Über die Proteste gegen die hessischen Studiengebühren

Thomas Winhold

Am 3. Juni 2008 wurden durch Beschluss der Fraktion der SPD, der Linken und der Grünen im hessischen Landtag die vier Jahre zuvor von Schwarz-Gelb eingeführten Studiengebühren wieder abgeschafft. Dem ging eine heftig geführte Debatte im ganzen Land voraus, an der sich nicht nur die üblichen Verdächtigen beteiligt hatten.

Das im Jahr 2004 in Kraft getretene Studienguthabengesetz hatte zur Folge, dass ab dem Sommersemester sogenannte Langzeitstudierende sowie für das Zweitstudium eine Gebühr zwischen 500 und 900 Euro erhoben wurde. Gute zwei Jahre darauf beschloss das Kabinett Koch ein Studiengebührenmodell, wonach allgemeine Gebühren ab dem 1. Semester in Höhe von 500 Euro sowie mögliche Gebühren für ausländische Studierende und für Masterstudiengänge von bis zu 1.500 Euro erhoben werden sollten.

Protest gegen Studiengebühren

Der Protest der Studierenden ließ erwartungsgemäß nicht lange auf sich warten. Schnell organisierten die ASten, hochschulpolitische Gruppen, Parteien und Gerwerkschaften Demos und Protestveranstaltungen in allen hessischen Hochschulstädten. Wie üblich bei solchen Protestaktionen wurden Campusgebäude besetzt, Veranstaltungen gesprengt, Protestcamps aufgezogen und alternative Veranstaltungsplan entwickelt. So weit, so normal. Doch schon an den Hochschulen selbst gelang es, eine breite Unterstützung zu organisieren: So sprachen sich z.B. die Senate der TU Darmstadt, der FH Frankfurt, der Uni Kassel und der JLU Gießen teilweise einstimmig gegen die Pläne der Landesregierung aus, wodurch eine bis dahin nicht gekannte Einmütigkeit der Universitas in dieser Frage nach außen dokumentiert wurde. Sogar die Konferenz der hessischen Fachhochschulpräsidenten lehnte das Gebührenmodell einmütig ab. Lediglich der Senat der Goethe-Universtität Frankfurt befürwortete mehrheitllich den Gesetzesentwurf.

Die Träger und Organisatoren der Proteste verfolgten bald die Strategie, den Protest vom Campus in die Innenstadt zu verlagen, um deutlich zu machen, dass Studiengebühren nicht allein das Problem der Studierenden (und damit eines kleinen Bevölkerungsteils) sind, sondern weitreichende gesellschaftliche Folgen haben würden. So wurde von Anfang an überlegt, kommunal- und landespolitische Bündnispartner zu suchen ebenso wie SchülerInnenvertretungen, Elternverbände, Vereinsringe, VertreterInnen der lokalen Wirtschaft und Gewerkschaften gesucht und gefunden. Nicht allein die Landtagsopposition konnte gewonnen werden, auch diverse Stadtverordnetenversammlungen solidarisierten sich mit dem Widerstand.

Neben dem Protest der „Straße”, welcher erwartungsgemäß durch z.B. Kreuzungs- und Autobahnblockaden nicht nur Freunde gewinnen konnte, vor allem während der gerade in Deutschland stattfindenden WM, wurde gemeinsam mit dem DGB auch auf juristische Weise versucht, die Einführung von Gebühren zu verhindern. So wurde eine breit angelegte Kampagne für eine Verfassungsklage zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit federführend vom DGB aufgelegt. Neben dem Nutzen der Bereitstellung einer organisatorischen Infrastruktur war damit auch gewährleistet, dass die Beteiligung einer Massenorganisation die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Protests verdeutlichen konnte. Innerhalb kürzester Zeit konnten mehrere 10.000 Unterschriften gegen die Gebührenerhebung gesammelt werden.

Nachdem die Landesregierung ihre Mehrheit mit der Wahl 2008 verloren hatte, wurde schließlich die Entscheidung mit den Stimmen der Mehrheit des Parlaments vollständig kassiert, die noch im Amt befindliche Regierung erklärte, von weiteren Versuchen Abstand zu nehmen. Im aktuellen Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Landesregierung wird daran festgehalten. Die Breite des Proteste und die kluge Einbindung weiter Teile der Bevölkerung haben nachhaltig verdeutlicht, dass es über die üblichen Lager hinweg keine gesellschaftliche Mehrheit für Studiengebühren in Hessen gibt.