf dem Weg zur Spitzenküche auf diese unglaublichen zwei Prozent reduziert. Frauen werden vom Herd vertrieben. Zumindest für Köchinnen bekommt das Wort Herdprämie so eine neue Bedeutung.

Während das öffentliche Kochen also männliche Kampfzone ist, dominieren bei der privaten Nahrungszubereitung die Frauen. Laut Statistischem Bundesamt wenden Frauen im Durchschnitt täglich eine Stunde und 26 Minuten für Einkaufen und Nahrungszubereitung auf, Männer nur 24 Minuten. Dabei sind Frauen durchschnittlich morgens und mittags genauso viel mit der Zubereitung beschäftigt wie abends. Das heißt, sie sind in der Regel während der Mahlzeiten zu Hause. Aber diese Zahlen sind von 2001. Gibt es seitdem nicht einen Trend zu mehr Männern auch am heimischen Herd? Ja, aber auch in diesem jungen Trend zeigen sich die symbolischen Unterschiede der überlieferten Geschlechtermodelle. Wenn Männer mehr kochen, dann eher aufwändig und ungesund, zu Festen oder anderen sozial höher gewichteten Gelegenheiten. Wenn Kinder in die Familie kommen, dann sind es hingegen vor allem die Frauen, die die (gesündere) Nahrungszubereitung im Alltag absichern, so eine österreichische Studie zum „Gender Cooking“. Frauen übernehmen offenbar die Verantwortung für die Versorgung der Familie, Männer gönnen sich mit dem Kochen ein Hobby.

Die alte, in linken Debatten gern benutzte Redewendung, man(n) müsse eine Familie ernähren , lässt diese vorwiegend weiblich wahrgenommene Verantwortung einfach verschwinden. Denn Frauen ernähren in der Regel die Familie. Nicht nur im Alleinverdienermodell, sondern genauso bei zunehmender weiblicher Erwerbstätigkeit. Das Versagen der öffentlichen Hand bei der Betreuung und Versorgung von Kindern (vor allem in Westdeutschland) ist einer der Gründe für die hohe Quote an weiblicher Teilzeitbeschäftigung mit zumeist geringer Wochenstundenzahl. Viele Mütter sehen sich auf Grund der Abwesenheit der Männer und der Nichtverantwortung des Staates gezwungen, ihren Halbtagsjob zwischen die Mahlzeiten der Familie zu quetschen. Dies gelingt nur unter Aufgabe von beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten und unter erheblichem Stress. In der selben Zeit knüpfen viele Männer die wichtigen Berufskontakte in Kantine, Mensa oder Restaurant. Sie arbeiten sich in die besser bezahlten Jobs und sehen ihre Aufgabe im Geldverdienen. Und zum Schluss meinen sie, das sei ihr Beitrag, die Familie zu ernähren. Zu diesem Konflikt passt, dass 90 Prozent der Frauen in einer repräsentativen emnid-Umfrage 2009 angaben, sie erwarteten von einem männlichen Partner die Fähigkeit des Kochens. Umgekehrt gaben dies aber nur knapp drei Viertel der Männer von einer möglichen Partnerin an. „Alleinernährer“ essen mittags auswärts.

Ein Vorschlag: Familien ernähren in Zukunft alle. Männer gehören auch an den Herd, zum Einkaufen und an den Tisch – auch von Montag bis Freitag. Kinder brauchen jeden Tag gutes Essen wo sie eben sind, in der Kita oder Schule. Dafür hat eine gute Politik zu sorgen. Und wenn wir in Zukunft davon reden, jemand müsse die Familie ernähren, dann meinen wir das auch so.

Tobias Schulze ist Mitglied der Redaktion des prager frühling. Gemeinsam mit Frau und Kita-Träger ernährt er eine Familie.