Was vom Strafrecht übrig bleiben sollte

Ein schnelles Plädoyer, das aber ganz ernst gemeint ist

Lore Crack
Ordnungshüter bei Ordnungswidrigkeit

Das Strafrecht ist ein mieses Ding, das je nach gesellschaftlicher Vorliebe Verhalten als sanktionswürdig beschreibt. Dabei beschränkt es sich nicht auf fremdschädigende Taten. Ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz wird genauso pönalisiert wie die Anstiftung zu einem schlussendlich nicht begangenen Verbrechen. Auf die Spitze hat es der in den 1990er Jahren gestrichene § 175 StGB getrieben, der schwule Männer mit Strafe bedroht hatte.

Darüber hinaus gibt es Straftatbestände, die nicht jede_r erfüllen kann. Ein illegaler Schwangerschaftsabbruch setzt die Fähigkeit, Kinder zu gebären voraus. Das Ausländerstrafrecht ist für die meisten bereits deshalb uninteressant, weil sie strukturell den Tatbestand nicht erfüllen können.

Grob möchte ich die Strafnormen in folgende Gruppen unterteilen:

  1. Straftaten gegen den Staat: Das sind beispielsweise Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Falschaussagen vor Gericht, Sozialbetrug oder eben das, was unter Ausländerstrafrecht läuft.
  2. Selbstschädigung: Hier gibt es kein besseres Beispiel als unter Strafe gestellten Drogenkonsum.
  3. Politisches Strafrecht: Die Bildung einer terroristischen Vereinigung kommt wohl den meisten als erstes in den Sinn, nach der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole.
  4. Fremdschädigung: Hier ist zwischen Vermögensdelikten wie Diebstahl oder Betrug und der Verletzung von Leben und Gesundheit zu unterscheiden.

Von mir aus kann man sämtliche Straftaten bis zu einem gewissen Grad des Eingriffs in die Integrität eines anderen Menschen ersatzlos aus dem Strafkatalog streichen. All dies, vor allem die Fälle, in denen eine andere Person (und nicht der Staat) geschädigt worden ist, kann man meines Erachtens zivilrechtlich deutlich interessenswahrender lösen.

Bei Vermögensdelikten leuchtet dieser Zugang besonders leicht ein: Wenn eine Person einer anderen Person etwas wegnimmt, soll sie es zurückgeben oder, wenn das nicht mehr möglich ist, den Wert der Sache ersetzen. Natürlich setzt dies voraus, dass die geschädigte Person nicht das Prozessrisiko zu tragen hat und ihre Aufwendungen zu erstatten sind. Außerdem muss vom Beibringungsgrundsatz abgewichen werden oder zumindest eine zivilrechtliche Staatsanwaltschaft die Interessen der geschädigten Person vertreten.

Vielen strafrechtlichen Verurteilungen folgen bereits jetzt Verfahren vor den Zivilgerichten, in denen die Geschädigten von den Täter_innen einen Ausgleich in Geld für den erlitten Schaden begehren. Oder die Geschädigten machen von der Möglichkeit Gebrauch, bereits im Strafprozess ihre Schadensersatzansprüche anzumelden und mit der strafrechtlichen Verurteilung einen Geldbetrag zugesprochen zu bekommen. In diesen Fällen tragen die Geschädigten nicht das Prozessrisiko und können einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch im Strafverfahren durchsetzen. An diesem Gedanken orientiert sich mein Vorschlag. (Neben den Ansprüchen gegen den_die Täter_in sollten Ansprüche gegen den Staat nach dem Opferentschädigungsgesetz bestehen bleiben.)

Das politische Strafrecht möchte ich ersatzlos streichen. Einer Demokratie steht es nicht gut zu Gesicht, politische Differenzen repressiv zu lösen. Und auch die Straftatbestände, die konformes Handeln zugunsten des Staates sicherstellen sollen, sind entbehrlich. Macht jemand eine falsche Aussage, ist sie nicht verwertbar. Kassiert jemand Sozialleistungen, die ihm_ihr ganz und gar nicht zustehen, muss er_sie sie zurückzahlen. Man sieht, ich traue der vermeintlichen Generalprävention durch Strafnormen keinen Meter. Dafür habe ich schon zu viele Straftäter_innen gesehen.

Ist doch Scheiße: Verunreinigung des Gehwegs sowie Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole in einem

Um Drogenkonsum zu vermeiden, ist eine solide Aufklärungsarbeit nützlicher als jede Kriminalisierung. Eine Politik, die– vollkommen zu recht – den Schutz der Konsument_innen zum obersten Gebot erklärt, muss Verbraucher_innenschutz groß schreiben.

Einzig bei Gewaltdelikten, die eine gewisse Intensität in Qualität und Quantität überschritten haben, möchte ich im Sinne einer negativen Spezialprävention auf eine Bestrafung setzen. Das heißt: Vor einer Person, die wiederholt und/oder mit besonderer Brutalität andere Menschen verletzt (hierzu zähle ich Vergewaltigungen und sexuelle Nötigungen), sind andere zu schützen. Dies ist in vielen Fällen alleine über eine Freiheitsstrafe möglich. Dabei sollte der offene Vollzug den Regelvollzug darstellen und die Haftstrafe darauf ausgerichtet sein, die Täter_innen begleitet mit ihrem Handeln zu konfrontieren, auf dass sie lernen, fremdschädigenden Bedürfnissen zu widerstehen.

Der Juristin Lore Crack wurde jüngst das Portemonnaie geklaut. Da spürte sie kurz das Bedürfnis nach Rache. Nachdem das Portemonnaie samt aller wichtigen Dokumente wieder aufgetaucht war, hat sie sich für eine friedliche Koexistenz mit dem_der Diebin entschieden. Mögen ihre Euro gut am Kotti angelegt worden sein.

Eine der beliebtesten Straftaten: Verstoß gegens BTMG