17.04.2016

5:1 für Bernie

Über Door-Knocking und was nach der Wahl kommen könnte.

Judith Kainer und Thomas Lohmeier

Punktsieg für Bernie. Fünf klare Bekenntnisse für ihn, nur eines für Hillary bei den registrierten Wähler*innen im Süden Brooklyns. Ein überzeugendes Ergebnis - nur ist es leider nicht repräsentativ. Canvassing oder door-knocking, so werden die Haustür-Besuche genannt, ist selbst oder besonders bei den ersten frühlingshaften Temperaturen ein mühseliges Unterfangen. In der Regel werden die potentiellen Wähler*innen nicht angetroffen. Samstagnachmittag ist vielleicht auch nicht die perfekte Zeit dafür. Aber diejenigen, die angetroffen werden, reagieren ausgesprochen freundlich.

Eine kurze Vorstellung, eine Erinnerung an die Vorwahlen am Dienstag, der Hinweis auf das Wahllokal und die Frage, ob man schon weiß, wen man wählen wird - daraus besteht das Mobilisierungsgespräch. Anschließend wird alles genau notiert. Von "Strong Bernie” bis "Strong Hillary” gibt es insgesamt fünf verschiedene Abstufungen der Wähler*innen-Neigung. Und diejenigen, bei denen "Strong Bernie" oder "Lead Bernie” angekreuzt wird, werden am Dienstag gemeinsam mit den Unentschlossenen nochmals aufgesucht oder im Rahmen einer Telefonaktion angerufen.

Beim Canvassing wird nichts dem Zufall überlassen. Listen mit  Namen, Alter, Geschlecht und Adresse werden gereicht, Routen vorgegeben. Asher erläutert, wie vorzugehen ist. ,,Sagt ihnen, warum ihr Bernie unterstützt.” Er motiviert die Aktivist*innen, ihre persönlichen Gründe zu nennen. Das sei am glaubwürdigsten. Und wenn wir in die Wohnung gebeten werden sollten, dann können wir ruhig herein gehen und Fragen beantworten. „Aber bleibt nicht zu lange, denkt daran, wir wollen viele ansprechen.” Der wichtigste Hinweis: „Egal wie rüde man euch behandeln mag - seid freundlich und lächelt.“

Auch wenn Asher alles im Blick hat, die Laufzettel, Antwortbögen, Schilder und die Türhänger verteilt, ist der Star der Runde Chris. Sie schaffte es am Wochenende als Wahlkämpferin in einen Bericht über den Wahlkampf der Working Families Party[1] mit einem Bild in die New York Times.

Die Motivation für diese eher anstrengende Form des Wahlkampfes konnte man wenige Stunden zuvor aus einem Besuch bei einer Unterstützungskundgebung für Bernie ziehen. Schätzungsweise 2.000 Menschen versammelten sich in der Nähe der City Hall in Manhattan. Die Gewerkschaft der Krankenpfleger*innen und von sozialen Bewegungen pushten die Stimmung. Der linke und alternative Teiil der Koalition, die die Bernie-Kampagne trägt, war hier sichtbar. Und ähnlich wie beim Public Viewing war auch hier eine besondere Stimmung: Eine Stimmung die vielleicht nur entsteht, wenn Menschen merkten, dass sie Teil einer Bewegung sind, die die Chance hat, Geschichte zu schreiben. Viele der Anwesenden haben sich zum ersten Mal in ihrem Leben politisiert. Sagt eine Rednerin zumindst - auch wenn für unklar bleibt, ob es stimmt und Teil der PR-Strategie ist.

Was das besondere der Geschichte ausmacht hat erläutert Dan Cantor, National Director der WFP und früherer Gewerkschafts-Organiser sowie Koordinator für Reverend Jesse Jacksons Präsidentschaftskandidatur. Es ist die Chance - unabhängig von einem unwahrscheinlichen Gewinn Bernies - eine neue politische Formation zu schaffen. Ein politisches Bündnis, das innerhalb und außerhalb der Demokratischen Partei die progressiven Kräfte bündelt und zu einem ernsthaften Akteur werden lässt. Denn die vorrangigen Ziele – die Reichen und Superreichen gerecht zu besteuern, und vor allem gegen den allgegenwärtigen Lobbyismus und die Korruptheit des kapitalistischen Systems vorzugehen – hat auf einmal eine breite gesellschaftliche Unterstützung erfahren. „Was wir hier geschaffen haben, wird nach der Wahl nicht verschwinden. Die Krise des Kapitalismus ist auch ihre" [Anm.  der finanzpolitischen Kaste]. So wurden zum Beispiel 50% der Wahlkampfgelder von 148 Familien gestiftet. Sogar nicht-politisierte Schichten der USA nennen das gegenwärtige politische System derzeit eine Oligarchie.

Links:

  1. http://www.nytimes.com/2016/04/16/nyregion/in-sanders-working-families-party-sees-a-dream-it-cant-vote-for-on-tuesday.html?_r=0