Game of Thrones feministisch gesehen ...

Kerstin Wolter

Viel Sex, viel Gewalt – wahlweise gegen Frauen, noch mehr gegen Männer und Untote – und drei Drachen. So oder so ähnlich wird immer wieder über die Serie Game of Thrones geschrieben, geredet und geurteilt. Immer wieder wird betont, wie sexistisch und gewaltverherrlichend der Plot sei. Vor einigen Jahren veröffentlichte auch die deutsche Feministin Antje Schrupp auf ihrem Blog eine feministische Abrechnung mit GoT[1], die mich damals schon sehr gewundert hat. Ich halte nämlich Game of Thrones für eine der feministischsten Serien, die keinen expliziten Fokus auf Geschlechterverhältnisse haben. Gewaltdarstellungen sind nicht jedermanns Sache. Wenn aber in vielen Rezensionen schon allein die Darstellung von Gewalt an Frauen als sexistisch oder frauenfeindlich beurteilt wird, dann ist das nicht besonders überzeugend.

Game of Thrones spielt zwar in einer fiktiven Welt – auf den zwei Kontinenten Westeros und Essos –das gesellschaftliche Leben soll aber an das europäische Mittelalter angelehnt sein. George R. R. Martin, der Autor des der Serie zu Grunde liegenden Buches „Das Lied von Eis und Feuer“, habe sich für die Entwicklung seiner Geschichte tiefgehend mit der mittelalterliche Geschichte beschäftigt. Die Geschichte der fiktiven Häuser Stark und Lannister ist beispielsweise an den Rosenkrieg zwischen den Häusern York und Lancaster im England des 15. Jahrhunderts angelehnt. Wie dem auch sei, die Welt die Martin erschafft, bildet im Grunde nur jene Gewalt, Armut und Korruption ab, die um diese Zeit auch in England vorherrschten. Dass Frauen im Mittelalter nur einen eher, sagen wir mittelprächtigen Stand in der Gesellschaft hatten, brauche ich an dieser Stelle nicht weiter ausführen. Diese vergangene Wirklichkeit abzubilden, ist per se aber nicht sexistisch. Vielmehr arbeitet Martin sehr detailliert und genau die Möglichkeiten und Grenzen weiblicher Emanzipation in einer mittelalterlichen Welt heraus und macht sie dadurch sichtbar. Eigentlich ganz ähnlichem dem englischen Schriftsteller Daniel Dafoe, der im 18. Jahrhundert mit seinen Romanfiguren Moll Flanders und Roxana Auswege aus der weiblichen Unterdrückung erzählt: Prostituierte, Diebin, Mätresse. Mehr war in dieser zutiefst patriarchalen und christlich geprägten Welt nicht möglich, zumindest nicht denkbar.

Obama auf dem eisernen Thron aus Game of Thrones.

In der Serie gibt es mit Daenerys Targaryen, Arya Stark, Cersei Lannister und Brienne von Tarth – um nur einige zu nennen – viele starke Frauencharaktere. Diese sind mitnichten alle nur schön und gehorsam. Arya Starks Entwicklung könnte man als die Geschichte einer non-binären Person (jenseits von Frau und Mann) lesen. Brienne von Tarth wird als sehr große Frau mit maskulinen Geschichtszügen beschrieben – und sie leidet darunter, was auch in der heutigen Welt für viele, die nicht in die typische Geschlechternorm passen, leider Realität ist. Cersei Lannister wird als erstgeborener Zwillingstochter der Thron vorenthalten. Doch in einer manchmal grausam anzuschauenden Entwicklung gelingt es ihr zum Schluss, diesen doch noch zu besteigen. Und ehrlich gesagt, als Cersei am Ende der fünften Staffel die Septe samt all ihrer Feinde am Hof in die Luft jagte, habe ich erst richtig angefangen diesen Charakter zu lieben. So grausam ihre Handlungen sonst auch sein mögen. Übrigens: Cerceis Zwillingsbruder Jamie, der eigentlich als Thronerbe vorgesehen war, verzichtet darauf, nachdem seine Schwester an den König Robert Baratheon verheiratet wird, um in dessen Leibwache zu dienen. Und das nur, um seiner Schwester nahe zu sein, mit der er nämlich nicht nur eine geschwisterliche Beziehung pflegt…

Es stimmt, dass nur 18 von 67 Folgen von GoT den sogenannten „Bechdel-Test“ bestehen. Das heißt, dass sich in mindestens einer Szene zwei Frauen miteinander unterhalten und dabei nicht über Männer reden. Klingt irgendwie selbstverständlich, kommt so aber in den meisten Filmen und Serien nicht vor. Bei GoT könnte das aber auch daran liegen, dass sich der Plot vor allem in den Machtzentren der Adelshäuser abspielt und da kamen Frauen auch im Mittelalter kaum vor – ein Zustand, der sich übrigens bis heute nicht viel verändert hat, wenn wir auf die heutigen Machtzentren blicken. Das wäre übrigens meine Kritik an GoT: das „einfache Volk“ kommt zwar immer wieder, aber in keiner Weise an zentraler Stelle vor. Es gibt wenige Aufstände von unten, nur Kriege und die Machenschaften der oberen 1 Prozent. Leider habe ich bisher in den Mainstream-Medien noch keine Klassenanalyse von Game of Thrones gelesen. Aber die kommt bestimmt noch, ich bin ganz sicher.

Kerstin Wolter ist bei DIE LINKE Friedrichshain-Kreuzberg aktiv.

Links:

  1. https://antjeschrupp.com/2013/01/23/die-neue-lust-auf-patriarchat/