Verstärker emanzipatorischer Ideen

Über das Konzept offener Politik- und Projektbüros

Jule Nagel

Den Kopierer nutzen? Ins Internet gehen? Einen Raum für ein Bündnistreffen gegen TTIP reservieren? Support bei der Anmeldung einer Demo für eine ökologische Energiewende bekommen? Eine Petition für einen Winterabschiebestopp initiieren? Pressearbeit für eine Initiative von Geflüchteten machen? Sozialberatung und Rechtshilfe? Sich gegen Entmietung wehren und organisieren? ... die Palette dessen, was Menschen ins linXXnet führt ist breit. In den fünfzehn Jahren ihrer Existenz ist sie immer bunter geworden. Das linXXnet ist inzwischen ein etablierter (Stadtteil)Laden, ein Akteur im politischen Geschehen der Stadt und darüber hinaus Quelle emanzipatorischer Projekte und Ideen. Hier wird über das Grundeinkommen diskutiert und die Inbesitznahme von Brachflächen für gemeinnützige Projekte supportet. Hier erdachte kreative Wahlkampf-Ideen entfalten sich im gesamten Freistaat wie philosophische Debatten Eingang in Partei-Grundsatzdokumente finden.

Ende der 1990er Jahre haben verschiedene AkteurInnen aus der damaligen PDS das linXXnet als Prototyp seiner Art ins Leben gerufen. Ein offenes Büro sollte es sein, mit Schaufensterscheiben und offener Tür, finanziert aus Mitteln, die mit einem bzw. mehreren Parlamentssitzen verbunden sind. Ein Raum, der demokratische Kultur atmet und das Verständnis von Partei als geschlossenem, exklusivem Raum überwindet. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu stand für den noch heute gültigen Gründungsanspruch Pate, „die Vielfalt und Verschiedenheit der Bewegungen“ nicht zu „annektieren oder monopolisieren, sondern [zu] vereinen und [zu] integrieren“.

Links und nett - das Leipziger linxxnet

Das linXXnet ist Verstärkerin und Initiatorin für Basisprojekte und -prozesse, ob innerhalb oder außerhalb der LINKEN. Es verknüpft Bewegungen mit Parteistrukturen, ohne aufzusaugen oder vereinnahmen zu wollen. Eine Ermöglichungshaltung, praktische Unterstützung durch Ressourcen-Umverteilung, aber auch das kollektive Spinnen von Ideen und konstruktiver Meinungsstreit sind die Pfeiler, auf denen Theorie und Praxis des Projektes aufbauen. Parteibuch oder nicht, spielt für Kooperation oder Mittun keine Rolle. Die einende Klammer ist es Räume für emanzipatorische Politik zu erweitern und damit im Kleinen an der Transformation der kapitalistischen Gesellschaft hin zu einer der Freien und Gleichen mitzutun.

Diese Philosophie ist nur authentisch, wenn auch die inneren Organisationsstrukturen sie atmen. In diesem Sinne erprobt das linXXnet auch in seinem Kern flache Hierarchien. Nicht die Abgeordneten, die das Projekt finanzieren, haben das Sagen, oder gar „die Partei“, sondern die Menschen, die es nutzen und mit Leben erfüllen.
Dieses Verständnis kollektiver physischer und ideeller Räume ist in der Partei DIE LINKE keine Selbstverständlichkeit. Vielmehr wird all zu oft davon ausgegangen, dass die Partei Dreh- und Angelpunkt politischen Handelns ist. Hinzu kommen Skepsis vor „dahergelaufenen“ politischen AkteurInnen ohne Rechtsform und festgefahrene Organisationsstrukturen. Die Konsequenz: Kooperation auf Augenhöhe und damit auch das Nutzbar-Machen von Ressourcen von Partei und Abgeordneten für übergreifende emanzipatorische politische Ansätze wird verhindert.

Der Erfolg des linXXnet zeigt: Wir brauchen einen Mentalitätswechsel! Die Partei ist und bleibt kein Selbstzweck, sondern einer von vielen TransformationsakteurInnen. Einer, der mit Privilegien, wie öffentlichem Gewicht, Ressourcen und organisatorischen Strukturen ausgestattet ist, von denen kleine Initiativen oder Einzelne nur träumen können.
Es muss darum gehen genau jene Potentiale der Partei für emanzipatorische Basisbewegungen nutzbar zu machen und damit auch die eigene gesellschaftliche Verankerung zu stärken, um dem bestehenden inhumanen Verhältnissen ein vielfältiges und lautes Nein entgegenzuschmettern.

Die Öffnung der eigenen Strukturen, seien es nun Büros, konkrete Projekte oder auch Listen zu Wahlen ist in einer Zeit, in der Parteien immer mehr an gesellschaftlicher Bindungskraft verlieren, nicht nur dringend geboten, sondern existentiell. In einer Zeit, in der rassistische Mobilisierungen, der Ausverkauf des Öffentlichen und die Vermarktung des Selbst ganz oben auf der Tagesordnung stehen, gilt es die Artikulation und Selbstorganisation von Betroffenen und die Potentiale von visionären gesellschaftlichen Ansätzen zu stärken.

In diesem Sinne: Lasst uns Verstärker vielfältiger emanzipatorischer Ideen sein! Let´s make more linXXnet!

Jule Nagel ist seit 1999 im linXXnet[1] aktiv. Seit letztem Jahr ist sie Landtagsabgeordnete und trotz gelgentlichem Parlamentsoverkills in vielen Strukturen außerparlamentarisch aktiv.

Links:

  1. http://www.linxxnet.de