16.04.2016

Bernie makes it easy

Blog zu den Primaries in New York zwischen Bernie Sanders und Hillary Clinton

Judtih Kainer und Thomas Lohmeier

Nach Jahrzehnten politischer Festgefahrheit tut sich etwas. Die politische Eilte - ob in den USA oder in vielen europäischen Ländern - verliert an Unterstützung. Sowohl in den USA als auch in Europa formieren sich Protestbewegungen und Parteiformationen gegen die Austeritätspolitik: Podemos, Syriza oder der Wechsel an der Spitze der Labor-Party in Großbritannien erzählen auf dem alten Kontinent von der Geschichte, an der auch Bernie Sanders schreibt. Vor diesem Hintergrund bloggen wir in den nächsten Tagen über die Primaries in New York zwischen Bernie Sanders und Hillary Clinton.

Die Aktivist*innen der Working Families Party (WFP) rechnen nicht wirklich damit, dass Bernie die Primaries in New York gewinnen kann. Ein Rückstand in den meisten Umfragen von über 10% ist in wenigen Tagen auch kaum aufzuholen. Dabei muss er New York am kommenden Dienstag gewinnen, soll die sowieso nur theoretische Chance zur Nominierung der Präsidentschaft bestehen bleiben.

Albert Scharenberg vom New Yorker Büro der Stiftung der Rosa-Luxemburg-Stiftung erklärt bei unserem Besuch recht nüchtern, warum Bernie nach seiner Einschätzung gegen Hillary kaum gewinnen könne: Die Primaries in New York seien geschlossen, nur Voter, die sich bis Mitte März haben registrieren lassen, dürfen abstimmen -  und dies seien in der Regel langjährige Mitglieder der Demokratischen Partei und Funktionär*innen, die hinter Hillary stehen. Die Dynamik der Bernie-Kampagne kommt also zu spät.

Aber die vagen Erfolgsaussichten drückt die Stimmung bei seinen Unterstützer*innen nicht. Sie wissen, dass sie Teil einer Bewegung sind, die voraussichtlich nach den Vorwahlen in den USA den Grundstein für eine neue politische Formation bilden wird. So zumindest ihre große Hoffnung. Jeder neu gewonne Volunteer, jede Wählerin, jede Sekunde öffentliche Aufmerksamkeit der Kampagne stärkt diese Bewegung und die Aussicht, nach den Wahlen in den USA einen neuen progressiven Akteur zu konstituieren.

Und es ist beeindruckend, was die Aktivist*innen der WFP auf die Beine stellen. 25 Facebookseiten mit jeweils bis zu zehn Posts am Tage werden hier betreut - für jede Zielgruppe ist da etwas dabei. Dass in Deutschland noch wenig angewendete Canvassing (Haustür-Besuche) und Phone-Banking (Telefonanrufe) werden hier für New York ebenso koordiniert. Georges Aufgabe ist es, die Freiwilligen zu koordinieren. Ob das schwer sei? “No, Bernie makes it easy” und dann berichtet George über ein Canvas-Training in Brooklyn mit rund 150 Teilnehmer*innen.

Der wohl weltweit in linken Kreisen bekannte Hash-Tag #feelthebern wurde zwar hier nicht erfunden. Aber die Social-Media-Managerin Moumita [1]war zumindest in der Unterstützer-Gruppe, die ihn sich hat einfallen lassen. Spricht man mit ihr, springt sie nicht nur schnell von einer zur anderen der 25 Facebook-Seiten (u. a. “The People For Bernie Sanders 2016” mit über einer halben Million Followern oder Millennials for Bernie Sanders 2016 mit 18.000 Followern) oder Twitter und Instagram-Accounts sondern auch zu Tools, von denen die Autor*innen dieser Zeilen bis dahin noch nie etwas hörten. Zum Glück gibt es eine Übersicht auf http://www.bernkit.com[2].

Dabei sind sie, die Aktivist*innen der WFP nur ein kleiner Ausschnitt der Kampagne, die Bernie trägt. Es ist eine bunte Koalition aus Gewerkschaften, der WFP und Grassroots-Movements, die sich hier in New York hinter den Kandidaten stellen, der für US-amerikanische Verhältnisse die Chuzpe besitzt, sich nicht nur selbst als demokratischen Sozialisten zu bezeichnen sondern auch noch ernsthaft bestrebt ist, die Nominierung der Demokraten für das Präsidentenamt zu gewinnen. Dass er das will, daran lässt er keinen Zweifel.

Und das ist Teil seiner Strategie. Er will die Mächtigen - Bernie würde wohl von “Billionaires” sprechen - ernsthaft herausfordern. Dies geht aber nur, wenn er nicht nur glaubwürdig seine Inhalte vertritt, sondern auch glaubwürdig die Machtfrage stellt. Beides macht der Senator aus Vermount. Bei der Fernseh-Debatte zwischen Sanders und  Clinton fokussierte er sich zudem auf eine klare Strategie. Die “Middle Class” gegen die “Billionaires”. Das ist sein Framing. Und aus Kampagnensicht überzeugt dies: Die Super-Reichen werden zum Problem erklärt - und ein überzeugendes Feindbild ist immer noch der Schlüssel für jede gute Kampagne. Auffällig allerdings war, dass er so gut wie nicht von den Armen oder den Erwerbslosen sprach. Auch dies scheint Strategie; wenn es nur zwei gesellschaftliche Großgruppen in der Erzählung gibt, Mittelklasse und Super-Reiche, wird der ersteren, die ja sich ja auch gerne mal noch oben hin orientiert, gedanklich keine Möglichkeit gegeben, sich nach unten abzugrenzen. Damit ist das Bündnis im Framing konstiuiert, dass er real schaffen will und wir in Deutschland wohl etwas sperrig “Mitte-Unten-Bündnis” nennen würden.

Und Bernie weiß zu überzeugen. Beim Public Viewing am Donnerstag Abend in einer Bar im hippen Brooklyn, zog er das zunächst etwas teilnahmslos wirkende Publikum in seinen Bann. Gegen Ende war die Stimmung in der Bar wie in Liverpooler Pubs nur wenigen Stunden zuvor. Ähnlich wie beim Spiel des Football-Club aus der englischen Hafenstadt merkte das Publikum, dass Bernie auch in einer scheinbar aussichtslosen Situation nicht gewillt ist aufzugeben. Bernies Funke der Hoffnung spang über, wie die Leidenschaft der Fußballspieler auf die Fans auf der Kop.

Judith Kainer und Thomas Lohmeier halten sich gerade in New York auf und bloggen bis zur Wahl am Dienstag regelmäßig für den prager frühling.

Links:

  1. http://www.jetzt.de/us-wahlkampf/bernie-sanders-millenials-for-bernie
  2. http://www.bernkit.com/