19.11.2008

VEB Opel, PGH Fiat, Kombinat Siemens

Die aktuelle Krise bestätigt die Stamokap-Theorie.

Jörg Schindler

Opel braucht 1,8 Milliarden vom Staat. Warum? Weil die Tochter des GM-Konzerns mit der amerikanischen Mutter finanziell und auch in den Investitionsentscheidungen so eng verflochten sei, dass die Krise der US-amerikanischen GM-Marken Chevrolet, Buick, Cadillac, Pontiac und GMC die europäische Tochter in Schwierigkeiten bringe, erfährt man aus der FAZ.

Tatsache ist: Nicht nur diese Marken, sondern auch Saab, Suzuki, Daewoo und Vauxhall sind Teil des weltweiten GM-Konzerns. Letztlich dürften auch diese Marken von der Liquidität und Investitionsfähigkeit von GM abhängen. Wenn dem so ist, bedeutet das aber auch, dass der weltweite PKW-Herstellermarkt entgegen aller neoliberalen Quatsch-Comedy bereits seit langem Investitionsentscheidungen nicht in Konkurrenz, sondern vielmehr in Kooperation der Tochtermarken unter dem GM-Dach trifft. Was ja nicht schlecht sein muss. Und darauf verweist, dass die Rate des notwendigen konstanten Kapitals für technische Neuentwicklungen so hoch ist, dass sie nur in weltweiter Kooperation, nicht aber in Konkurrenz der Einzelkapitale überhaupt zu stemmen ist. Womit wir also bei dem Problem sind, welches die ollen MarxistInnen immer als Widerspruch zwischen notwendig gesellschaftlichem Charakter der Produktion einerseits und privater Aneignung der Ergebnisse der Produktion andererseits beschreiben.

Sozialistische Reformpolitik hatte in den 70er Jahren hieraus die Theorie des Staatsmonopolistischen Kapitalismus ("Stamokap") entwickelt. Danach sollte folgendes gelten:

1. Im Stamokap existieren in jeder Branche eine kleine Anzahl großer Konzerne, die branchenbeherrschend sind. Diese Großunternehmen stehen einerseits in Konkurrenz, aber auch in Kooperation zueinander und verfügen über eine immense Marktmacht. Wegen ihrer Größe und Marktbeherrschung sind sie rentabler und innovativer als kleinere Unternehmen. Kapital und Produktion konzentriert sich also bei den Großbetrieben, verbunden mit den Geldgebern, den Banken.

2. Die Monopolisierung bewirkt staatliche Eingriffe in die kapitalistische Produktionsweise, vor allem durch staatliche Steuerpolitik, Subventionen, Investitionen, Verteilungspolitik, Sozialtransfers etc. Durch diese staatlichen Einflüsse wird der Grundwiderspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privatkapitalistischer Aneignung entschärft. Denn der wissenschaftlich-technische Fortschritt macht staatliche Ausgaben erforderlich, um kostenintensive, produktivitätssteigernde Investitionen der Großunternehmen zu ermöglichen und über staatliche Nachfragepolitik für eine Kompensation des Rückgangs der Binnennachfrage zu sorgen, der mit der monopolistischen Aneignung gesellschaftlichen Reichtums verbunden ist.

3. Der ökonomische Einfluss der Großunternehmen wirkt in die Politik massiv hinein. Über Lobbyismus und personellen Verquickungen lenken die Konzerne die Richtung und Maßnahmen der Politik zugunsten ihrer Interessen. Letztlich ist der Staat ideeller Gesamtkapitalist im Dienste der Monopole.

4. Der hohe Grad gesellschaftlicher, wenngleich monopolisierter Produktion im Stamokap weist neben immensem Krisenpotenzial auch sozialistische Potenziale auf. Es kommt darauf an, die Produktion unter gesellschaftliche Kontrolle zu stellen, also Betriebe wie auch Staat zu demokratisieren. Die Richtung und das Wie der staatlichen Eingriffe ist also im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung, vor allem der Erwerbstätigen, umzulenken.

vom nationalen zum internationalen Stamokap
In den 70er Jahren erlebten wir einen nationalen Stamokap. Die internationale Verflechtung der Konzerne und Märkte machte ihm am Ende den Garaus, da eine supranationale Regulation nicht möglich war. Der Gau der Märkte nach 20 Jahren internationalen Neoliberalismus erzwingen aber eine Rückkehr, die gleichzeitig eine neue Form der Regulation darstellt: den internationalen Staatsmonopolistischen Kapitalismus. Denn klar ist - und auch die Regierungen der Industrieländer wissen das -: Es macht gar keinen Sinn, ein einzelnes Unternehmen, ob Opel, Microsoft, Vattenfall oder sonstwen, staatlich zu stützen. Die Verflechtungen bedeuten immer auch den Eingriff in die anderen, internationalen Tentakel des Konzerns. Und: Die Eingriffe in ein einzelnes Unternehmen bringt das Marktgefüge so durcheinander, dass von einem realen Marktgeschehen nicht mehr gesprochen werden kann. Vielmehr machen diese Eingriffe in Unternehmen und den Markt weitere Rahmenplanungen erforderlich, soll das eingespeiste Geld nicht nutzlos verpuffen. Letztendlich stellt sich also durch die Krise durchaus auch die Frage, ob Opel, Microsoft und Vattenfall nicht gleich direkt Teil gesellschaftlicher Rahmensteuerung sein soll. VEB Opel, PGH Fiat, Kombinat Siemens - nicht als DDR-Revival, sondern Gebot makroökonomischer Vernunft.