Kinder machen ist nicht schwer

Schwangerschaftsvorsorge dagegen sehr

Lena Kreck
Lena Kreck

Als wir dieses Heft konzipierten, kam es – es war Sonntagabend nach 22 Uhr, alle wollten nach Hause – zu einer heftigen Diskussion über die Rubrik Feminismen. Teile der Redaktion hatten vorgeschlagen, sich mit reproduktiven Rechten zu befassen, und auf einen Schlag befand sich die prager frühling-Redaktion in einer bioethischen Auseinandersetzung. Wir sprangen zwischen der Zulässigkeit von Präimplantationsdiagnostik und der Akzeptanz von Spätabtreibungen hin und her.

Ein Ausflug ins Geburtshaus

Um mir ein Bild davon zu machen, wie das mit dem Babybekommen funktionieren kann, besuche ich ein Geburtshaus in Berlin und treffe mich dort mit einer erfahrenen Hebamme. Ich will von ihr wissen, was sie von gynäkologischer Begleitung von Schwangerschaften, wie sie derzeit im Mainstream durchgeführt werden, hält. Der Raum, in dem wir sitzen, ist warm, die Wände in einem satten Gelb gestrichen. Es sieht eher nach einem Wohnzimmer als nach einem Behandlungsraum aus, einzig ein Gravidarium, eine Scheibe, mit der man den Geburtstermin errechnen kann, lässt vermuten, dass hier eine Hebamme zugange ist. Und die klagt: Die ärztliche Schwangerschaftsvorsorge sei so wenig selbstermächtigend. Die Frauen, die durch sie ko-versorgt werden, könnten zumeist noch nicht mal ihren Mutterpass lesen. „Die sitzen dann mit einem vollgeschriebenen Mutterpass bei mir und fragen, was die Einträge zu bedeuten haben.“

Ein weiteres Spannungsfeld umfasst die Pränataldiagnostik. Ich entdecke bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung eine Vielzahl von Broschüren zum Thema und erfahre, dass die Pränataldiagnostik seit nunmehr 36 Jahren von den Krankenkassen übernommen wird und dass die Anzahl der Eltern in Lauerstellung, die jene Untersuchungen in Anspruch nehmen, seitdem kontinuierlich gestiegen ist. Heute lassen fast alle Frauen mindestens die drei von den Mutterschafts-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen empfohlenen Ultraschalluntersuchungen vornehmen. Nur knappe acht Prozent sind der Auffassung, dass sie bei einer „normalen“ Schwangerschaft nicht nötig sind (BZgA, Datensatz „Schwangerschaftserleben und Pränataldiagnostik“, 2006). „Aber können nicht durch die Pränataldiagnostik Krankheiten und Fehlbildungen frühzeitig erkannt werden?“ frage ich „meine“ Hebamme. Sie guckt mich zweifelnd an. „Demletzt stand eine Frau bei mir, die hat Rotz und Wasser geheult.“ Ihr war von ihrer Frauenärztin geraten worden, die Geburt einleiten zu lassen, nachdem eine Ultraschalluntersuchung ergeben hatte, das Kind sei unterversorgt und zu klein. „Das war totaler Quatsch. Ich verschätze mich höchstens um 200 Gramm, wenn ich das Gewicht durch Tasten bestimme. Ich weiß einfach, wie sich ein Kind mit 2000 Gramm im Gegensatz zu einem mit 3000 Gramm anfühlt. Zwei Wochen später ist das Kind zum errechneten Termin mit 3200 Gramm geboren worden.“ Dies sei ein Beispiel dafür, dass die Ultraschalluntersuchungen oft auf Wahrscheinlichkeit basierende Ängste und Sorgen auslösen, manchmal tatsächlich zu medizinisch nicht notwenigen Maßnahmen führen. Und dennoch: „Ich möchte den Eltern nicht in ihre Entscheidungen reinreden. Die sollen die Vorsorgeuntersuchungen vornehmen lassen, die sie für richtig halten. Und sie müssen die Entscheidungen für sich treffen. Es geht schließlich um ihr Kind. Ich kann dazu nur meine Meinung sagen. Aber die ist nach über 30 Jahren Berufserfahrung ziemlich klar.“

Guter Hoffnung – viele Sorgen

Mir war hingegen bisher nicht bewusst, dass ein auffälliger Befund in der Pränataldiagnostik zwei Tücken hat: Den werdenden Eltern wird mit diesen Untersuchungen kein gesichertes Wissen vermittelt. Die Ultraschalluntersuchungen transportieren Wahrscheinlichkeiten. Wird eine Auffälligkeit entdeckt, bedeutet dies zum einen nicht, dass tatsächlich eine Fehlentwicklung vorliegt, zum anderen garantiert ein unauffälliger Befund kein gesundes Kind. Kann sich eine Familie ein Zusammenleben mit einem behinderten Menschen nicht vorstellen, so bleibt im Regelfall nur ein Schwangerschaftsabbruch – obwohl man auch nach weiteren Untersuchungen nach wie von Fehlerquoten bei den Ergebnissen ausgehen muss. In der sehr nachvollziehbaren Sehnsucht, ihr Kind noch im Mutterleib sehen zu können, blenden viele werdenden Eltern diesen Umstand aus. Als Schwangere hat man aber auch allen Grund, „guter Hoffnung zu sein“: Die Wahrscheinlichkeit, ein erkranktes Kind zu entbinden, ist viel geringer als die umfassenden Vorsorgeuntersuchungen es vermuten lassen.

Ich freue mich, dass das Kinderkriegen so eine kinderleichte Sache zu sein scheint und bin dennoch ein wenig skeptisch. Manchmal geht dann doch mal was schief. „Hier im Geburtshaus können nur Frauen entbinden, die keine Mehrlinge erwarten und die gesund sind. Wenn es dennoch zu Komplikationen kommt – das kann selbst nach einer gänzlich unauffälligen Schwangerschaft der Fall sein – gibt es keine Diskussion. Dann heißt es, das nächste Krankenhaus alarmieren und ab in den OP.“ So resolut wie sie das sagt, habe ich keinen Zweifel, dass sie im Notfall nicht lange fackelt.

Als ich das Geburtshaus verlasse, kommt mir eine Mutter mit ihrem äußerst aufgehübschten Kind entgegen. Es sieht fast wie eine zum Leben erweckte Babypuppe aus, die den ganzen Tag ein Babykostüm nach dem anderen angezogen bekommt. Da denke ich, dass das Kinderkriegen wohl so strittig ist wie die Kindererziehung: Wir verbinden damit so große Wünsche und Hoffnungen, dass wir Kritik an unserem Vorgehen oder – wie in der teils kinderlosen prager frühling-Redaktion teilweise – an unseren Vorstellungen, „wie man’s richtig macht“, sehr persönlich nehmen. So ist das wohl in einer Welt, in der es in Buchhandlungen die Abteilung „Ratgeber“ gibt.

Lena Kreck ist Mitglied der prager frühling-Redaktion. Sie findet die Vorstellung sehr charmant, zumindest auf die vorgeburtliche Feststellung des Geschlechts zu verzichten und sich so der Zweigeschlechtlichkeit für eine kurze Phase zu entziehen.