24.08.2008

Unfrieds „ÖKO“-Elite

Interview mit dem stellv. Chefredakteur der taz

Alexander Wallasch
Peter Unfried

Alexander Wallasch: In deinem Buch „ÖKO“ beschreibst Du individuelle Lebensumstände, die dich veranlassten Dein Leben zu „ökologisieren“. Wann erscheint „LINKS“, das Buch über einen Abschnitt Deines Lebens, der beschreibt wie Du politisiert wurdest?

Alexander Wallasch

Peter Unfried: Darum geht es mir nicht. Es geht darum, dass in Deutschland die Elite und auch Teile der gehobenen Mittelschicht eine ökologische und damit soziale Komponente bisher nicht in ihr Verständnis von Bürgerlichkeit und ihren Lebensstil integriert haben. Trotz der imminenten Gefahr einer Klimakatastrophe. Und deshalb brauchen wir eine neue Elite.

AW: Ist ein „Öko“ auch ein „Linker“? Wo sind die Schnittmengen?

Unfried: Nicht jeder Öko ist ein Linker. Das ist gut: Wir brauchen auch die anderen. Was mich aber nachhaltig irritiert: Dass viele Linke keine Ökos sind.

AW: Du sprichst von „neuen Ökos“. Wo ist die neue Linke?

Unfried: Jedenfalls nicht in der SPD.

AW: DIE LINKE bewegt. Links sein ist in. Was hat die taz davon? Spürt man das inhaltlich und/ oder in den Verkaufszahlen?

Unried: Die taz hat seit Mitte der 80er Jahre eine stabile verkaufte Auflage von etwa 60.000 Exemplaren und eine Leserschaft von etwa 200.000. Und zwar unabhängig von der Frage, ob links gerade angeblich "in" ist oder nicht. Tatsächlich zeigen unsere Leseranalysen aber etwas sehr Interessantes. Dass nämlich der Anteil der Linkspartei-Wähler unter unseren Lesern stark gestiegen ist. Die Gewinne gehen zu Lasten der Grünen. Da das Gros unserer Leser im Westen lebt, findet dort offensichtlich eine Wählerwanderung statt.

AW: Wie geht Ihr diese „neue“ Zielgruppe an?

Unfried: Die taz muss immer dort präsent und stark sein, wo etwas Neues passiert. Und das ist in der Parteipolitik eindeutig die Linke. Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass unsere Berichterstattung über die Linkspartei vereinzelt, aber dafür umso heftiger kritisiert wird. Ich halte die Kritik nur für bedingt gerechtfertigt. Wir wollen die Entwicklung journalistisch begleiten: Weder mit Euphorie, noch mit Häme, sondern mit Neugier, ergebnisoffen und ohne Vorurteile.

AW: Kurz beantwortet: was unterscheidet die taz heute von der vor 10 und der 20 Jahren?

Unfried: Im April 2009 wird die taz 30. Ich würde die Geschichte in drei Phasen unterteilen. Die "Aufregungs"-taz von 1979 bis Mitte 90er, als man politische Bewegungen und antibürgerliche Milieus repräsentierte und manche Redakteure ideologisch dachten und schrieben. Dann kam bis etwa 2005 die Post-Aufregungs-taz - es war das Jahrzehnt der Professonalisierung mit und aufgrund der rot-grünen Regierung. Nun sind wir in der dritten Phase und endlich eine postideologische und damit wieder die modernste und lebendigste deutsche Qualitätszeitung. Unsere Leser kämpfen nicht mehr am Bauzaun eines AKW, sondern viele sind Elternsprecher, in Verbänden engagiert oder haben selbst ein eigenes Non-Profit-Unternehmen am Start. Um gut leben zu können, das Soziale, die Umwelt und die globale Ungerechtigkeit eben nicht ausblenden, sondern in einen modernen, bürgerlichen Lebensstil integrieren - wie kriegen wir das zusammen hin? Das ist eine spannende Frage.

AW: Hand auf die linke Seite: Was ist Dein größter Erfolg als Mitarbeiter der taz?

Unfried: Dass die taz den Anstoß gegeben hat, dass Berlin und Deutschland jetzt eine Rudi-Dutschke-Straße haben - durch einen Bürgerentscheid. Und obwohl sich der Axel-Springer-Verlag gegen diesen Bürgerwillen gestellt hat.

AW: Was Dein größter Misserfolg?

Unfried: Die politisch-korrekte Initiative "Harry Klein muss neuer Derrick werden" sollte den ewigen ZDF-Krimi-Assistenten in der Serie "Derrick" nach vielen Jahrzehnten als Wagenvorfahrer zum Nachfolger des Chefs machen. Es gelang nicht.

Zum Autor:

Alexander Wallasch sprach mit dem stellv. Chefredakteur der Beriner tageszeitung[1] (taz), Peter Unfried, über dessen „ÖKO“-Coming-Out. Wallasch wartet gespannt darauf, welche gesellschaftlichen Veränderungen es noch braucht, bis Unfried nach seinem ökologischen ein linkes „Coming-Out“ zum Bestseller macht.

Links:

  1. http://www.taz.de/