Gretchenfrage

Sag mir, wie hältst Du es mit der Generationengerechtigkeit?

Der Begriff der Generationengerechtigkeit vereinte in einem (nie verabschiedeten) Generationengerechtigkeitsgesetz [1]schon so unterschiedliche Politiker*innen wie Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg und Grünen Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt. Schritt in eine gerechtere Zukunft oder Kampfvokabel der Vertreter*innen einer ungerechteren Gegenwart?

Sascha Collet

Das Wort „Generationengerechtigkeit“ wird oft als Kampfbegriff verwendet. Meist steht dabei aber weniger die Gerechtigkeit im Fokus, sondern – im Gegenteil – die Konkurrenz zwischen den Generationen.
Indem dieser Konflikt beschworen wird, tritt in den Hintergrund, dass es auch eine Gleichheit gibt zwischen diesen, die Probleme haben, die Kita zu zahlen, und jenen, die von ihrer Rente nicht leben können. Die Herausforderung ist nicht, zwischen alten und jungen Menschen zu verteilen, sondern zwischen denen, die besitzen und denen, die es nicht tun.
Sich für künftige Generationen einzusetzen, heißt in meinen Augen nicht, Junge gegen Alte auszuspielen, sondern eine Gesellschaft insgesamt zukunftsfähig zu machen. Das bedeutet auf lange Sicht, nicht den Mangel zu verteilen, sondern zu beseitigen. Der „Kampf zwischen den Generationen“ wäre mit einer vernünftigen Steuerpolitik hinfällig .

Sascha Collet arbeitet bei Campact und war einer der Verfasser des Zukunftsmanifests[2] der jungen Elf

Matthias W. Birkwald

Sie erklärt das Paradox, dass eine Gesellschaft rational kalkulierender Wirtschaftssubjekte mehrheitlich glaubt, die Verteilung eines wachsenden Kuchens an eine zurückgehende Zahl von Menschen müsse zu kleineren Kuchenstücken für alle führen. Mit der assoziativen, aber grundfalschen Übertragung des für das gesellschaftliche Naturverhältnis richtigen Konzepts der Nachhaltigkeit auf ökonomische Verteilung haben neoliberale Ideolog*innen einen angeblichen Verteilungskampf der Generationen inszeniert. Mit der Demografielüge, die Produktivitätsfortschritte ebenso ausblendet wie die Renditeansprüche der Kapitalbesitzer*innen, lenkt dieser Diskurs von der schlichten Wahrheit ab, dass auskömmliche Renten für alle auch 2040 bezahlbar sind, wenn Kapitalprofite angemessen daran beteiligt werden.

Matthias W. Birkwald ist Linker Abgeordneter

Dieter Janecek

Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt! Dieser Leitspruch bringt das klassische grüne Verständnis von Generationengerechtigkeit auf den Punkt. Die Frage nach Gerechtigkeit ist seit Platon vielleicht die zentrale politische Frage. Ich will jetzt nicht mit Gerechtigkeit argumentieren – Egoismus als Motiv reicht mir: Klimaschutz heute ist deutlich billiger, als in 30 Jahren die Folgen des Klimawandels zu bekämpfen. Ökonomisch ist es vernünftig, wenn wir die Meere nicht leer fischen, den Stickstoffhaushalt der Erde nicht durcheinanderwirbeln. Ganz eigennützig gesprochen: ich selbst will in 40, 50 Jahren noch einen Planeten vorfinden, dessen Tragfähigkeitsgrenzen wir nicht komplett überreizt, dessen Ressourcen wir nicht aufgebraucht haben. Wenn wir ökonomisch sinnvoll mit den natürlichen Grenzen der Erde umgehen, dann handeln wir im Ergebnis generationengerecht – egal ob unser Handlungsmotiv Egoismus oder das Streben nach Gerechtigkeit ist.

Dieter Janecek ist grüner Bundestagsabgeordneter

Ursula Engelen-Kefer

Es klingt einfach: Amtlichen Schätzungen zufolge wird die Zahl der Erwerbstätigen bis 2025 um 6.5 Mio schrumpfen. Wirtschaft und Politik warnen lautstark vor den Einbussen an Wirtschaftswachstum von bis zu 1 Prozent. Bei besserer Nutzung der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer könnten bis zu 1,2 Mio. zusätzliche Arbeitskräfte gewonnen und im Team mit den Jüngeren Qualifikationen erhalten werden. Für Arbeitgeber_innen und Arbeitnehmer_innen sowie Ältere und Jüngere eine „Win Win“ Situation. Nur leider sieht die Realität trotz aller medialen Propaganda über den Fachkräftemangel anders aus. Zwar hat sich die Beschäftigung Älterer spürbar erhöht, allerdings hat auch ihre prekäre Beschäftigung in Minijobs und Befristung zugenommen. Trotz erheblichem Rückgang der Arbeitslosigkeit insgesamt nimmt die Zahl der arbeitslosen Älteren weiter zu mit der bitteren Folge von Langzeitarbeitslosigkeit, Hartz IV und später Armutsrenten.

Unabdingbar ist ein erneuter Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik. Die gesetzlich weit geöffneten Scheunentore für prekäre Beschäftigung müssen durch Reregulierung wieder geschlossen werden. Bei allen gesellschaftlichen Gruppen – vor allem aber in der Wirtschaft selbst – muss in den Köpfen und in der praktischen Personalpolitik eine Abkehr von der Jahrzehnte erfolgten Frühverrentung stattfinden: Ältere sind nicht weniger, sondern anders leistungsfähig. An Stelle ihrer Defizite, sind die Stärken zu entwickeln. Arbeitsmarktförderung, insbesondere durch lebenslanges Lernen, muss ohne Altersgrenze erfolgen.

Ursula Engelen-Kefer war stellvertretende Bundesvorsitzende des DGB

Links:

  1. http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP16/84/8463.html
  2. http://daszukunftsmanifest.wordpress.com/about/