Zehn Jahre »prager frühling«

Gerd Siebecke

Wenn ein Magazin für Freiheit und Sozialismus wie der »prager frühling« zehn Jahre alt wird, ist dies in diesen Umbruchzeiten auch eine Erfolgsgeschichte. Dazu herzlichen Glückwunsch von mir und dem gesamten VSA: Team, das die ersten fünf Jahre – die Ausgaben 1 bis 16 – der Zeitschrift verlegerisch begleitet hat.

Das Selbstverständnis der Redaktion markierte von Beginn an einen Bruch: »Wir wünschen die Ablösung des staubtrockenen Parteichinesisch durch tausend blühende Blumen- und Partykulturen herbei« hieß es im Editorial der ersten Ausgabe, die deshalb auch mit einer Release-Party 16.5.2008 im Grünen Salon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz gefeiert wurde. Meine damalige Botschaft lautete: Wir »wünschen uns mit euch gemeinsam, dass das Projekt politisch Wirkung zeigt und auch ökonomisch ein Erfolg wird.«

Die politische Wirksamkeit ist offenkundig, schließlich wurde Katja, von Beginn an in der Redaktion besonders aktiv und damals eine der stellvertretenden Vorsitzenden, im Jahr 2012 eine der Bundesvorsitzenden der Partei DIE LINKE und ist es bis heute. Wie weit es gelungen ist, »ein Quentchen dazu beizutragen, dass Sozialismus wieder in den Köpfen und Herzen der Menschen mit Frühlingsblumen statt mit ... Aschgrau ... oder den machtlosen Ritualen längst vergangener Zeiten verknüpft wird« (ebenfalls aus dem Editorial von Heft 1), müssen die Redakteur*innen indes selbst entscheiden. Mit Blick auf die politischen Kontroversen des letzten Jahres und die anstehenden Herausforderungen für die Partei und die Linke insgesamt gilt nach wie vor das, was ich 2008 ebenfalls ansprach: »Wir brauchen eine neue Kultur der politischen Arbeit innerhalb der Linken, auch innerhalb der neuen Partei. Das heißt vor allem Akzeptieren von kontroversen Positionen und insbesondere des Versuchs, diese miteinander ins Gespräch zu bringen.«

Seit Heft 17 erscheint der »prager frühling« nicht mehr auf Papier, sondern als Online-Ausgabe, und auch nicht mehr im VSA: Verlag. »Wir glaubten an die Kraft des gedruckten Wortes, deswegen haben wir vor einem halben Jahrzehnt den prager frühling gegründet. Nach vielen lebhaften Diskussionen und 16 Ausgaben später, glauben wir nur noch ans Wort, genauer: an das geschriebene ... Das Medium ist die Botschaft: Papier, wir schätzen Dich, aber die Zukunft ist digital«, hieß es im Editorial der ersten Online-Ausgabe. Dass bislang weitere 13 Ausgaben erschienen sind, spricht sicherlich dafür, dass an der zuletzt formulieren These etwas dran ist.

Linke Publikationsprojekte – auch die, in denen ich mitarbeite – müssen nicht erst im Jahr 2018 Lösungen für die Frage entwickeln, wie Aufklärung für Analyse & Aktion mit Blick auf das Vordringen von Rechtspopulismus, vermeintlich einfachen nationalistischen Lösungen und leider auch Zersplitterung und Verwirrung innerhalb der Linken zu organisieren und für unsere Leserinnen und Leser aufzubereiten sind.

Bei allen berechtigen Überlegungen, hierzu den digitalen Auftritten ein größeres Gewicht beizumessen, finde ich die Antwort, die Tom Strohschneider auf die berühmte Gretchenfrage in der ersten digitalen Ausgabe des prager frühling »Wie hältst du es mit dem papier?« gab, noch immer korrekt: »›Print ist tot‹ war und ist die Parole derer, die es für zu mühselig halten, ihren LeserInnen die besseren Angebote auf Papier zu machen. Das ist kein Argument gegen eine elektronische Zukunft, die Journalismus, Demokratie, Alltag und so fort besser, komfortabler, gerechter machen wird. Sondern eine Verbeugung vor den Kindern, die klüger sind als viele Experten: 82 Prozent der 6- bis 13-Jährigen greifen mindestens einmal pro Woche zu einem journalistischen Printprodukt. ›Frag doch mal die Maus‹ zum Beispiel. Und was antwortet die? ›Papier lebt, wenn wir es wollen.‹«

In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine glückliche Hand für die Bewältigung zukünftiger Herausforderungen.

Gerd Siebecke ist Mitglied im Team des VSA: Verlag[1] und der Redaktion von Sozialismus.de[2] (Monatlich ein Heft mit Hintergründen, Analysen & Kommentaren, täglich im Netz!).

Links:

  1. https://www.vsa-verlag.de/
  2. https://www.sozialismus.de/