Was ist neu an der Neuen Rechten

Der Mythos der Konservativen Revolution

Laszlo Strzoda

Die „Neue Rechte“ ist auf dem Vormarsch. In Polen, Ungarn und den USA ist sie bereits an der Macht, in Großbritannien und Russland daran beteiligt. Bei der Wahl zum Bundespräsidenten scheitert die FPÖ nur knapp. In Frankreich bestehen aussichtsreiche Chancen auf das höchste Amt im Land, während in Deutschland mit der AfD zum ersten Mal seit 1961 eine explizit rechte Partei in den Bundestag einziehen kann und dies wahrscheinlich auch wird. Der Rechtsruck ist nicht im Kommen, sondern schon längst da.

Anthrazit statt braun. Gestaltwandel der Rechten

Heideggern gern mal einen zusammen: Götz Kubitschek der Währgern-Intellektuelle vom IfS und Herr Tillschneider von der AfD

Der Neoliberalismus entledigt sich seines demokratischen Anstrichs und beweist einmal mehr seine Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit. Wenn die immanenten Krisen nicht intern gelöst werden können, kommt der Rückgriff auf völkisch- nationalistische und rassistische Politiken. Die Forderung nach einer Politik der starken Hand erfreut sich regelmäßig in Krisenzeiten einer recht hohen Konjunktur. Diese Lücke wusste die gesellschaftliche Rechte in den letzten siebzig Jahren nicht wirklich zu füllen. Einerseits war sie historisch diskreditiert und andererseits lag es auch am eigenen Unvermögen professionell und verbindlich aufzutreten, was vor allem mit dem Personal zusammenhing. Doch das hat sich geändert. Die Politiker und Intellektuellen der Neuen Rechten haben es in vielerlei Hinsicht geschafft, sich vom Image der nazistischen (Alten) Rechten, zu distanzieren – nicht immer in ihren Positionen, so aber doch in ihrem Auftreten. Sie sind eloquent, haben sich farblich vom klassischen braun dem Anthrazit zugewendet und haben angefangen zu lesen: Nicht irgendwen, sondern die Autoren der sogenannten Konservativen Revolution. Der Begriff taucht auch immer mal wieder in den Feuilleton- Debatten der FAZ oder in antifaschistischen Publikationen um oder über die Neue Rechte auf. Der Begriff Konservative Revolution ist allerdings mit großer Vorsicht zu genießen. Er dient als Sammelbegriff für eine Vielzahl rechter (autoritärer, esotherischer, chauvinistischer, völkischer) Theoretiker wie beispielsweise Carl Schmitt, Leo Strauss, Martin Heidegger und Literaten wie Ernst Jünger. Der Begriff war nie eine Selbstbezeichnung der genannten Autoren, sondern Erfindung eines anderen rechten Intellektuellen, namentlich Armin Mohler. Sein Ansinnen bestand vor allem darin, jene Granden des rechten Denkens aus der Verantwortung für den NS herauszuziehen, sie, man kann es nicht anders sagen, quasi komplett davon freizusprechen. Obwohl einige der Autoren der sogenannten Konservativen Revolution vom NS verfolgt wurden, kann ihre Verantwortung für den NS nicht groß genug gemacht werden. Sie bestellten das intellektuelle Feld in den 1920er Jahren und Anfang der 1930er, welches schließlich vom NS geerntet werden sollte.

Der Obergescheitelte der Idenditären, Martin Sellner, knipst lieber.

Liberalismus in der Krise

Die Angst vor der wachsenden Intellektualität der Rechten ist allerdings begründet. Ihre große Schwäche war es in den letzten Jahrzehnten ein halbwegs kohärentes Narrativ an den Start zu bringen, das in der Lage ist auch gegen Einwände und Widerstände als Sinnzusammenhang zu funktionieren. Die Lektüre der Autoren der Konservativen Revolution war dabei mit Sicherheit hilfreich und doch sollte man nicht der Mystifizierung dieser Texte durch Neurechte anheim fallen. Denn, innerhalb der Werke dieser Autoren steht nicht das Rezept zur Fertigung des einen Ringes, der alle ins Dunkel führt und ewig bindet. Die Neue Rechte hat sich nicht mit einer Supermacht verbunden gegen die kein Kraut gewachsen ist. Die mythische Dimension dieser Texte war und ist eine rechte Artikulation, sie stellt sich explizit gegen die Einsicht in Vernunft und Reflexion im Bearbeiten von solcherlei Schriften. Doch die Autoren der sogenannten Konservativen Revolution besitzen, in mancherlei Hinsicht, eine Gemeinsamkeit, die nicht verkannt werden sollte: ihr radikaler Anti-Liberalismus. Und dieser entstand in einer vergleichbaren historischen Situation. Ökonomische Krisenzeiten, Ökologische Krise, die Erosion demokratischer Institutionen (ein Phänomen, das unmittelbar mit der Krisenbewältigung verbunden ist), die Krise der Repräsentation. Weimarer Verhältnisse, so könnte man sagen. Dieser Vergleich mag hinken (wie es alle Vergleiche nun mal tun) und doch liefert er die Folie für eine adäquate Bearbeitung. Der Aufstieg der Rechten, ob neu oder alt, ist mit einer Krise des Liberalismus unmittelbar verbunden. Und den Analysen der genannten Autoren gelingt es in vielerlei Hinsicht die Probleme und Inkonsistenz des Liberalismus herauszuarbeiten. Das ist ein Grund weshalb sich auch linke Theoretiker, insbesondere Vertreter des Poststrukturalismus oder jene die daran anknüpften, einigen dieser Autoren zugewendet haben.

Herrschaftskritik Fehlanzeige

Die Stärke der Autoren der Konservativen Revolution liegt weniger in ihren brillianten Gedanken, die einige tatsächlich hatten, als in deren politischer Übersetzung. Ein Motiv das mehrere Autoren teilen ist eine (Re-) Politisierung mit einem anti-politischem Versprechen zu verbinden. Die Hoffnung endlich aus der Geschichte des Lamentierens und Abwägens auszusteigen. Endlich klare Kante zeigen. Eine hypostasierte Basta-Politik. Ein Heilsversprechen, würde der Katholik sagen, Männersache, ProSiebenDMaxx. Das (Auf-) Begehren der Neuen Rechten ist eine Rückkehr zur Souveränität. Es ist ein Begehren nach Macht. Sie wollen wieder entscheiden können für sich gegen die anderen, gegen die Widerstände dieser Gesellschaft, gegen ihre Gesetze und Gesetzmäßigkeiten. Ihr Motto: 1930, '54,2016 so stimmen wir alle ein! Man möchte endlich wieder jemand sein wollen können. Es ist eine Geschichte des Verlusts und der Transformation moderner Gesellschaften, die in der Neuen Rechten aufgehoben ist. Der Verlust der Identität des männlichen Alleinverdienermodells. Schaut man sich die Kritik genauer an, kommt man recht schnell zu dem Ergebnis, dass es sich dabei vor allem um den Liberalismus als Kultur, kulturelle Form oder Praxis dreht. Ihre Kritik richtet sich auf die symbolischen Ausformungen unserer Gesellschaft. Darin liegt die Krux des rechten Heilsversprechens: Wer die Macht erringt, kann die  Herrschaftsverhältnisse getrost ignorieren. Während die Rechten früher mit der Natur gegen die Kultur argumentierten (Rasse statt Klasse), argumentieren sie heute mit der einen Kultur gegen die andere (Abendland gegen Orient). Die Natur kommt allerdings zurück ins Spiel und zwar als Metapher. Die relative Stabilität von Kulturen lässt sich nur aufrecht erhalten, wenn ihr etwas Naturwüchsiges hinzugedichtet wird, ein Kern. Und zur Überraschung aller ist das der physische Körper des Volkes. Das wahre Organ. Und so übergeht man gewissermaßen diese fundamentale Trennung, um sie über die Hintertür wieder hereinzulassen. Zum Glück existiert eine linke Tradition, die diese Trennung von Kultur und Natur zwar anerkennt, aber sich darüber bewusst ist, dass sich darin ein materielles Herrschaftsverhältnis etabliert hat, das so gar nicht naturwüchsig ist, sondern von Menschen gemacht wie die Trennung von Kultur und Natur selbst.

Auf dem Weg in eine autoritäre Postmoderne?

So besteht die konkrete Gefahr nicht in einer Umwälzung aller Lebensverhältnisse durch den Rechtsruck, sondern gerade in der Umwälzung nur bestimmter Verhältnisse. Und diese sind schnell angezeigt: Die Rolle von Frauen, Migranten, Schwulen, Lesben, Transmenschen uvm. Jene Identitäten, welche die Stabilität der eigenen unterlaufen und verunsichern. Ökonomie? Fehlanzeige. Damit legt sich die Neue Rechte nicht an. Sie bleibt ein rebellischer Konventionalismus. Mit großen Worten und Schlachtgemälden wird der gleiche Herrschaftsapparat legitimiert wie bereits zuvor, nur eben gewalttätiger, antidemokratisch und autoritär. Das wird natürlich auch jene Verwertungslogiken unter denen wir zu leben und zu leiden haben transformieren, nicht zuletzt, weil die Neue Rechte Bündnispartner braucht. Und in Zeiten der Krise steht das Neue schon immer parat. Unsere Sorge sollte sich darauf richten mit welchen materiellen Kräften die Neue Rechte den Schulterschluss sucht, um ihre autoritär- völkisch- sexistische Welt- und  Wertvorstellungen zu verallgemeinern. Dabei sollte uns ein Blick nach Kalifornien und Russland aufmerksam machen. Denn wenn jemand den Übergang vom Neoliberalismus in eine autoritäre Postmoderne organisieren kann, findet man diese Folie nicht in Weimar, sondern bei Akteuren im silicon valley oder den globalen Netzwerken völkischer Nationalisten sponsored by Russia.

Laszlo Strzoda ist früherer Redakteur des prager frühling.