Frauen und Queers schlagen zurück

Feministische Bewegungen in Deutschland

Kerstin Wolter

Wenn man einen genauen Blick auf die neuen sozialen Proteste wirft, wird augenscheinlich, dass viele von ihnen gerade von Frauen angeführt werden bzw. ein Großteil ihrer Aktivist*innen Frauen sind. In der großen Welle der Flüchtlingssolidarität im Jahr 2015, als ein Großteil der vom Staat nicht geleisteten Ankunftsarbeit von Ehrenamtlichen übernommen wurden, waren schätzungsweise zwei Drittel der Flüchtlingshelfer*innen weiblich – übrigens auch knapp ein Drittel migrantisch. In der aktuell sehr großen Fridays for Future Bewegung sind etwa 70 Prozent junge Frauen und Mädchen engagiert. Hinzu kommen die seit Jahren wieder wachsenden feministischen Proteste rund um den 8. März und die Demonstrationen gegen die Märsche der Abtreibungsgegner*innen sowie die wachsende Streikbereitschaft in von Frauen dominierten Branchen wie der Krankenpflege und dem Einzelhandel. Warum treten diese neuen feministischen Proteste gerade jetzt vermehrt auf? Warum bilden sie aktuell in den sozialen Bewegungen zum Teil die Mehrheit und welche Perspektiven ergeben sich daraus für die anstehenden Auseinandersetzungen gegen die Vertreter*innen eines autoritären Neoliberalismus auf der einen und rechte bzw. neofaschistische Bewegungen auf der anderen Seite? Dieser Text soll einen schlaglichtartigen Überblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit geben.

Neue Welle feministischer Proteste

In den vergangenen 7 Jahren kam es zu einer neuen Welle feministischer Proteste in Deutschland. Dabei wurde die Debatte um #aufschrei im Frühjahr 2013 zu einem besonderen Kristallisationspunkt. Unter dem Hashtag machten Tausende Frauen ihren Unmut über Sexismus im Alltag Luft. Auf Twitter schilderten viele ihre eigenen Erfahrungen mit sexistischen Übergriffen. Vorangegangen war ein Artikel der Journalistin Laura Himmelreich über das übergriffige Verhalten des damaligen FDP-Spitzenkandidaten Rainer Brüderle. Er löste eine öffentliche Sexismus-Debatte neuen Ausmaßes in Deutschland aus. 2016 riefen Feministinnen aus Wissenschaft und Medien unter dem Hashtag #ausnahmslos dazu auf, die sexuellen Übergriffe, die sich in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof ereigneten, nicht für rassistische Zwecke zu missbrauchen. Aus der öffentlichen Debatte folgte auch eine bundesweite Demonstration am 12. März 2016 in Köln unter dem Motto „Unser Feminismus ist antirassistisch“, an der sich etwa 4.000 Menschen beteiligten. Im Gegensatz zu den Debatten um #aufschrei und #ausnahmslos viel die Auseinandersetzung unter dem Hashtag #metoo aus Bewegungsperspektive in Deutschland vergleichsweise gering aus.

Für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung

Bereits ein Jahr vor #aufschrei hatte sich das breit getragene Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung aus Beratungsstellen, feministischen und allgemeinpolitischen Gruppen, Verbänden, Gewerkschaften und Parteien gegründet. Sie fordern die Abschaffung des Paragraphen 218, der Schwangerschaftsabbrüche bis heute unter Strafe stellt und nur unter bestimmten Bedingungen für zulässig erklärt. Im Gegensatz zur #aufschrei-Debatte findet der Protest des Bündnisses auch auf der Straße statt, u.a. zum jährlich im September stattfindenden Marsch der Abtreibungsgegner*innen, angeführt von christlichen Fundamentalist*innen. Eine ihrer prominenten Vertreter*innen ist die adlige AfD-Politikerin Beatrix von Storch. Neben der Gegendemonstration des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung finden seit 2013 eine weitere Gegendemonstration sowie Blockaden und Störungen des Marsches der Abtreibungsgegner*innen durch das „What the fuck“-Bündnis statt. Das „What the fuck“-Bündnis aus mehrheitlich autonomen Gruppen und Einzelpersonen, verfolgte von Beginn an das Ziel, Antifeminismus als Bindeglied konservativer und rechter Akteure, sichtbar zu machen. Sowohl der Marsch der Abtreibungsgegner*innen als auch die Gegenproteste wurden in den vergangenen 7 Jahren kontinuierlich größer. Zuletzt nahmen etwa 2.000 Menschen an den Blockaden des WTF-Bündnisses teil – leider sind die Abtreibungsgegner*innen etwa drei Mal so viele.

Repolitisierung des 8. März

Die neue Offenheit für feministische Forderungen und die trotz vieler Erfolge feministischer Bewegungen noch unerfüllte Gleichberechtigung der Geschlechter, führte im Herbst 2013 zur Gründung des zunächst bundesweiten Bündnisses Frauen*kampftag mit dem Ziel, den 8. März – den internationalen Frauentag – zu repolitisieren und wieder zu einem zentralen Protesttag der feministischen Bewegung zu machen. Initiiert wurde das Bündnis vom Jugend- und vom Studierendenverband der LINKEN. Das Bündnis besteht, ähnlich wie das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, aus Vertreter*innen von Parteien, Gewerkschaftsjugenden, Verbänden und feministischen Gruppen. Die bundesweite Demonstration in Berlin am 8. März 2014 wurde mit 5.000 Teilnehmer*innen die größte 8.-März-Demonstration seit 20 Jahren. Die Teilnehmer*innenzahlen in Berlin haben sich bis 2019 vervierfacht. Und das, obwohl die Demonstrationen zum 8. März zunehmend dezentral in mehreren Städten stattfinden.

Internationalistischer Feminismus

Ebenfalls 2014 gründete sich das Berliner Bündnis „Alliance of international Feminists - Berlin“ aus autonomen feministischen, antirassistischen, migrantischen sowie Gruppen geflüchteter Frauen. Seitdem organisieren sie jedes Jahr eine Demonstration zum 25. November, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und eine zweite Demonstration zum 8. März mit mehreren Hundert bzw. mehreren Tausend Teilnehmer*innen. Leider gelang es in den vergangenen Jahren nicht, einen Konsens für eine gemeinsame Demonstration mit dem Bündnis Frauen*kampftag zu finden. Die Gründe dafür liegen neben politischen Differenzen in der Akzeptanz von Parteien oder der Teilnahme von cis-Männern[1] (beides beim Frauen*kampftagsbündnis erlaubt bzw. erwünscht), in der unterschiedlichen Sichtweise auf antirassistische Politik. Besonders die Frauen und Queers[2] der AIFB kritisieren den strukturellen Rassismus des mehrheitlich weißen Frauen*kampftagsbündnisses. Teil der AIFB ist der „International Women’s Space“, der an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben soll. Die Gruppe aus mehrheitlich migrantischen und geflüchteten Frauen wurde 2012 im Zuge der Besetzung der Gehart-Hauptmann-Schule in Berlin-Kreuzberg[3] gegründet, wo sie mehrere Räume über 2 Jahre nutzten. Ihr Hauptanliegen ist es, die Verbindung von Rassismus und Sexismus aufzuzeigen und konkrete Unterstützung für migrantische und geflüchtete Frauen und Queers zu leisten.

Die nächste Eskalationsstufe – Feministischer Streik

Der Grund, warum die Demonstrationen zum 8. März 2019, nicht nur in Berlin, sondern in vielen Städten bundesweit an Zulauf gewonnen haben, lag im Jahr 2019 unter anderem am Aufruf zu einem feministischen Streik. Das erste Mal seit 1994, als etwa eine Million Frauen in Deutschland in den Streik gingen, sollte wieder feministisch gestreikt werden. Feministisch streiken heißt, nicht nur die Lohnarbeit zu bestreiken, sondern auch jene, immer noch mehrheitlich unentlohnt von Frauen ausgeführte, Sorge-, Erziehungs- und Haushaltsarbeiten. Die Forderungen des bundesweiten feministischen Streiknetzwerks sind so breit und vielfältig wie ihre Aktivist*innen: von gleichem Lohn für gleiche Arbeit über die Streichung der Paragraphen 2018 und 219a bis hin zum Stopp von Abschiebungen und die Abschaffung der ärztlichen Gutachtenpflicht bei der Anerkennung von Trans- und Intergeschlechtlichkeit. Stärker als in den Protesten der letzten Jahre rückten soziale Themen in den Mittelpunkt der Organisierung. Das drückte sich in Berlin zum Beispiel in der zentralen Aktion vor dem Charité-Krankenhaus aus, durch das die schlechten Arbeitsbedingungen der mehrheitlich weiblichen Pflegerinnen angeprangert werden sollten. Bereits einen Tag vorher fand eine zentrale Aktion vor dem Gesundheitsministerium statt, bei der die fehlende staatliche Unterstützung für pflegende Angehörige thematisiert wurde. Die Netzwerke setzen sich aus Mitgliedern von Verbände, Initiativen, autonomen feministischen und migrantischen Gruppen, Parteien und Gewerkschaften sowie Einzelpersonen zusammen. Mit Streik-Netzwerken in 40 Städten und über 70.000 Teilnehmer*innen waren die Demonstrationen so groß und vielfältig wie seit mindestens 25 Jahren nicht. Inspiriert wurde der Streik von der großen feministischen Streikbewegung in Spanien. Dort sind in den vergangenen beiden Jahren am 8. März über 5 Millionen Frauen in den Streik getreten und haben dabei das Land zum Teil buchstäblich „lahmgelegt“.

Eine neue feministische Internationale

Dabei war der Streik in Spanien bereits in eine internationale Bewegung eingebettet. Am 3. Oktober 2016 hatten Frauen in Polen zum Streik am sogenannten czarny poniedziałek (Schwarzer Montag) aufgerufen und damit ein faktisches Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen abgewendet. Sie beriefen sich dabei auf den Streik in Island am 24. Oktober 1975, an dem sich 90 Prozent der arbeitenden Frauen beteiligt hatten. Diesen Impuls griff das feministische Kollektiv NiUnaMenos (Nicht eine weniger) aus Argentinien auf, das im Jahr zuvor Hunderttausende gegen Femizide (Frauenmorde) auf die Straße gebracht hatte. Es rief nur wenige Tage später in Reaktion auf einen besonders grausamen Femizid[4] zum einstündigen Frauenstreik auf, den sie miércoles negro (Schwarzer Dienstag) nannten. Bereits am 8. März 2017 war der Streik an vielen Orten als Instrument der Frauenbewegung wiederentdeckt worden. Er befördert seither den Austausch unter Feminist*innen weltweit: in der Planung eines internationalen Streiktages am 8. März 2019, an dem auch in Deutschland zum ersten Mal seit 25 Jahren ein Frauen*streik geplant ist, aber auch in Kämpfen über das Jahr hinweg. Die Massenproteste gegen sexualisierte Gewalt an Chiles Universitäten im vergangenen Juni, die Demonstrationen gegen die Kandidatur des faschistischen und frauenfeindlichen Präsidenten Jair Bolsonaro in Brasilien im September oder der Streik der weiblichen Stadtbeschäftigten für Entgeltgleichheit in Glasgow im Oktober zeugen davon. Diese und weitere Ereignisse fanden unter Feminist*innen weltweit Resonanz. Es gab wechselseitige Solidarität und den Versuch, aneinander anzuknüpfen.

Die Stärke der Frauen*streik-Bewegung liegt u.a. darin, eine Verbindung zwischen den oft unverbundenen Bereichen herzustellen, in denen Frauen tätig sind. Der Streik als klassisches Instrument der Arbeiter*innenklasse wird auf die unentlohnte Haus- und Sorgearbeit ausgeweitet und es werden auch die gesellschaftlichen Bedingungen mit einbezogen. Die Praxis des Frauen*streiks hat sich von den Ländern des globalen Südens und von den peripheren Staaten Europas her ausgebreitet – Wissen und Erfahrungen werden also aktuell von Süd nach Nord weitergegeben.

Wir können also derzeit von einer internationalen feministischen Bewegung sprechen, die ungestüm und ungezähmt weiterwächst. Es lohnt sich, genauer zu betrachten, warum gerade jetzt Frauen in so vielen Ländern aufstehen und sich über kulturelle und staatliche Grenzen hinweg bestärken. Gibt es in Zeiten immer größer werdender Fragmentierung einen neuen gemeinsamen Nenner unter Frauen?

Warum wird jetzt zurückgeschlagen?

Ein gemeinsamer Nenner ist jedenfalls immer noch die gesellschaftliche Schlechterstellung von Frauen – in Deutschland, aber auch in Europa. Obwohl die Frauenerwerbsquote in den Ländern der Europäischen Union seit 1997 von 55 auf 65 Prozent gestiegen ist (Eurostat 2017), verdienen Frauen immer noch durchschnittlich 16,3 Prozent weniger als Männer (Eurostat 2017). Deutschland bildet mit rund 21 Prozent in dieser Hinsicht eines der Schlusslichter (Statistisches Bundesamt 2018). Diese Ungerechtigkeit rührt auch daher, dass viele frauentypische Jobs schlecht bezahlt sind. 27,1 Prozent der vollzeitbeschäftigten Frauen arbeiten im Niedriglohnbereich, gegenüber 16,2 Prozent der Männer (Statistisches Bundesamt 2018). Doch obwohl immer mehr Frauen erwerbstätig sind, leisten sie in Europa auch weiterhin den Großteil der nicht entlohnten Haus-, Erziehungs- und Pflegearbeit. Europaweit gaben 79 Prozent der Frauen an, täglich zu kochen oder andere Hausarbeiten zu leisten, im Gegensatz zu 34 Prozent der Männer. In Deutschland liegt das Verhältnis bei 72 Prozent zu 29 Prozent (Eurostat 2018). Kürzungen bei den sozialen Diensten und Infrastrukturen in ganz Europa, forciert durch die Austeritätspolitik des letzten Jahrzehnts, wurden deshalb insbesondere von Frauen aufgefangen. Ihre doppelte Belastung spitzt sich also zu, ohne dass sie durch die hinzugewonnene ökonomische Eigenständigkeit aufgewogen werden könnte. Sicher, manche Frauen können sich Entlastung erkaufen. Doch die häufig migrantischen Haushaltshilfen ändern nichts an der geschlechtlichen Arbeitsteilung, sondern verlagern lediglich die Betreuungsaufgaben an sozial marginalisierte Frauen und zwar über staatliche Grenzen hinweg.

Die anhaltende Schlechterstellung von Frauen in der Gesellschaft zieht sich durch alle Bereiche: durch Politik, Recht, Religion, Sprache, Sexualität und vieles mehr. Sie drückt sich auf grausamste Weise aus in Diskriminierung und Sexismus, in Missbrauch und Gewalt in der Familie, am Arbeitsplatz oder im öffentlichen Raum. Jede dritte Frau in der EU hat körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren (Agentur der Europäischen Union für Grundrechte 2014). Es fehlen systematische Analysen, doch es gibt Anzeichen dafür, dass geschlechterspezifische und insbesondere häusliche Gewalt in Zeiten ökonomischer Krisen zunimmt.

Dass Frauen sich diesen Angriffen heute so vehement und massenhaft entgegenstellen, ist aber nicht allein darauf zurückzuführen, dass ihre Rechte bedroht werden und die eigene Prekarität zunimmt. Dank der feministischen Errungenschaften des letzten Jahrhunderts nehmen Frauen wie nie zuvor in der Geschichte entscheidende Positionen im Produktionsprozess und in der Politik ein. Durch bessere Bildung, eine erhöhte Erwerbstätigkeit und mehr Möglichkeiten der politischen Mitbestimmung können viele Frauen heute selbstbestimmter leben und selbstbewusster auftreten als noch vor einigen Jahrzehnten. Diese Gleichzeitigkeit von gesellschaftlicher Schlechterstellung und neuen Angriffen auf bereits erkämpfte Rechte zusammen mit einem neuen Selbstbewusstsein lohnarbeitender Frauen, führt zu einer explosiven Mischung, die die feministische Bewegung in immer mehr Ländern zu einer der stärksten sozialen Bewegungen befördert.

Wie weiter für die feministische Bewegung in Deutschland?

Im Gegensatz zur globalen Dimension feministischer Bewegungen, ist die Bewegung in Deutschland vergleichsweise klein. Das mag einerseits daran liegen, dass die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise hier weitaus geringer ausfielen als in anderen Ländern an den Rändern Europas oder im globalen Süden. Andererseits womöglich auch an einem institutionalisierten Feminismus, der für viele Frauen bereits weitreichende Freiheiten ermöglicht. Ein nicht zu unterschätzender Faktor dürfte auch sein, dass der erste Versuch einer gesamtdeutschen Frauenbewegung nach der Wende an inneren Widersprüchen und verlorenen Kämpfen scheiterte. Der Kampf gegen das eingeführte Abtreibungsrecht wurde Anfang der 1990er zum Entstehungsmoment einer gemeinsamen Frauenbewegung aus Ost und West. Am Ende kam es jedoch nur zu einem Kompromiss, der für West-Frauen einen kleinen Fortschritt, aber für Ost-Frauen einen herben Verlust darstellte. Der verlorene Kampf führte zum Erliegen der noch jungen gesamtdeutschen Frauenbewegung jener Zeit. Hinzu kamen unterschiedliche Vorstellungen zur weiteren Arbeit in der Bewegung – sollte sie autonom bleiben oder sich zu einer Partei formieren? Man wurde sich nicht einig. Dieser noch nicht lange zurückliegende Bruch, verhinderte den kontinuierlichen Aufbau feministischer Bewegungen. Im Vergleich: die großen 8.-März-Demonstrationen in Argentinien, an denen in Buenos Aires seit Jahren Hunderttausende Frauen teilnehmen, hat seine Wurzel u.a. in einer jahrzehntelangen, kontinuierlichen feministischen Bewegungsarbeit. In einer so langen Tradition können Wissen und Erfahrung leichter weitergegeben und Vertrauen aufgebaut werden.

Doch die neuen feministischen Aufbrüche in Deutschland lassen hoffen, dass eine neue feministische Bewegung, getragen von jungen Frauen und Queers, auf dem Weg ist. Auffällig für die neuen Netzwerke – und das zählt zumindest für die feministischen Proteste auf der Straße – ist ein sowohl antisexistischer, antirassistischer als auch antikapitalistischer Konsens. Ebenso neu ist die selbstverständlichere Bezugnahme der verschiedenen progressiven Bewegungen aufeinander. So liefen auf der 8.-März-Demonstration Aktivistinnen von Ni una menos[5][1] neben den Mietenaktivist*innen von „Zwangsräumungen verhindern“, oder die Physio- und Ergotherapeutinnen der Charité-Tochter CPPZ gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern von Fridays for Future. Ob die feministische Bewegung in den kommenden Jahren zu einem entscheidenden Akteur im Kampf gegen autoritären Neoliberalismus und rassistische wie faschistische Rechte werden kann, wird sich noch zeigen. Entscheidend wird dabei sein, ob sie es schafft, die Spaltungen entlang von Klasse und Herkunft in der eigenen Organisierung und in der Form des Protests zu benennen und an ihnen zu arbeiten, um breite gesellschaftliche Schichten zu mobilisieren und zu organisieren. Denn nur wenn viele Frauen und Queers der lohnabhängigen Klasse bereit sind, sich den Streik als radikale Widerstandspraxis wieder anzueignen, wird sich etwas ändern.

 

[1] Ein cis Mann ist eine Person, die bei der Geburt dem männlichen Geschlecht zugewiesen wurde und sich auch als Mann identifiziert.

[2] Der Begriff „queer“ und die Selbstbezeichung als „Queer“ umfasst die schwulen, lesbischen, bisexuellen, transsexuellen und intersexuellen Lebensweisen. Darüber hinaus hält der Begriff sich offen für asexuelle, polyamore, fetischorientierte und manche anderen Begehrensformen.

[3] In der Silvesternacht von 2015 auf 2016 kam es am Kölner Hauptbahnhof zu zahlreichen sexuellen Übergriffen auf Frauen durch Männergruppen. Es wurden insgesamt 1054 Strafanzeigen, dabei 454 Fälle von Sexualdelikten, darunter auch mindestens drei Anzeigen wegen Vergewaltigung, aufgenommen. Breit in der Öffentlichkeit diskutiert wurde der Vorfall auch deshalb, weil die übergriffigen Männer größtenteils aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum stammten. Damit wurde Sexismus medial eng mit arabischen Männern und geflüchteten Männern aus dem arabischen Raum verknüpft. Selbst eine aus den Vorfällen resultierende Verschärfung des Sexualstrafrechts wurde im Paket mit der Verschärfung des Aufenthaltsrechts im Bundestag verabschiedet.

[4] Ein Femizid ist die Tötung von Menschen weiblichen Geschlechts aufgrund ihres Frauseins.

[5] Ni Una Menos [Deutsch: Keine weniger] ist eine Initiative, die auf die strukturellen Ursachen von Frauenmorden hinweisen möchte. Sie ist vor allem aktiv in Argentinien.

Links:

  1. https://www.prager-fruehling-magazin.de#_ftn5