Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

„das Soziale“ ist wichtig, das wissen alle. Es darf auf keinen Fall vergessen werden, jedenfalls nicht ganz. So hat dann die CDU ihren Nobbi Blüm, die SPD besteht irgendwie auf den sozialen Ausgleich und selbst die FDP entdeckt mitunter den mitfühlenden Liberalismus. Bei der LINKEN geht’s in der Regel nochmals besonders „sözial“ zu, vor allem „nach dör Wahl“. Und das nicht ohne Grund: Ist sie doch regelmäßig „nach dör Wahl“ von der Exekutive ausgeschlossen, so dass es also nicht recht drauf ankommt. Und wenn doch – naja, das ist ein weites Feld.

Uns geht es aber in dieser Ausgabe genau darum, um „das Soziale“. Nicht allerdings als notwendiger Abklatsch der „eigentlichen“ Politik, also der, die die herrschende gesellschaftliche Strömung gerade als Zweck für sich erkannt hat: die Stärkung der wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit, des Technologietransfers, der inneren Sicherheit, der Effektivierung der Abschottung, der gelegentlichen Kriegsführung gegen andere Staaten. Uns geht es um die „neue soziale Idee“. Die Funktion des Sozialstaats als Korrektiv „eigentlicher“ Politik, einträchtig betont von Christen-Nobbi bis Sozialisten-Gysi, ist daher ausdrücklich nicht Gegenstand dieser Ausgabe. Sondern uns geht es um den Sozialstaat als Zweck. Stefan Lessenich zeichnet dessen Ambivalenz und macht Vorschläge für eine Emanzipation des Sozialen vom bisher „Eigentlichen“ der Politik. Dietmar Dath ergänzt, weshalb es kaum lohnt, Sandra Bullock nicht nur von Jesse G. James, sondern auch von ihren 20 Millionen jährlichen Einnahmen zu befreien. Die Produktivitätskriterien der Besitzenden niemals zu akzeptieren, rät er vielmehr den Besitzlosen. Voilà, die Redaktion macht dazu sechs Vorschläge: Ökobonus, EU-Sozialklausel, Staatsbürgerschaft nach Geburtsort, Arbeitszeitverkürzung und Einkommenskorridor sowie ein Urheberrecht, das in fünf Jahren abschmilzt. Ob das für eine „neue soziale Idee“ der LINKEN reicht?

Shitstormt uns dazu: Brauchen wir eigentlich noch Unterhalt? Wir haben wieder gretchengefragt und selbst sind wir uns darin nicht einig. Also schreibt, doodelt, twittert, leaked und facebookt uns Eure Meinung! Denn in Zeiten, in denen, wie Kolumnist Schaarschmidt schreibt, bis auf die CDU alle Parteien irgendwie Piraten sind, sind ja jedwede Modi menschlicher Bedürfnisse partizipativ. Doch wir wollen es wirklich wissen.

Wollt ihr es wiederum wissen, testet Euch: „Wie sözial bist Du?“ Und keine Angst: Wenn Du „gar nüscht sözial“ bist, dagegen die Christen-Nobbi-Imitation aus Deinem Freundeskreis „irgendwie“ oder gar „sehr sözial“ ist, hast Du eigentlich auch nichts falsch gemacht. Denn eine Gesellschaft, in der Sandra Bullock einmal jährlich eine Million zum Zweck der Befreiung ihres schlechten Gewissens an diverse Erdbeben- und Tsunami-Opfer in den kapitalistischen Hinterhöfen spendet, darf am Ende nicht gewinnen. Wir bleiben dran.

Eure Redaktion