House of Cards, Veep, Borgen

Was kann man von den neuen Polit-Serien lernen?

Kolja Möller

Die Berufspolitik ist zum Gegenstand von Fernsehserien geworden. Und das nicht in Form kitschiger Filme über den US Präsidenten oder über seine Ermordung. Die neuen Polit-Serien wie „House of Cards“, „Borgen – gefährliche Seilschaften“ und „Veep“ erschließen die Spielregeln der Berufspolitik. Sie bereiten die untergründigen Machttechniken auf, die der Öffentlichkeit kaum zugänglich sind. Dabei könnten die Ausgangspunkte kaum unterschiedlicher sein: In „House of Cards“ geht es um Frank Underwood, der von Kevin Spacey gespielt wird. Als „Whip“ muss er die Fraktion zusammenhalten. Der Präsidenten ernennt ihn nicht, wie er eigentlich erwartet hatte, zum Außenminister. Diese Demütigung löst Underwoods Rachefeldzug aus. Er inszeniert Presseskandale und eliminiert seine Konkurrenten.

In der europäischen Polit-Serie „Borgen – Gefährliche Seilschaften“ muss sich die Premierministerin Birgitte Nyborg dagegen anderen Herausforderungen stellen. Das dänische Verhältniswahlsystem schafft natürlich ein gänzlich anderes politisches Umfeld als der US-Kongress. Nyborg steht vor der Herausforderung eine Koalitionsregierung zusammenzubasteln. Als Zentrumspolitikerin muss sie immer wieder Mut und Erneuerung ausstrahlen. Außerdem hat sie Kinder und kämpft darum Beruf und Familie zu vereinbaren. Wie weit der politische Betrieb von der bewussten Strategiebildung entfernt, wie viel Dilettantismus und Tollpatschigkeit am Werk sind, steht im Mittelpunkt der comedyartigen Serie „Veep“. Sie schildert das Schicksal der amerikanischen Vizepräsidentin, die von inkompetenten Mitarbeitern umgeben und selbst einfach blöd ist. Sie hält auf Schweineschlachtfesten honorige Rede. Und scheitert selbst daran, da ihre Redenschreiber_innen immer wieder deplatzierte Witze in ihre Vorlagen aufnehmen.

Echter Gouverneur und falscher Congressman: O’Malley, damaliger Gouverneur von Maryland am Set von House of Cards. Im Hintergrund: Kevin Spacey

Auf den ersten Blick erfüllen einen diese Sendungen auch mit Widerwillen. Das Politische wird oft hässlich gezeichnet. Keine normativen Überschüsse, nur der Kampf um die Macht. Underwood verliert in den ersten zwei Staffeln von House of Cards kein einziges Wort zu seinen politischen Zielen. Sein Feldzug wird durch verletztes Geltungsbedürfnis in Gang gesetzt. Die Vizepräsidentin in Veep ist auch vollkommen beliebig. Die wohl lustigste Szene ist eine Wahlkampfveranstaltung, wo sie die versammelten Bürger dazu bewegt, sich in zwei Gruppen aufzuteilen: Während die eine Gruppe erst laut „Frei“ ruft, singen die anderen laut im Chor „-heit“. Nach einigem Hin- und Her dieser Chorgesänge reist die Veep zum nächsten Termin. Birgitte Nyborg bringt da schon mehr ins Spiel. Sie setzt sich in einer Folge sogar für die Rechte von Prostituierten ein. Offenbar ist das Verhältniswahlrecht besser als das Mehrheitswahlrecht geeignet, politische Inhalte zur Geltung zu bringen.

Aber gerade in diesem Fokus auf die Machttechniken, die kleinen Demütigungen und die spielerische Freude am Machtkampf, zeigen uns diese Serien etwas, das keine politikwissenschaftliche Forschung bisher vernünftig ausleuchten kann: Die „arcana imperii“, die Techniken der Politik, die in Parteien und Bewegungen oft nur durch Nachahmung weitergegeben werden und nirgendwo verschriftlicht stehen. Im Gegensatz zum Recht oder zur Verwaltung existiert gerade in der Politik oft keine Kultur der Verschriftlichung, von Lehrbüchern ganz zu schweigen.

Nichts geht ohne arcana imperii: Man muss schließlich auch wissen, wie man einen Medienskandal initiiert, wie man Konkurrenten beschädigt und man muss wissen, was man tut, wenn man selbst zum Opfer einer Kampagne wird. Man muss spüren, wie man den Raum mitnimmt, was den Leuten gerade gefällt und was nicht. Und die Serien zeigen, dass die Antriebe für politisches Handeln oft nicht vollkommen rationaler Natur oder nur auf große normative Ziele ausgerichtet sind. Die Freude an vermachteter Politik besteht auch in der Freude am Spiel. Der homo politicus ist auch immer homo ludens. Es ist die andere, sympathische Seite, der oft – gerade von links – gegeißelten „Machtpolitik“.

In diesem Sinne ist es möglich diesen Serien sogar etwas Emanzipatorisches abzugewinnen, da sie zu einer Selbstaufklärung des Politischen beitragen. Denn das ist ja auch gerade die Herausforderung (man denke nur an die Situation in Europa). Um die Machtfrage nicht nur zu stellen, sondern auch beantworten zu können, muss man nicht so werden wie Frank Underwood. Als Lehrstück, nicht als Kopiervorlage, sollte man trotzdem an ihm geschult sein. Und am besten ist es, Veep direkt nach House of Cards anzuschauen, also von der Tragödie der Politik, die zeigt, wie sich eitle Männer bekriegen, direkt zur Komödie überzugehen. Hier freut man sich nicht mehr darüber, dass politische Strategien aufgehen, sondern man lacht über ihr ständiges Scheitern.

Ist es denn wirklich so? Wird hier ein realistisches Bild gezeichnet? Dies ist eine Frage, die sich zwangsläufig aufdrängt. So faszinierend House of Cards und Kevin Spaceys schauspielerische Leistung sein mögen, Veep zeichnet das realistischere Bild der Politik im politischen System. Kein Plan geht auf, ständig bekleckern sich alle den Pullover mit Kaffee, man kann gar nicht viel entscheiden, von Strategie ganz zu schweigen – und trotzdem funktioniert es am Ende irgendwie: muddling through.

Kolja Möller ist Redakteur des prager frühling und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Exzellenzcluster „Normative Orders“ der Goethe-Universität Frankfurt.