Was wollen die Grünen?

… und was könnten sie wollen können?

Helge Meves
Helge Meves

Die Grünen haben das dritte Mal hintereinander ihr Wahlziel einer Bundesregierung mit der SPD verfehlt. Die SPD ist wie 2005 in einer Koalition mit der CDU. Und die Grünen sind nach Hamburg und dem Saarland nun in Hessen eine Koalition auch mit der CDU eingegangen. Was wollen die Grünen? Und was können sie wollen?

Regierungsbeteiligungen verantwortungsethisch

Enttäuschung über die Koalitionen von SPD und Grünen mit der CDU sind dennoch fehl am Platze. In ihrer 150jährigen Geschichte war die SPD seit der Zustimmung des Großteils ihrer Parlamentarier zu den Kriegskrediten 1914 über den NATO-Doppelbeschluss bis zur Agenda 2010 immer wieder eine Partei, die zu historischen Kompromissen fähig war, die auf den ersten Blick widersprüchlich waren dennoch einer gewissen inneren Logik folgten.

Immer stand dabei die SPD vor der Frage, wie sie sich im Verhältnis zwischen ihrer Programmatik sowie den Wünschen ihrer Mitglieder und der gesellschaftlichen Stimmung entscheiden sollte. Diese Frage steht selbstredend vor jeder programmatisch aufgestellten Partei. Und allein nicht mehrheitsfähige und noch mehr kleinere Parteien müssen mit Blick auf eine mögliche Regierungsbeteiligung immer reflektieren und abwägen, wie sie in einer Regierung einen Beitrag dazu leisten können, dass diese den Großteil der Gesellschaft vertritt.

Interpretiert man diesen Abwägungsprozess allerdings als einen der „verantwortungsethischen Lagebeurteilung versus gesinnungsethischer Parteiräson“, wie der Journalist Gustav Seibt zuletzt den Sieg über die Letzteren als einen Reifungsprozess der SPD feierte, nimmt man ihm seine genuin demokratische Funktion.

Wertkonservative Schnittstellen

Schwarz-grün ist immer eine Option, sagt unser Haustier.

Die Frage ist, wie SPD, LINKE und Grüne mit der Herausforderung einer „verantwortungsethischen Parteiräson“ umgehen werden. Für die Grünen ist diese Frage allein deshalb spannender als bei den anderen beiden, weil ihre Koalitionen mit der CDU auf „wertkonservativen Schnittstellen“ beruhen. Dazu kann gezählt werden die Bewahrung der Schöpfung, eine intakte Heimat, gesunde Umwelt, ein selbstverantwortliches Individuum wie Schuldenfreiheit, etwas irreleitend auch „nachhaltige Haushaltpolitik“ genannt. Mit der stärkeren Orientierung auf diese Schnittstellen verschiebt sich aber auch die Vorstellung von und Erwartung an Politik. Wertkonservative erhalten und verteidigen frühere Vorstellungen, soweit sie sich ihrer Meinung nach bewährt haben. Dieser Rekurs auf Vergangenes bereichert die Debatte in jedem Fall, wobei hier nicht einmal darauf eingegangen werden muss, dass es auch linke wertkonservative Positionen gibt. Er führt aber auch zu einer Verschiebung, weil die spezifischen Erfahrungen und das Reflexionsvermögen dafür nicht alle mitbringen. Kommunal- und Landespolitiker, vorrangig an praktischen gesellschaftlichen Bewegungen interessierte wie auch sich gesellschaftskritisch verstehende Akteure rutschen durch die Themensetzung aus dem Diskurs. Parallel wird die gesellschaftliche Stimmung als Gradmesser für das „Bewährte“ zunehmend selektiv wahrgenommen. Das energiepolitische Konsensangebot der Grünen an die Regierung von Anfang des Jahres atmet diesen Geist genauso wie es die Argumente der Grünen gegen die Regierungspolitik entwertet.

Das linke Lager

Linke Alternativen benötigen dagegen Formen der Meinungs- und Willensbildung, in der jede und jeder seine Positionen nicht nur ein- sondern auch zur Geltung bringen kann. Untergrenzen sozialer und politischer Rechte können soziale Ausgrenzungen verhindern. Mindestsicherung, Mindestlohn, Mindestrente sind dafür notwendige aber nicht hinreichende Bedingungen. Umverteilung sollte aber immer auch die demokratischen Partizipationsmöglichkeiten einschließen. So etwas beginnt gewöhnlich mit Gesprächen der Parteien untereinander in wechselseitigem Respekt vor der Pluralität der Linken wie ihrer jeweiligen Eigenständigkeit. Moderiert gelänge dies entspannter, zumal neue Anregungen Gräben überbrücken und einige Differenzen als relative deutlich machen könnten. Ohne diese führt kein Weg zu einer Hegemonie jenseits einer CDU/CSU-geführten Regierung.

Helge Meves beobachtet aus dem Karl-Liebknecht-Haus der LINKEN die Poltik der Grünen.

:

Quellen:

Bündnis90/Die Grünen: Berliner Erklärung. Beschluss des Bundesvorstandes vom 07.01.2014

Bündnis90/Die Grünen Die Weimarer Erklärung 2014: Kritisch, mutig, grün – Konsequent für die Zukunft. Beschluss der Bundestagsfraktion vom 10.01.2014

Judt, Tony: Was ist lebendig und was tot an der sozialen Demokratie? In: Berliner Republik 2/2010

Leggewie, Claus: Politik statt Projekt. In: tageszeitung vom 26.02.2008

Seibt, Gustav: Historische Kompromisse. Große Koalition mit der Gesellschaft: Ein Leitmotiv der SPD-Geschichte. In: Süddeutsche Zeitung vom 05.12.2013