„Bauer to the people!“

Rezension: Wissen wuchern lassen. Ein Handbuch zum Lernen in urbanen Gärten, AG SPAK Bücher, Neu-Ulm 2014, 18,00 Euro

Lena Kreck

Wenn’s auf dem Balkon (sofern man das Glück hat, auf einen solchen samt Sonne zugreifen zu können) zu eng wird, beginnen pflanzenaffine Städter_innen, von einem Garten zu träumen. Die Idee, Pflanzen zu ziehen, um sie zu bangen und am Ende die Früchte des Erfolgs ernten und genießen zu können, eint viele, die auf ein urbanes Leben nicht verzichten wollen. Stadt und Garten konnten in der Vergangenheit nur über heiß begehrte Parzellen in einer Kleingartenanlage realisiert werden.

Hier soll es um etwas anderes, um urbane Gärten ohne Jägerzaun gehen. Dies ist seit einigen Jahren ein wunderbarer Trend: Brachflächen werden (temporär) mit viel Liebe und Einsatz zu Gemeinschaftsgärten umgewandelt. Damit bieten sich neue Handlungsmöglichkeiten und (im wahrsten Sinne des Wortes) -felder für Hobby-Gärtner_innen. Während man in der Kleingartenanlage über den Zaun hinweg fachsimpelt, müssen in Gemeinschaftsgärten Entscheidungen gemeinsam gefällt werden. Dabei geht es nicht nur um persönliche Vorlieben (Zucchini versus Minze), sondern um Wissen, welches die Voraussetzung für eine ertragreiche Ernte ist.

Die in den letzten Jahren gesammelten Erfahrungen werden in dem ganz zauberhaft gestalteten Buch „Wissen wuchern lassen“ zugänglich gemacht. Dies geschieht nicht besserwisserisch, eher berichtend und sehr lebenspraktisch.

Zunächst lernt man: Gemeinschaftsgarten ist nicht gleich Gemeinschaftsgarten. Das Buch stellt verschiedene Projekte vor und macht transparent, dass sich diese in einer Vielzahl von Kriterien – Zielpublikum, Zugänglichkeit, Wirtschaftlichkeit, Prozessorientierung etc. – unterscheiden lassen. Es gibt Gärten, die recht exklusiv bewirtschaftet werden. Andere sind offener und wenig verbindlich. Wer gärtnern möchte, sollte sich also auch fragen, welchen Charakter der Garten haben soll, in den er_sie sich einbringen möchte.

Möchte man sich keinem bestehenden Garten anschließen, so kann man sich in „Wissen wuchern lassen“ gute Hinweise für die Gründung eines eigenen Gemeinschaftsgartens anlesen: Welche Erfahrungen haben andere Projekte gesammelt? Wie kommuniziere ich mit Politik und Verwaltung? Wo finden wir überhaupt eine geeignete Fläche? Wie wollen wir unsere Gruppenarbeit organisieren? Und auf welche Ressourcen können und müssen wir zurückgreifen? Und zu guter Letzt: Wie könne wir uns vernetzen?

Ist die Brache, die bewirtschaftet werden soll, erst mal gefunden, stellen sich neue Fragen: Wie versorgen wir unseren Boden am besten? Wie legen wir den Garten bienenfreundlich an? Und woher soll eigentlich das Wasser kommen? Hierzu findet sich im Buch jeweils ein Kapitel. Es wird von den Erfahrungen in den Prinzessinnengärten, dem Allmende-Kontors auf dem Tempelhofer Feld und dem Bürgergarten Laskerwiese bzw. dem Garten des Jugendclubs E-LOK berichtet. Besonders lesenswert fand ich das Wurmkistenhandbuch – für alle, die sich nicht nur gärtnerisch, sondern auch tierpflegerisch betätigen wollen.

Im Buch werden immer wieder Workshops vorgestellt. Sie dienen als Anregung, im Garten selbst erlangtes Wissen weiterzugeben. Dies verdeutlich den Anspruch von Gemeinschaftsgärten: Es geht nicht nur darum, Menschen ein Hobby zu beschaffen. Es geht auch darum, urbanes Leben zu verändern, Orte der Kommunikation, der Gemeinschaft, des Commonings zu schaffen. Voraussetzung hierfür ist es, allen Zugang zum erforderlichen Wissen zu gewähren und ihnen die Möglichkeit zu geben, selbst dieses gemeinschaftliche Wissen zu prägen. Dabei wird aber auch deutlich, dass Gemeinschaftsgärten Garten- und Wissensarbeit vereinen. Urbane Gärten sind Ort gemeinsamer Wissensproduktion, gemeinsamen Lernens. „Wissen wuchern lassen“ widmet diesem Aspekt ein eigenes Kapitel „Gemeinsam gärtnern und forschen“. Hier wird deutlich, wie verzahnt Wissenschaft und Praxis sind – sei es bei der Jungpflanzenaufzucht, sei es bei der Erprobung und Erforschung von partizipativen Konzepten.

„Wissen wuchern lassen“ ist tatsächlich ein klassisches Handbuch: Du wirst es nicht von Anfang bis Ende schmökern, sondern gezielt Kapitel studieren, die für deine Praxis relevant sind. Aber sicherlich wirst du auch unverhofft, gute Anregungen finden, wenn du nach getaner Arbeit an ein Hochbeet gelehnt dieses Buch durchblätterst. Und wer weiß, vielleicht resultiert daraus das nächste Projekt in deinem Gemeinschaftsgarten?!

„Wissen wuchern lassen. Ein Handbuch zum Lernen in urbanen Gärten“ steht auf der Seite des Verlages im Sinne der Wissensallmende auch zum freien Download[1] zur Verfügung. Dort kann es auch zum Preis von 18 Euro bestellt [2]werden.

Links:

  1. http://www.agspak.de/wissenwuchernlassen/wissen_wuchern_lassen_cc.pdf)
  2. http://www.agspak-buecher.de/Severin-Halder-et-al-Hrsg-Wissen-wuchern-lassen-Ein-Handbuch-zum-Lernen-in-urbanen-Gaerten