Gretchenfrage

Sag mir wie hältst Du es mit dem geistigen Eigentum?

Gerd Siebecke

Gerd Siebecke

Das Wissen der Welt ist geronnenes Produkt gesellschaftlicher Arbeit und gehört allen – das gilt auch für Erbauung & Unterhaltung. Im Kapitalismus wird es privat angeeignet und verwertet, in der Regel zusätzlich durch Rückgriff auf die Arbeit in Institutionen (von Kindergärten bis zu den Unis), die die Allgemeinheit bereits bezahlt hat. Insofern ist hier die Sache klar: Das muss allen kostenlos zugänglich sein bzw. gemacht werden.

Was Fakten & Datenmengen jeglicher Art betrifft, herrscht allerdings kein Mangel, was deren Aufbereitung, Deutung und Vermittlung betrifft, schon. Der muss behoben werden durch gute Arbeit von AutorInnen & JournalistInnen sowie Verlagen & Sendern und die muss – wie Gute Arbeit überhaupt – ordentlich bezahlt werden (sofern das die Gesellschaft wie z.B. bei Professoren nicht bereits getan hat).

Wie gesellschaftlich ermittelt werden kann, was »gut« ist, wie dieser Sektor also demokratisch und unter Respektierung von Minderheitenauffassungen organisiert werden sollte (öffentlich-rechtlich, staatlich, genossenschaftlich, privat), darüber muss gestritten werden. Auch darüber, ob und wie bestehende Institutionen umgebaut werden und ob Schutzrechte für »geistiges Eigentum« so sein müssen, wie sie jetzt sind. ver.di-KollegInnen und Linke haben dazu kluge Überlegungen angestellt und – durchaus kontrovers – Vorschläge unterbreitet, deren Diskussion nützlicher sein dürfte als die Beschwörung absoluter »Umsonst«kultur, die nicht wirklich umsonst ist.

Gerd Siebecke ist Team-Mitglied des VSA: Verlags, Redakteur von Sozialismus und im Besitz einer goldenen Ehrennadel für 40-jährige Gewerkschaftsmitgliedschaft.

Julia Reda

Julia Reda

Eigentum ist ein Konzept, das die Verteilung von knappen Gütern regeln soll. Mit der digitalen Revolution wurden immaterielle Werke von Knappheit befreit. Im Zeitalter der digitalen Kopie ist geistiges Eigentum eine Lösung auf der Suche nach einem Problem.

Es ist ein legitimes politisches Ziel, Anreize für Kreativität und einen Ausgleich der Interessen von Kulturschaffenden und der Allgemeinheit anzustreben. Aber ein Urheberrecht, das auf geistiges Eigentum baut, überträgt ohne Not die Probleme, die mit dem Eigentumsbegriff verbunden sind, auf immaterielle Werke. Es schafft eine Hierarchie zwischen den Interessen der Kulturschaffenden als Eigentümer*innen und den Interessen der eigentumslosen Allgemeinheit. Unter einem solchen System bedarf nicht die Beschränkung des Zugangs zu Wissen und Kultur einer Rechtfertigung, sondern die Zugänglichmachung. Das Ziel eines solchen Urheberrechts ist nicht die Förderung einer reichen Wissens- und Kulturallmende, sondern eines funktionierenden Marktes. Dafür wird in Kauf genommen, dass auch der Zugang zu Werken beschränkt wird, die überhaupt nicht (mehr) gewinnbringend verwertet werden.

Die große Chance der Digitalisierung, die ganze Menschheit kostenlos an Wissen und Kultur teilhaben lassen zu können, verblasst angesichts der Angst um bestehende Geschäftsmodelle. Ohne geistiges Eigentum sind wir alle reicher.

Julia Reda ist Vorsitzende der Young Pirates of Europe. Seit der Europawahl 2014 ist sie Abgeordnete der Piratenpartei im Europäischen Parlament.

Petra Sitte

Petra Sitte

„Geistiges Eigentum“ wird von der Kreativindustrie als Schlagwort gegen jegliche Form der Verbreitung von Inhalten jenseits ihrer eigenen profitmaximierten Wege ins Felde geführt, während die meisten Kreativen viel zu wenig von diesen weiterhin üppigen Profiten sehen. Für die FreundInnen des „Sharing is Caring“-Gedankens ist’s eine Art juristisches Phantasma, dass im krassen Widerspruch zur Realität aller kulturellen Praxis steht.

Für viele Kreative liegt darin ein letzter Funken Hoffnung, dass ihnen mit diesem Recht irgendwann einmal ein Auskommen aus ihrer viel zu oft prekären Arbeit entsteht. Ich finde Kreative sollen ordentlich leben können und kreative Inhalte auch. Dafür sollten wir Werke teilen und deren Produktion ordentlich vergüten. Mit dem heutigen Urheberrecht gelingt das nicht. Wie ein Rechtskonstrukt heißt, das das angemessen regelt, ist mir am Ende wurst.“

Petra Sitte ist Parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion und ein Fan von freiem Wissen.

Ilja Braun

Ilja Braun

Die Debatte um das „geistige Eigentum“ im Digitalzeitalter zählt zu den fruchtlosesten der letzten Jahre. Wovon sollen Kreative leben, wenn nicht von ihrem Urheberrecht, fragen die einen. Sollen sie sich doch „neue Geschäftsmodelle“ ausdenken, sagen die anderen.

Das Urheberrecht sollte einmal die Freiheit des kreativen Schaffens jenseits feudaler Abhängigkeit ermöglichen. Die Kehrseite dieser Freiheit war schon immer die Prekarisierung auf dem freien Markt. Als Instrument, Kreative abzusichern, ihnen den Rücken für schöpferisches Tun freizuhalten, hat es nie recht getaugt. Ich finde, Kreative sollten ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten, damit sie nicht kreativ sein müssen, um Geld zu verdienen. Und wenn dann alle kreativ werden wollen, umso besser. Nichts geht über die Freiheit, zu einer fremdbestimmten Arbeit einfach Nein sagen zu können.

Ilja Braun ist der Autor von „Grundeinkommen statt Urheberrecht“.

Diether Dehm

Diether Dehm

Die ‚Piraten‘ -Fraktion lässt wissen: Geh doch arbeiten, abends machst du hobbyweise Musik. Geistiges Eigentum ist in diesen Kreisen (die sich völlig unhistorisch für avantgardistisch halten) ein Schimpfwort geworden. Seltsamerweise auch in den Kreisen, die gegen Börsenspekulation nichts einzuwenden haben. Die gern sagen: ‚Die Revolution muss heutzutage nicht mehr praktisch wirksam werden, sie kommt virtuell oder digital daher’. Sehr seltsam solche Statements – in einer Zeit ansonsten immer härterer Sicherung der Ressourcen als Besitz von staatsnahen Trusts, der Lebensareale der Superreichen, der Globalisierung von Ausbeutung auf niedrigem Niveau und der Verpulverung ganzer Staatshaushalte an eine spekulierende ‚Elite‘. Eigentlich eben gar nicht so seltsam, sondern nur folgerichtig: Geistiges Eigentum resultiert aus geistiger Arbeit – und Arbeit wird im Kapitalismus enteignet. Erleben wir ganz am Schluss des Systems also die Verproletarisierung des ‚geistigen Arbeiters‘? Wir finden das spannend.

Ja, die GEMA muss kleinen Nutzern gegenüber endlich viel verständnisvoller agieren, aber, und wir meinen es ziemlich ernst, wenn wir ab einem bestimmten Punkt der sich drehenden Diskussion die Gema-Verächter auf ‚der anderen Seite’ verorten. Das Urheberrecht muss den digitalen Entwicklungen der Zivilgesellschaft Rechnung tragen. Aber es darf nicht aufhören, die Besitzrechte der Kulturschaffenden zu schützen. Erst, wenn die Vergesellschaftung von Produktionsmitteln gesellschaftlich durchgesetzt ist, kann die Lockerung des Begriffs ‚geistiges Eigentum‘ überhaupt zur Diskussion stehen.

Diether Dehm ist mittelstandspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. Den Text verfasste er zusammen mit dem Musiker und Schriftsteller Manfred Maurenbrecher.