Harte Dame, süße Männer

Dilma Rousseff: Brasiliens Eiserne

João Paulo Bachur und Guilherme Leite Gonçalves

Dilma Rousseff wird oft als brasilianische eiserne Lady bezeichnet: Nach der Meinung einiger sei sie viel zu uncharismatisch und ein harter Bursche. Worauf sie üblicherweise erwidert: „Als ob wir zwischen zärtlichen, empfindlichen, süßen Männern lebten ...“ Dilma (ja, die Brasilianer nennen sie einfach Dilma statt Frau Rousseff) ist keine künstliche Erfindung von Lula für die Wahlkämpfe, sie hat sich im politischen Kampf selbst herausgebildet, und zwar unter den schwierigsten Umständen.

Nach dem Militärputsch 1964 hat Dilma eine führende Rolle im Widerstand gegen die Diktatur gespielt. Sie hat an bewaffneten Guerilla-Aktionen teilgenommen, die die hinhaltende, auf eine bürokratische Lösung wartende Brasilianische Kommunistische Partei abgelehnt hat. Sie war in der strategischen und konzeptionellen Direktion der Organisation tätig, wurde 1970 festgenommen und für mehrere Wochen grausam gefoltert.

Nach der politischen Krise in der ersten Amtszeit Lulas hat Dilma das Amt der Kabinettschefin übernommen. Außerdem wurde sie Energieministerin. Sie nahm eine Umstrukturierung der Energieversorgung in Angriff und reduzierte damit das Risiko von Elektrizitätsunterbrechungen. Das hat ihr den Ruf einer kompetenten Managerin eingebracht. In der zweiten Amtszeit hatte die Regierung Lula eine neue Dynamik gewonnen, indem sie zentralisierte Planung, strategische Investitionen, soziale Leistungen und staatliche Betriebe ausgebaut hat. Am Ende der zweiten Amtszeit betrug die Zustimmungsquote Lulas mehr als 80 Prozent; im Oktober 2010 wurde Dilma mit 56 Prozent der Stimmen die erste Präsidentin Brasiliens. Ohne Lula wäre Dilma heute höchstwahrscheinlich nicht Präsidentin; aber hätte Lula ohne sie solch einen Erfolg gehabt?

Dilma enttäuscht einige Erwartungen der großen Kommunikationsmedien. Sie ist weder eine Marionette noch die inoffizielle Fortsetzung der Amtszeit Lulas. Sie setzt die Staatsintervention fort. Darüber hinaus wurde die Stromindustrie vor kurzem dazu verpflichtet, die Kosten für die Energieversorgung zu senken. Dilma hat eine Wahrheitskommission eingerichtet, die die Verbrechen des Staats während der Diktatur untersucht. Ihre Erfahrung mit der politischen Krise der ersten Amtszeit Lulas äußert sich in einem unversöhnlichen Umgang mit der Korruption: Alle Beamten und Minister, die unter Korruptionsanklage gestellt worden sind, hat sie sofort entlassen.

Während Lula der erste Präsident war, der die Tradition unterbrochen hat, Politiker ausschließlich aus der politisch-juristischen Elite anzuwerben, ist Dilma die erste Präsidentin Brasiliens. Das herkömmliche männliche Gesicht der Politik hat sich verändert. Zentrale Posten (z.B. das Kabinettsamt, das Amt für politische Artikulation zwischen Regierung und Parlament, das Amt für Frauenpolitik, die Bundesministerien für Haushaltsplanung, für soziale Entwicklung und Verminderung der Hungersnot, für Umwelt und für Kultur) sind heute von Frauen besetzt. Außerdem wurde eine Frau vor einigen Tagen als Generalmajor nominiert. Trotzdem bleibt die Diskussion über Abtreibung sowie über sexuelle und reproduktive Rechte blockiert. Nichtsdestotrotz kann das Bild einer Präsidentin, die in der Präsidentschafts-Residenz ohne einen Ehemann wohnt und die in ihre Amtszeit mit der Begleitung ihrer Tochter eingetreten ist, als Symbol dazu dienen, den feministischen Kampf weiter voranzutreiben.

João Paulo Bachur promovierte in Politikwissenschaft an der Universität São Paulo (2009). Er war Kabinettsleiter am Bildungsministerium (2008-2011) und ist Gastwissenschaftler an der FU-Berlin als Alexander-von-Humboldt-Stipendiat.

Guilherme Leite Gonçalves promovierte in Rechtssoziologie an der Universität Salento (2006). Er hat sich für das Jugendverband der Vereinigten Sozialistischen Arbeiterpartei (PSTU) in den 1990er Jahren engagiert. Er ist Gastwissenschaftler an der FU-Berlin als Alexander-von-Humboldt-Stipendiat.