04.02.2020

Eine weitere Atombombe

Der Film „One Word“ zeigt die Folgen des menschengemachten Klimawandel im Pazifik

Stefan Gerbing

In Mitteleuropa können die Anzeichen für den menschengemachten Klimawandel noch verhältnismäßig leicht verdrängt werden. Während manche hierzulande die Anzeichen noch als Häufung warmer Sommer abtun, sind in anderen Weltregionen die Auswirkungen auf den Alltag sehr präsent.

„Wir ertrinken nicht, wir kämpfen“, lautet daher der Untertitel des Films „One Word[1]“, der derzeit auf verschiedenen Festivals gezeigt wird.

Er zeigt den Kampf der Bewohner der Marshall-Inseln mit den Folgen des Klimwandels im mittleren Pazifik. Ein Großteil der Inseln und Atolle liegt weniger als 1,8 Meter über dem Meeresspiegel und ist durch dessen besonders starken Anstieg in der Region in den kommenden 20 Jahren vom buchstäblichen Untergang akut bedroht. Bereits jetzt rückt das Meer immer stärker an die Lebensräume der Inselbewohner heran. Trinkwasserquellen versalzen, die Fischbestände gehen zurück und das Land verschwindet vor den Augen und unter den Füßen seiner Bewohner. „We are Ocean-People“, sagt einer der Protagonisten, denn das Meer war seit jeher Lebensgrundlage der Marshallesen. Nun wird es zum Feind.

Die Folgen des Klimawandels sind nur eine weitere Katastrophe, die im industrialisierten Norden ins Werk gesetzt wurde und deren Folgen die Marshallesen allein zu bewältigen haben. „Eine weitere Atombombe“ nennt sie ein Inselbewohner daher, schließlich sind bis heute Teile der Inselgruppe auf Grund von Atombombentests des US-Militärs unbewohnbar. Wegen der Strahlung wurden tausende Bewohner*innen bereits einmal umgesiedelt.

Das wiederum war nur die letzte Epoche einer mehr als hundertjährigen Kolonialgeschichte, die mit der Kolonisierung durch das Deutsche Kaiserreich begann und der japanische Besatzung und amerikanische Protektoratsherrschaft folgten.

Keinen Film über die Inselbewohner*innen wollten die Filmemacher drehen, sondern einen partizipativen Film mit ihnen. Ein Jahr lang veranstalteten sie Workshops, in denen Inselbewohner*innen Interviews führten und Material für den Film drehten. Die Auswahl aus dem Rohmaterial erfolgte gemeinsam.

Die Veränderungen der Lebensumstände ganz verschiedener Leute, die realen Zukunftsängste von Lehrern, Verwaltungsangestellten, Gewerbetreibenden und Ökoaktivisten werden so vielstimmig eingefangen. Einige der Protagonist*innen lassen die Filmemacher sehr nah an ihre Lebenswelt heran. Aber auch die Folgen der Klimaveränderung sind in ihrem Verlauf in kleinen Details sichtbar. Da sich die Filmemacher*innen ein gutes Jahr Zeit vor Ort nahmen, sieht man Bäume, die zu Beginn des Films noch aufrecht stehen und im Verlauf des Film abzusterben beginnen, weil ihnen die Versalzung des Grundwassers zu schaffen macht. (s. dazu auch das Interview: »Das Meer überträgt unsere Schwierigkeiten«[2])

Dennoch schöpft der Film das Potential seiner ungewöhnlichen Entstehung ästhetisch nicht immer aus. Die Protagonist*innen tauchen vorrangig als „Talking Heads“ auf. Ihre sozialen Beziehungen und überhaupt die Entstehung des Films als Projekt einer Community, reflektiert sich im Medium selbst wenig.

Andererseits wirft der Film so weitere Fragen auf, die er nicht mit einem abgeschlossenen Narrativ beantwortet und regt somit zu einer weiteren Beschäftigung mit einer Region an, mit der „wir“ stärker verbunden sind, als den meisten bewusst sein dürfte.

One Word — We are not drowning. We are fighting. Eine Produktion von Kameradisten[3] und Studio Kalliope[4]. Deutschland/Marshall-Inseln, 83 Minuten.

Disclaimer: Beteiligte am Film waren vor einigen Jahren im und für den *prager frühling aktiv.

 

Links:

  1. https://one-word-the-movie.com/
  2. https://www.prager-fruehling-magazin.de/de/article/1531.das-meer-%C3%BCbertr%C3%A4gt-unsere-schwierigkeiten.html
  3. https://www.kameradisten.org/en
  4. https://www.studio-kalliope.de/info