„Wenn etwas so abgesichert ist, dann muss es sich lohnen, dort zu leben.“

Über die Graphic Novel „Unsichtbare Hände“

Lena Kreck

In „Unsichtbare Hände“ – ein Comic des Finnen Ville Tietäväinen, dass am 1. März 2014 bei Avant[1] in deutscher Sprache erscheinen wird – begleiten wir Rashid auf seiner Reise in die erhoffte bessere Zukunft in Europa. Er verlässt seine Eltern, seine Frau und seine Tochter, um der Perspektivlosigkeit der Slums von Tanger zu entkommen. Mit Hilfe eines Schlepper überquert er die Straße von Gibraltar und vertraut auf das Versprechen, in Spanien seine Schulden abarbeiten und seiner Familie ein besseres Leben ermöglichen zu können.

In jedem Brief an seine Frau verspricht er, bald Geld zu senden. Rashid schickt Hoffnung an seine Lieben, die er selbst mehr und mehr verliert. Die ganze Geschichte ist fürchterlich voraussehbar und gerade deshalb so bedrückend. Immer wenn sich Rashids Situation zum Positiven zu wenden scheint, schlagen die unvorstellbare Ungerechtigkeit, das brutale Ausgeliefertsein mit voller Wucht zurück. Ville Tietäväinen lässt dabei nichts aus: Rashids Freund Nadim ertrinkt bei der Überfahrt. Der Aktivist, der die illigalisierten Arbeiter in den spanischen Gewächshäusern in Bewegung bringen möchte, wird ermordet. Rashid verliert den Glauben und am Ende seine Sinne.

Auch seine Familie verliert alles. Sein Vater hatte mit seinem bescheidenen Eigentum für die Schlepperkosten gebürgt. Seine Frau lässt sich – ausgeliefert wie sie ist – auf ein Verhältnis mit ihrem Chef ein, bekommt von ihm ein Kind. Alles ist vergeblich. Und so suchen wir Leser_innen dieser durchweg in braun-grau gezeichneten Geschichte auch vergeblich nach schönen Momenten, nach etwas Leichtem. Alleine die ungebrochene Liebe seiner Frau, die sich nach Jahren der Trennung selbst auf die Reise macht, um Rashid zu finden, und die Schühchen, die Rashid für seine Tochter klaut (nicht ohne sein ganzes Geld, 10 Euro, im Laden zurückzulassen), verzaubern bittersüß.

Es scheint für Rashid keine Möglichkeit der Selbstermächtigung zu geben. Er ist demütig. Und so hat es mich beim Lesen rasend gemacht, dass es keinen Strohhalm gibt, nach dem Rashid oder wir die Verhältnisse ändernd greifen könnten. Selbst die Guardia Civil handelt jenseits des Rechts, wenn sie die Gestrandeten unmittelbar in die Schwarzarbeit leitet. An wen kann sich Politik wenden, wenn ganze Wirtschaftszweige auf die Rechtlosigkeit Illegalisierter baut?

Lena Kreck

Der Comic überzeichnet mitunter und reproduziert Stereotype. Wer das über 200 Seiten aushält, wird dieses Buch bedrückt zuschlagen – und (so pathetisch es auch klingen mag) hoffentlich auch wütend und mit Solidarität im Herzen.

Lena Kreck ist Juristin und Mitglied der Redaktion prager frühling.

Links:

  1. http://www.avant-verlag.de/