editorial

Liebe LeserInnen des prager frühling,

„revolution, baby!“ forderte das Cover unserer Mai-Ausgabe. Na klar, die radikale Umwälzung der bestehenden Macht- und Herrschaftsverhältnisse ist Ziel der Linken, ist auch Ziel dieser Zeitschrift. Weil uns also an deren Gelingen gelegen ist, wenden wir uns gegen die Tölpelhaftigkeit, sich revolutionäre Umbrüche als schnelles Schäferzugmatt der Guten gegen die Bösen um die Produktions- und Exekutivstätten vorzustellen. Nein, Revolutionen gingen stets mit kulturellen Umbrüchen Hand in Hand. Häufig hatte die Kultur schon den Raum gewonnen, den die Politik zum Ausbruch aus der Enge, zum Tanz ins Licht, benötigte. Emma Goldman hatte deshalb Recht: Wenn Linke zur Revolution nicht tanzen können, sollten sie den DJ wechseln.

Am Tanztakt linker Kultur kann man ablesen, wo sie steht: Im Gestern, im Heute oder im Morgen. So ist es kein Zufall, dass sich Krise und Bedarf nach einer Revolutionierung des Realsozialismus in der ČSSR schon deutlich vor 1968 zeigte: In der neuen literarischen Rezeption von Franz Kafka durch die tschechoslowakische Literaturwissenschaft. Denn die Selbstentfremdung des Menschen ist Gegenstand sowohl der Kultur, gerade bei Kafka, als auch kommunistischer Gesellschaftstheorie. Die Debatte in der Literaturzeitschrift litarni nowini wirkte wie ein Katalysator und Seismograf für das, was folgte: Das „Manifest der 2000 Worte“, ein Geburtshelfer des Prager Frühlings 1968, wurde von SchriftstellerInnen der ČSSR und in einer weiteren Literaturzeitschrift, der „literarni listi“, veröffentlicht. Der Vorschlag der Kulturschaffenden war damals ein Ende des Sozialismus von Gestern und ein Sozialismus von Morgen. Das eigentlich Unsagbare wurde gesagt.

Heute dagegen sind die konterrevolutionären Kulturbataillone des Gestern gut aufgestellt; kulturrevolutionär gibt es auch in der Linken noch einiges zu tun. Deshalb lautet der Schwerpunkt dieser Ausgabe: Kultur. Was darunter zähle, wie kulturvoll oder —los die Linke eigentlich heutzutage sei, darüber redete sich die Redaktion in den letzten Monaten die Köpfe heiß. Der Schwerpunkt ist deshalb kein Granitfels, sondern eine Etappe, damit Teil unserer Suche: Was verbindet linke Politik und Kultur heute?

Schon vor längerer Zeit trug Judith das Problem ins Plenum der Volksfront von Judäa: Jede antiimperialistische Gruppe wie die unsere muss die feministische Interessendivergenz innerhalb ihrer Machtbasis reflektieren. Einverstanden. Francis? Dieser Gesichtspunkt ist sehr stichhaltig. Nur ist seitdem in der Linken umstritten, was daraus zu schlussfolgern sei. Brauchen wir mehr Judiths? Oder mehr Stans alias Lorettas? Oder haben uns allein die Römer das Patriarchat gebracht? prager frühling hat der Diskussion dreier Politikerinnen aus der LINKEN zugehört. Und auch in der Redaktion selbst ging es hoch her: Wie (anti-)feministisch sind diese neuen Alphamädchen? Nur eines ist uns klar: Wenn die Frauen nicht dabei sind, ist es nicht unsere Revolution — feminism, baby!

Eure Redaktion