Hauptsache gemeinsam

Junge Linke gründen die Young European Left

Julius Zukowski-Krebs

Die Welt ist aus den Fugen geraten. Für die Generation Y wird es immer schwieriger in der deutschen Gesellschaft. Schlecht bezahlte Praktika, befristete Jobs, Stress in Schule und Studium sind hier die Stichwörter. Viele unserer Gleichaltrigen in anderen Teilen Europas haben es allerdings deutlich schwerer. Der neoliberale Umbau der europäischen Länder und die Deregulierung der Arbeitsmärkte zwangen Millionen von jungen Menschen in unsichere Lebens- und Arbeitsverhältnisse. Young European Left[1], das im Sommer gegründete Netzwerk linker Jugendverbände Europas will die verschiedenen Kämpfe und Perspektiven europäischer Jugendlicher zusammenbringen und solidarisches Handeln befördern.

Geburt einer neuen Klasse und neue Widersprüche

Die Finanzkrise der 2000er Jahre hat ihren Teil dazu beigetragen, dass Europa immer mehr zu einem Ort der Unsicherheit wird. Die neoliberale Wirtschaftspolitik, vorangetrieben von den europäischen Eliten und ihren deutschen Vorkämpfern Wolfgang Schäuble und Angela Merkel, hat den Süden Europas zu Grunde gerichtet. Ganz zu schweigen vom Osten, der zum Zeitpunkt der Krise noch den Zusammenbruch des Ostblocks und die Wilden 1990er zu verdauen hatte. Auch die sogenannten Geberländer haben die Krise mitnichten problemlos überstanden. All das kreierte ein ganz neue noch nicht da gewesene Klasse in Europa: das europäische Prekariat. Junge Menschen suchen überall in Europa ihr Glück fern ihrer Lebensmittelpunkte und der ihrer FreundInnen und Familien. Diese Erfahrung hat diese neue Klasse geprägt und als solche geformt. Das Versprechen des Wohlstandes existiert in ihrem Verständnis nicht ebenso wenig wie die Perspektive auf eine halbwegs sichere Zukunft.

Doch gleichzeitig vollzogen sich auch andere Entwicklungen. Mitten vor unseren Augen hat, befeuert durch die Krise und der aus ihr resultierenden Angst, rechtes Gedankengut und der Hass wieder seinen Weg in die europäischen Gesellschaften gefunden. In den Ländern in denen die Krise am stärksten wütete, haben nationalistische und faschistische Parteien einen immer stärkeren Zulauf bekommen. Im Osten Europas kann man die Antwort des Kleinbürgertums auf die Krise am besten studieren: Die Abstiegsangst und die Erfahrung realer sozialer Abstiege ist für große Teile des Kleinbürgertum so unerträglich, als dass sie sich noch selbst hätten die Schuld daran geben können, wie ihnen die nationalen Eliten jahrelang mit der Phrase, jeder sei seines eigenen Glückes Schmied, eingeredet haben.  Andererseits war das System zu mächtig, um real dagegen halten zu können. Sie entschieden sich für einen scheinbar einfachen Weg, um den bröckelnden Systemen der postrealsozialistischen markradikalen Oligarchien den Rücken zu kehren. Der Wunsch nach Stabilität und das Fehlen etablierter konservativer wie wirklich sozialer Kräfte, die sich mit der Macht der Oligarchen anlegen, hat beispielsweise Orban in Ungarn oder der PiS in Polen zum Aufstieg verholfen. Auch wenn im Rest Europas andere Ausgangsbedingungen vorherrschen so basierte der Erfolg der neuen Rechten auf ähnlichen Gegebenheiten.

Allerdings ist das nicht die einzige Begierde die sich in Europa geregt hat. Viele haben nicht einfache, sondern vernünftige Antworten gesucht. Solche, die in ihrem Sinne sind, solche die ihnen die Hoffnung zurückbringen. Dies war die Stunde neuer linker Bündnisse. In den USA spricht man, wenn es darum geht den richtigen Augenblick, zu nutzen vom Momentum. Dieses Momentum haben SYRIZA und Podemos für sich beansprucht, in dem sie den Kampf um Hegemonien mit den richtigen Themen aufnahmen. Der so oft verschriene linke Populismus hat die Menschen in Griechenland und Spanien mobilisiert, für den Kampf um ihre eigene Zukunft. Kein Wunder, dass gerade junge Menschen, die am wenigsten zu verlieren haben, am eifrigsten beim Aufbau dieser Bewegungen mitgewirkt haben.

Ausgangsbedingungen in den verschiedenen Regionen Europas

Die NEOLAIA SYRIZA[2], der griechischer Schwesterverband der linksjugend [`solid][3] erfuhr beispielsweise einen unglaublich starken Zulauf von Schüler*innen, Student*innen und jungen Arbeiter*innen. Diese wollten sich vorrangig in der Stadteilarbeit und den Solidaritätsnetzwerken engagieren und haben sich deshalb bei Solidarity4all und dem Roten Radio Athen gemeldet, um anderen in ihrer Not zu helfen. In diesen Tagen konnte man den Aufbruch förmlich in der Luft spüren, wenn man mit dem Genoss*innen am Syntagma Platz stand oder durch die Straßen von Exarchia ging. Ebenso war es in Spanien, wo vor allem junge Menschen sich geweigert, haben aus ihren Häusern auszuziehen und anderen dabei halfen, ihre Wohnungen zu behalten. Auch diese Erfahrung hat sie zusammengeschweißt.

Nun kämpfen sie einen neuen Kampf, den Kampf um die Hegemonien in ihren Ländern. Auch wenn sie es geschafft haben, zu einer großen Bewegung aufzusteigen um sich Gehör zu verschaffen, so liegt das schwerste Stück vor ihnen. Und ganz egal wie man zur Entwicklung der SYRIZA der letzten Jahre stehen mag, eines sollte man dennoch beachten: SYRIZA ist bereits zwei Stufen weiter, als die Diskussionen die wir in Deutschland führen. Während wir noch überlegen, welche Themen wir bei den nächsten Wahlen setzen und was wir damit erreichen können, steht SYRIZA vor der konkreten Aufgabe der Führung eines Staates. Diese möchte ich an dieser Stelle nicht bewerten sondern darauf hinweisen, dass diese Erfahrung einen großen Wert für die linke Bewegung in Europa bedeuten kann. Im positiven, wie im negativen Sinne. Deswegen ist es gerade für junge Linke wichtig, von dieser Erfahrung zu profitieren.

Doch nicht nur der Kampf der linken Parteien und Bewegungen aus dem Süden Europas ist uns wichtig sondern auch der in Mittel- und Nordeuropa. Dort hingegen lief die Entwicklung anders ab. Das Versprechen auf Wohlstand wich langsam der Realität der Austerität. Es war kein klarer Bruch wie im Süden Europas, sondern eine schleichende Verarmung ganzer Bevölkerungsschichten. Sie verlief ganz im Stillen, in den Wohnungen und Häusern, direkt nebenan. Dies machte es nicht nur für uns, sondern auch für die finnische und dänische Linke schwierig, die Abgehängten dieser Gesellschaft anzusprechen. Was aber der jungen linken Bewegung in diesen Ländern einen neuen Drive gegeben hat, war das Ankommen der Refugees. Dieses neue Projekt des Kampfes um soziale Gerechtigkeit und gegen nationalen Populismus, hat Vielen einen neuen Ansporn gegeben, in linken Organisationen aktiv zu werden. Die skandinavischen Jugendverbände, allen voran SUF (Socialistisk Ungdoms Front[4]) haben eigene Fluchtrouten organisiert und sich untereinander vernetzt, um Refugees die Möglichkeit zu eröffnen sicher nach Norwegen, Schweden und Finnland zu kommen. Dabei arbeiteten sie nicht selten mit linksjugend [´solid] zusammen.

Der Osten Europas war seit den 1990ziger Jahren ein schweres Pflaster für Linke. Es war immer schwer, in den Ex-Mitgliedsländern des Warschauer Paktes linke Partnerorganisationen zu finden. Doch in den letzten Jahren regt sich auch hier eine Bewegung der Hoffnung. In Polen schauen wir hoffnungsvoll auf Razem[5], die neue junge plurale linke Partei nach dem Vorbild Podemos', die diese Hoffnung schürt. Doch leicht wird es auch für sie nicht werden. Polen, das Land in dem der Anti-Kommunismus Staatsräson ist, ist der Kampf für eine linke Perspektive besonders schwer. Viele der jungen Menschen in Polen versuchen das Land zu verlassen, weil es ihnen entweder kulturell oder wirtschaftlich keine Zukunft bietet – im schlimmsten Fall beides. Doch einige bleiben und nehmen den Kampf gegen den erzkonservativen polnischen Nationalismus auf.

Gemeinsam auf dem Weg: Young European Left in Berlin

Gemeinsam auf den Weg machen!

All diese Kämpfe und Erfahrungen haben eines gemein. Sie schweißen zusammen. Und das Wissen, dass wir diese Kämpfe nicht alleine führen, gibt uns neue Hoffnung weiter zu machen – gemeinsam weiter zu machen. Zu diesem Zweck wurde dieses Jahr in Berlin die Young Europen Left kurz YEL gegründet. YEL ist nicht der erste Versuch, linke Jugendverbände in Europa zusammen zu bringen. In gewisser Weise ist YWL ein Nachfolgeprojekt des alten ENDYL-Netzwerks[6], das in den 1990er-Jahren von linken Jugendverbänden gegründet wurde. YEL umfasst über zehn verschiedener Jugendverbände der Mitgliedsparteien der Europäischen Linken aus ganz Europa. Das Ziel der Arbeit soll zunächst die verstärkte Vernetzung der Verbände und ihrer Erfahrungen werden. Als erster Schritt in diese Richtung wurde 2014 das internationales Sommer Camp der Linksjugend [`solid] durchgeführt. Weitere sollen folgen – nicht nur in Deutschland. Dadurch soll nicht nur ein Ort der Begegnung geschaffen werden, sondern eine Institution für junge Linke, die ein Verständnis für die Pluralität und Vielfalt der Bewegung sowie die Notwendigkeit der Solidarität erzeugt.

Mit dieser Hoffnung und dieser Perspektive wollen sie die linken Jugendverbände, die YEL gründeten, gemeinsam auf den Weg machen, Europa umzugestalten. Stück für Stück, mal in den jeweiligen Ländern, mal in Europa, aber immer gemeinsam!

 

Julius Zukowski-Krebs ist Bundessprecher bei Linksjugend ['solid] und Mitarbeiter der internationalen Kommission der Linksjugend ['solid].

 

Links:

  1. https://www.facebook.com/youngeuropeanleft/photos/a.685888754848220.1073741828.685862524850843/717553151681780/?type=3
  2. http://international.neolaiasyriza.gr/
  3. https://www.linksjugend-solid.de/
  4. http://www.ungdomsfront.dk/
  5. http://partiarazem.pl/
  6. https://de.wikipedia.org/wiki/European_Network_of_Democratic_Young_Left