Roter Dresscode: Gelber Helm zum Blaumann

Wie die neue soziale Idee in linken Wahlkämpfen symbolisiert wurde

Lena Kreck

„Und jetzt die Linke. Jetzt bringst du die Linke!“ – Für mich ist der Kinospot für die Bundestagswahl 2005 [1]immer noch das Beste, mit dem die neue Linke für sich geworben hat. Man sieht zwei Boxerinnen. Die Kämpferin aus der roten Ecke wird von ihrem Coach angefeuert, es ihrer Kontrahentin richtig zu geben. Sie holt weit aus – und umarmt die andere. Danach wird’s auf den Punkt gebracht: Für eine neue soziale Idee! Der Spot ist so subtil und klar in einem. Man braucht nicht die Bilder vom Mann im Blaumann vorm Opelwerk, von der Mama-Papa-Kind-Familie, von der Oma auf der Parkbank beim Taubenfüttern, um zu transportieren, dass die Linke für eine solidarische Politik streiten will, für eine Gesellschaft, in der die Schwächeren nicht noch extra einen auf die Nase bekommen sollen.

Nun sollte aber eine politische Partei getreu dem Motto „Das Leben ist immer konkret“ in der Lage sein, greifbare politische Forderungen zu entwickeln und sie entsprechend zu kommunizieren, damit nicht nur die Wähler_innen, sondern auch der politische Gegner weiß, woran er ist. Deshalb ist es richtig, wenn die LINKE bereits beim TV-Spot zur gleichen Wahl andeutet, was sie unter der neuen sozialen Idee versteht. Zwar bleibt schleierhaft, warum der Spot mit „Das ist unser Land. Und wir leben gerne in diesem Land.“ einsteigt (Ich möchte dies gerne im Sinne von „Wir sind die 99%“ verstehen.). Doch bleibt er in Wort und Bild so vage, wie man es von dem Wahlbündnis zwischen Linkspartei.PDS und WASG 2005 nicht anders erwarten konnte: „Die Dinge müssen nicht bleiben, wie sie sind. Wir können sie ändern.“ Am deutlichsten ist der Spot übrigens hinsichtlich der Parteiführung: Immerhin treten bereits 2005 bis auf Bernd Riexinger alle Parteivorsitzenden der erst 2007 gegründeten LINKEN auf. Quasi ein Orakelfilmchen.

Auch das 2005er Wahlprogramm ist mit „Für eine neue soziale Idee“ übertitelt, steigt sodann aber mit „Arbeit für alle“ ein. Natürlich geht es dabei um Erwerbsarbeit. Dabei wird in folgenden Wahlkämpfen zu Landtagswahlen Erwerbsarbeit deutlich stereotyp dargestellt. So darf zum Beispiel in Hessen 2009 der Opelbezug nicht fehlen:

Und so wird auch „gute Arbeit für Hessen“ auf der Internetseite der hessischen Linksfraktion mit einem gelben Helm über einem lächelnden Gesicht symbolisiert.

Aber Hessen steht nicht alleine da. In Berlin muss beim Wahlkampf 2011 der Blaumann in FDJ-Hemd-Optik herhalten –

an dem aber immerhin ein kleiner Button „We love new work“ angepinnt ist. Wer sich also dicht genug ans Plakat heran getraut hat, konnte sich also zumindest fragen, ob der Blaumann für „neue Arbeit“ steht oder ob meine Assoziation des Blaumanns völliger Mist ist und der Dress an sich für die „neue Arbeit“ steht. Sehr spannend zu erfahren wäre in diesem Fall, ob „neue Arbeit“ tatsächlich – wie unterstellt – qualitativ und nicht bloß quantitativ zu verstehen ist. Denn ich frage mich: Wer trägt heute überhaupt so ein Hemd?

Klarer in der Symbolsprache drückt sich die Bundespartei zum 1. Mai diesen Jahres aus. Eine „Schleckerfrau“!

Die „Schleckerfrau“ ist das weibliche Gegenstück zum Opelarbeiter. Denn die Beschäftigten bei Schlecker standen schon vor der Insolvenz der Drogeriemarktkette für schlechte Arbeitsbedingungen: Lange wurden nur Dumpinglöhne gezahlt, bis sich 2010 darauf geeinigt wurde, die Beschäftigten bundesweit nach dem Einzelhandelstarif Baden-Württemberg zu bezahlen. Dazu kamen die Skandale wegen der Videoüberwachung des Personals. Und seit der Abwicklung Schleckers gilt erst recht: mies, mieser, Schlecker.

Zu diesen Beispielen ließen sich weitere hinzufügen. Aber es gibt auch die Fälle, in denen Wahlkämpfe ohne die brachialen Arbeitssymboliken ausgekommen sind (weil sie etwa ganz auf bebilderte Wahlkampfmaterialien verzichtet haben). Vor allem ist bei allen Läster- und Sticheleien zu sagen: Den Vogel schießt immer noch die PDS von 2002 ab:

Insofern ist zu hoffen, dass sich die parteipolitische Linke weiterhin lernfähig zeigt und im nächsten Wahlprogramm die neue soziale Idee – gerade auch im Sinne der abhängig Beschäftigten – noch weniger auf Erwerbsarbeit ausrichtet. Das wäre dann nämlich nicht nur sozial, sondern eben auch mal eine neue Idee.

Lena Kreck ist Mitglied der Redaktion des prager frühlings. Sie beteiligte sich 2005 das erste Mal in einem Wahlkampf für eine linke Kraft im Bundestag. Zu dem Zeitpunkt selbst noch (auf niedrigstem Niveau) kickboxend war sie davon begeistert, wie die Linkspartei.PDS mit ihrem Kinospot die neue soziale Idee beschrieben hat.

Links:

  1. http://www.bpb.de/mediathek/285/wahlwerbespots-der-linkspartei-pds-zur-bundestagswahl-2005