Müsst ihr gesehen haben …

Sense8 ist ein gesellschaftskritisches Meisterwerk

Susanne Hennig-Wellsow
Für die Weiterführung von Sense8 wurde vor zwei Jahren sogar auf dem CSD in Nantes demonstriert ...

Meine Lieblingsserie? Ganz klar „Sense8“. Die Story ist ungewöhnlich, zum Teil mysteriös, kein üblicher Sci-Fi, hoch politisch und ganz sicher fesselnd. Um was geht’s? Acht Menschen, die in der gleichen Sekunde geboren sind, haben eine besondere Verbindung zu einander. Sie sind ein sogenanntes „Cluster“. Sie leben über den Globus verteilt, sind dennoch eng mental miteinander verbunden. Sie können sich sehen und miteinander kommunizieren. Sie alle können auf die Fähigkeiten der jeweils anderen zugreifen. Sie alle sind von einem Todesfall betroffen.

Die Charaktere: Da ist Wolfgang, der in Berlin lebt und sich als sympathischer Krimineller durchs Leben schlägt. Sein bester Freund ist ziemlich verpeilt, schutzbedürftig, seine einzige reale feste Beziehung. Oder Kala, die indische Biologin, die zu einem reichen Ehemann gekommen ist und in ein Liebesdrama mit Wolfgang versinkt. Eher bescheiden und dennoch wie eine Art Anker der Serie und nicht weniger berührend, verläuft die Beziehung des einzigen Clusterpaares zwischen Will und Riley. Er Polizist, sie Musikerin, beide auch vom Leben und ihren katastrophalen Entscheidungen geprägt. Riley sorgt übrigens mit ihrer Interpretation von „whats up“ dafür, dass Sense8 auch muggetechnisch durchaus ein Gewinn ist. Nomi, die von ihren Eltern weiter demonstrativ Michael genannt wird, ist genauso wie der schwule, erfolgreiche Actionfilm-Darsteller Lito Ausweis dafür wie die Darstellung von Transgender und Homosexuellen in Sense8 nicht in übliche Klischees verfällt. Sun kämpft in Südkorea gegen ihren eigenen Bruder, der sie vernichten will. Capheus ist Busfahrer in Nairobi und kämpft täglich darum, die Medikamente für seine HIV-kranke Mutter zu bekommen. Aber ich will nicht weiter spoilern.

Es ist den beiden Drehbuchautorinnen – den transgender Wachowski-Geschwistern Lana und Lilly – überzeugend gelungen, ein globales, gesellschaftskritisches Meisterwerk auf den Bildschirm zu bringen. Gerechtigkeit, Solidarität und Geschwisterlichkeit durchfließen die Handlungsstränge. Die gemeinsam zu bewältigenden Herausforderungen des Clusters: Kriminalität,  Machtstreben, das Absprechen des Lebens der Sense8er durch verbrecherische Wissenschaft und Gesellschaft oder die aufgerufenen grundlegenden Fragen zum Zusammenleben der Menschheit, machen die Serie zu einem ansprechenden und herausfordernden Highlight der Fernsehunterhaltung. Liebe und Sex nehmen eine zentrale Rolle im Drehbuch ein. Und auch hier gilt: Respekt und Leidenschaft gehören für die Autorinnen zusammen. Die glaubhafte Darstellung der LGBTTIQ-Charaktere unterstreicht den Anspruch der Serie, Freiheit und selbstbestimmtes Leben für alle Menschen weltweit zu promoten. Es gibt keine Studiokulissen, alles wurde vor Ort gedreht. Die Story ist trotz aller Komplexität und Gewagtheit trotzdem durchgehend stimmig. Lässt mensch sich auf „Sense8“ ein und versucht die anfängliche Verwirrung zu überwinden, dann wird man eine grandiose Serie erleben können. Ich konnte mich des Binge-Watchings nicht erwehren.

Susanne Hennig-Wellsow ist Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag. Sense8 ist bei netflix zu sehen.