Révolte autoritaire

Rezension: Volker Weiß: Die autoritäre Revolte: Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes, Stuttgart 2017

Bodo Niendel

Volker Weiß legt in seinem jüngst erschienenen Band die Bezüge und Wurzeln der Neuen Rechten offen. Er beginnt mit Armin Mohler, der den Mythos der „Konservativen Revolution“ in die Welt setzte. Mohler stand für einen Konservatismus in der jungen Bundesrepublik, der stets die Nähe zum Rechtsextremismus suchte und den Konservatismus deutlich nach rechts verschieben wollte. Seine Strategie bestand darin, dass er eine „Konservative Revolution“ in der Weimarer Republik erfand, die stramm konservativ, aber gegenüber dem Nationalsozialismus immun gewesen sei. Diese Strategie hatte Erfolg, denn es ist Mohler gelungen „die Legende einer bedeutenden gegenüber dem Nationalsozialismus unempfänglichen Strömung innerhalb der deutschen Rechten zu installieren.“ Mohler war Berater von Franz Josef Strauß und Leiter der Siemens-Stiftung, trotzdem blieb sein direktes Wirken im Hinblick auf den Konservatismus begrenzt. An Armin Mohler knüpft heutzutage nur die sogenannte Neue Rechte in Deutschland an. Er bleibt trotz des Zerwürfnisses von der rechten Junge Freiheit (JF) und Aktivisten wie Götz Kubitschek und dessen Institut für Staatspolitik (IfS) deren gemeinsamer Bezugspunkt. Die JF behält heute die rechten Flügel des konservativen Parteienspektrums weiter im Auge während das IfS und dessen Zeitung Sezession auf außerparlamentarischen Aktivismus setzen. Hierzu bauen letztere unter anderem auf die rechte Jugendbewegung der „Identitären“. Diese geben sich nach außen gemäßigt und versuchen ihren Rassismus zu maskieren. Sie streben an mit spektakulären Aktionen Öffentlichkeit herzustellen, so bei der bekannten Besetzung des Brandenburger Tors im August 2016. Kubitschek protegiert „die Identitären“, bildet Kader aus und unterstützt deren Politik auch materiell.

Laut Weiß vermittele die Neue Rechte, dass sie Aktionsformen der 68er-Bewegung aufgreife, z.B. wenn sie mit Aktionsformen wie man sie von den Situationisten kennt, experimentiert. Doch solche Aktionsformen hätten Weiß zufolge in der Neuen Rechten eine lange, wenn auch vergessene Tradition. Über diesen Punkt könnte man streiten, aber Weiß geht es um etwas anderes: Die Neue Rechte sei im Wesentlichen die alte Rechte bzw. der alt bekannte Rechtsextremismus. Vieles was neu erscheint, ist alter Wein in neuen Schläuchen. Die Neue Rechte beziehe sich zwar auf Versatzstücke linker Theorie, wie die Hegemonietheorie von Antonio Gramsci, doch eine wirkliche Kenntnis sei nicht einmal im Ansatz vorhanden.

Neben dem IfS hat der ehemalige Konkret-Redakteur Jürgen Elsässer sein rechtsextremes Magazin Compact etabliert. Elsässer und Kubitschek arbeiten eng zusammen und spielen sich inhaltlich und organisatorisch die Bälle zu. Die Neurechten Netzwerke sind gewachsen, so dass sie zum rechten Zeitpunkt mithalfen die PEGIDA-Demonstrationen zu etablieren und die  AfD nach rechts zu radikalisieren. Nicht von ungefähr, treten Kubitschek und Elsässer häufig bei den PEGIDA-Demonstrationen und ihren Ableger als Redner auf. Kubitschek forciert maßgeblich den Rechtsruck der AfD und ist eng mit dem völkischen Flügel der AfD verbunden. Das ist hinlänglich bekannt, doch Weiß Stärke ist es, dass er die theoretischen Bezüge der Neuen Rechten offenlegt und detailliert auf die menschenverachtenden Anschauungen des Staatstheoretikers Carl Schmitt eingeht, auf den sich die neue Rechte bezieht und den Bewegungscharakter des Rechtsrucks darlegt

Der Abendlandbezug der PEGIDA-Veranstalter ist Weiß zufolge ein durch den traditionellen Rechtsextremismus und Faschismus bekanntes Motiv. Weiß Fazit hierzu: „Das von den Leipziger und Dresdener Redebühnen verteidigte „Abendland“ ist tatsächlich nichts als ein Kampfbegriff, dessen Bedeutung geradezu willkürlich geändert werden kann. Von einem ethnokulturellen Konzept getragen, dient er zur Verbrämung eines neu aufgelegten „Rassenkampfes.“ “

Eines der stärksten Kapitel von Weiß‘ Buch sind seine Überlegungen zum Stellenwert von Antisemitismus und Islamophobie für die „autoritäre Revolte“. Er argumentiert, dass viele Betrachtungen des neuen Rechtsrucks in die Falle tappten, eine Islamfeindlichkeit oder gar eine sogenannte Islamophobie als besonders signifikant hervorzuheben. Weiß arbeitet die implizite Bewunderung des neuen Rechtsextremismus für den Islam heraus. Dieser würde anders als liberal geprägte Gesellschaften Identität behaupten und verteidigen. Die Ablehnung des Islam hat für die neue Rechte nur einen strategischen Sinn, weil sie leicht anschlussfähig sei. Und „von einem Abschied vom Antisemitismus kann vor diesem Hintergrund keine Rede sein. Selbst bei denjenigen Rechtspopulisten, die Israel als Bollwerk gegen eine islamische Bedrohung akzeptieren, endet das Verständnis, sobald es um historische Bezüge geht.“ Weiß weiter: „Der Aufstieg des Islam zur Bedrohung gilt als Folgeerscheinung des Universalismus, während im Judentum vom Antisemiten seine unmittelbare Gestalt gesehen wird.“ Die Gegnerschaft ist eindeutig, der Universalismus und eine demokratisch verfasste Gesellschaft.

Weiß sieht die Linke in einem schlechten Zustand, da sie sich nicht „sozial international und säkular, für Selbstbestimmung unabhängig von Geschlecht und Herkunft, sexueller Orientierung etc.“ positioniere. Weiß mahnt außerdem an, nicht in ein falsches Verständnis für Fundamentalismen innerhalb der islamischen Gemeinden abzudriften und zu verteidigen, was nicht zu verteidigen ist.

Die autoritäre Revolte steht in Gegnerschaft zu „Juden, Frauen und Homosexuellen“, da gerade sie sich auf universelle Werte beziehen und emanzipatorische Fortschritte erstritten. Ich würde an Weiß anschließen und hervorheben, dass im Kampf gegen den Rechtsextremismus die soziale Kohäsion der Gesellschaft wieder gestärkt werden muss, doch zugleich muss man sich ebenso zu den emanzipatorischen Fortschritten bekennen und diese wieder mit Schwung beleben. Erst diese Verbindung kann aus meiner Sicht einen dringend benötigten kulturellen und sozialen Aufbruch beleben.

Weiß besticht durch eine kompakte, kenntnisreiche, theoretisch tiefschürfende und gut geschriebene Darlegung der autoritären Revolte. Weiß behält stets einen kühlen Kopf und wird nie moralisierend. Das Buch zum Rechtsruck.

Bodo Niendel, Referent für queer-Politik der Bundestagsfraktion DIE LINKE.