Grundeinkommen – feministisch und postpatriarchal gedacht

Rezension: Blaschke, Ronald/ Praetorius, Ina/ Schrupp, Antje (Hg.): Das Bedingungslose Grundeinkommen Feministische und postpatriarchale Perspektiven

Dass Arbeit bedeutend mehr als Lohn- bzw. Erwerbsarbeit ist, hat sich inzwischen rumgesprochen. Auch dass Ökonomie mehr als nur die Produktion von Waren betrifft, sondern alle Güter und sozialen Leistungen umfasst. Der Bruch mit der Marktideologie ist – wenn auch nicht nur, aber wesentlich feministischen Debatten zu verdanken. Ebenso, dass die Sorgearbeit Grundlage menschlicher Existenz ist und kein Mensch unabhängig von anderen leben und frei sein kann. Neu ist hingegen, dass die feministische und postpatriarchale Auseinandersetzung mit dem Grundeinkommen eine Phase erreicht, die eine platte Ablehnung bzw. euphorische Zustimmung hinter sich lässt. Solch ein Herangehen ist immer fruchtbar – sowohl für die Grundeinkommensbewegung als auch für die feministische. Werden doch eigene Konzepte geschärft, verfeinert, bündnisfähiger.

Diesem Anspruch ist der Sammelband „Das Bedingungslose Grundeinkommen. Feministische und postpatriarchale Perspektiven“[1] (Ulrike Helmer Verlag, 2016) verpflichtet, der von Ronald Blaschke, Ina Praetorius und Antje Schrupp herausgegeben wurde. Er vereinigt Beiträge von Feminist*innen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich, denen allen zumindest nachgesagt werden kann, dass sie in kritischer Nähe zum Grundeinkommen stehen – so wie es zum Beispiel vom Netzwerk Grundeinkommen definiert wird: als eine individuell garantierte Absicherung aller Menschen, die die Existenz und gesellschaftliche Teilhabe sichert, ohne eine Bedürftigkeitsprüfung und ohne einen Zwang zur Arbeit oder Gegenleistung – vier Kriterien, die die Bedingungslosigkeit des Grundeinkommens kennzeichnen.

Gabriele Winker vom Feministischen Institut Hamburg bettet die Grundeinkommensidee in das Konzept der Care Revolution ein. Ina Praetorius vergleicht die grundsätzliche Abhängigkeit von Menschen mit der Idee des Grundeinkommens, Margit Appel hebt die politische Dimension der Bedingungslosigkeit, die sowohl der Sorge als auch dem Grundeinkommen innewohnt, hervor. Andrea Baier, Adelheid Biesecker und Daniela Gottschlich beschreiben Voraussetzungen, unter denen das Grundeinkommen einer Ökonomie der Subsistenz und der Vorsorge förderlich wäre. Ronald Blaschke verweist mit Karl Marx und André Gorz auf grundlegende Zusammenhänge des Grundeinkommens mit einer Produktions- und Lebensweise, die jenseits der Entfremdung und Kapitallogik in feministischer Absicht auf Bedürfnisbefriedigung, Zeitsouveränität und Autonomie der Menschen zielt. Dagmar Paternoga und Werner Rätz zeigen auf, dass das Grundeinkommen Bestandteil einer Vergesellschaftung ist, die den ausschließenden Charakter der Marktgesellschaft überwinden kann. Dorothee Markert berichtet über eigene Erfahrungen, bei einer Art Selbstversuch, die Altersrente zu einem Leben wie mit einem Grundeinkommen zu nutzen.

Die Stärke des Buches liegt darin, dass das Grundeinkommen als ein Bestandteil transformativer Konzepte – sei es Care Revolution, Commons, Subsistenzökonomie und Vorsorgendes Wirtschaften – fassbar zu machen, aber auch als Bestandteil grundsätzlicher linker Kapitalismus- und Staatskritik – und es aus feministischer und postpatriarchaler Perspektive als gestaltungsfähig zu diskutieren.

Albrecht Müller ist Mitglieder der BAG Grundeinkommen und nicht mit dem gleichnamigen Autor der Nachdenkseiten zu verwechseln.

Eine Inhalts- und Autor*innenübersicht findet sich hier[2].

Links:

  1. https://www.ulrike-helmer-verlag.de/buchbeschreibungen/antje-schrupp-u-a-hg-das-bedingungslose-grundeinkommen/
  2. https://www.grundeinkommen.de/wp-content/uploads/2016/09/BGE-Feministische-und-postpatriarchale-Perspektiven-1.pdf