Seilschaften und Abstürze

„Die Bergretter“ ist ein gutes Kontrastprogramm zum politischen Alltag

Katina Schubert

Mein beruflicher Alltag vielfältig und anstrengend. Intensive Sacharbeit, Suche nach den richtigen Strategien politischen Handelns, Bürger*innengespräche, Bündnisarbeit, Parteiversammlungen, Straßenaktionen, Demos, Besuche von Projekten und Initiativen, jeden Tag oft auch am Wochenende. Das macht Spaß, aber fordert mich an Körper und Geist in vollem Maße. Wenn ich am Wochenende mal zu Hause bin, gehört das der Familie. Wenn ich im Alltag nach Hause komme, ist mir oft nach Zerstreuung, dann brauche ich was völlig anderes, als das, was ich sowieso schon den ganzen Tag über habe. Deshalb fallen Politserien mit Intrigenspielen, Ränkeschmieden, Brüllorgien und Wichtigtuerei schon mal aus. Die Serie meine Wahl neben dem sonntäglichen Tatort ist „Die Bergretter“. Wundervolle Landschaftsbilder, aufregende Actionszenen, bei denen es in meiner WG immer heißt „Decke, Kissen“ als Synonym für Augen zu und Luft anhalten, Herz und Schmerz verbinden sich und haben mit meinem wirklichen Leben nicht mehr zu tun, als dass ich mal am Spielort in Urlaub war. Wenn der Rettungshubschrauber über das bombastische Dachsteingebirge fliegt, kann ich mich schaurig schön gruseln, weil ich mich nie in solche Höhen wagen würde. Wenn die Wanderer und Wandrerinnen ihren Treck beginnen, kann ich anfangen zu träumen von im Sommer anstehenden schönen Bergtouren (wenn auch nicht ganz so hoch). Und selbstverständlich fiebere ich mit den Hauptakteurinnen und Akteuren mit, mit neuen und alten Lieben, traurigen Schicksalsschlägen und neuen Glücksmomenten. Nein, in der Serie gibt es nicht immer ein Happy End. Der erste Hauptbergretter ist sogar in einer dramatischen Rettungsaktion abgestürzt, um die anderen in seiner Seilschaft hängenden Kletterer*innen zu retten. Das ist übrigens die einzige Folge, deren Wiederholung ich mir nie angeschaut habe. Insofern ist meine Lieblingsserie nicht völlig unrealistisch. Und bestimmt gibt es jede Menge Klischees, die kritisiert werden könnten und manch ein gesellschaftlich wichtiger Aspekt von Unterdrückung und Diskriminierung spielt im Serienhandeln keine Rolle. Aber genau deshalb ist sie für mich am Feierabend richtig: sie spielt halt in einer völlig anderen Welt.

Katina Schubert ist linke Landesvorsitzende in Berlin.

Schon, weil man den Namen des Schauplatzes ohne die Serie nicht kennen würde, lohnt sie: Ramsau am Dachstein