27.11.2008

Lieber Weihnachtsmann

Der etwas andere Wunschzettel

Christoph Spehr
Christoph Spehr, Landessprecher DIE LINKE. Bremen

Lieber Weihnachtsmann, ich wünsche mir eine Linke. So eine wie Greta sie hat, nur nicht so schlecht gelaunt und ein bisschen moderner. Eine, die man überall hin mitnehmen kann, auch zu ganz normalen Puppen, nicht bloß zu anderen Linken. Sie soll richtig reden können, mit echten Sätzen. Wenn man sie was fragt, soll sie was sagen. Nicht wie bei der von Melanie, wo man erst mal zwei Minuten die Zahnräder quietschen hört, bevor sie ein komisches Kauderwelsch von sich gibt und die nicht mal Bitte und Danke sagen kann ohne dass „Kapital“ drin vorkommt.

Sie soll alles können, was andere Puppen auch können. Man soll ihr alles anziehen können, auch richtig schicke Sachen. Nicht so wie die von Paul, die immer aussieht als ob er sie eben in der Mülltonne gefunden hätte. Und sie soll keine Öko-Klamotten anhaben wie die von Agnes, die so scheußlich kratzt und nach Schaf riecht.

Sie soll Sätze sagen können wie „Bush ist scheiße!“ ohne rot zu werden. Sie soll gegen den Krieg sein. Sie soll gegen Chefs sein und andere Puppen ab und an fragen, ob sie sich nicht vorstellen könnten, den Laden selbst zu schmeißen. Sie soll fies lachen können, wenn jemand sagt „das war immer schon so“ oder „das ist für uns alle am besten“, und sie soll einen mechanischen Furz lassen können, wenn jemand sagt „ich bin qualifiziert“.

Wenn ich sie haue, soll sie AU sagen und nicht so peinliche Sachen wie „Du hast sicher ein Problem“ oder „Mach dir nichts draus, das liegt am Kapitalismus“. Sie soll zickig sein können und wenn ich sie rufe, soll sie manchmal nicht kommen. Wenn jemand blöd zu mir ist, soll sie mir nicht erklären wieso die Welt so ist, sondern mit nachdenken was wir machen. Sie soll Fragen stellen können wie die, wo das Geld hingeht und wer wovon was hat, und sie soll sich gefälligst erinnern können, wer schon mal gelogen hat. Sie soll manchmal PDS wählen und in irgendwas Mitglied sein, aber sie soll keine Wissenschaft draus machen.

Ich möchte, dass sie andere Puppen mag. Sie soll mit allen anderen Puppen spielen können - okay, mit fast allen. Sie soll nicht gleich kaputt gehen, wenn man sie mal ins Wasser schmeißt oder mit Play-Doo füttert. Man soll sie in einen Barbie-Reise-Zug setzen können, ohne dass sie gleich grün anläuft und in Ohnmacht fällt, weil sie einen Konsum-Schock hat. Sie soll sich aufregen wenn was ungerecht ist, aber sie soll nicht gleich auf andere Puppen schießen, bloß weil die Welt besser wäre ohne die.

Sie soll keine Lieblingswörter haben. Ich will keine, die glasige Augen kriegt und zu stammeln anfängt, bloß weil jemand „Amerika“ sagt oder „Widerstand“ oder „Wertvergesellschaftung“. Ich finde es blöd, wenn sie so ist wie die von Anke, die einen Krampf kriegt wenn sie sich zwei Stück Zucker nehmen will, weil das vielleicht antisemitisch ist oder rassistisch oder irgendwie verkürzt. Ich mag auch keine wie die von Hajo, die nicht mehr rausgeht zum Spielen mit anderen Puppen, weil sie schon alles weiß und sich schon selber für alles kritisieren kann.

Eigentlich soll sie wie eine gute Freundin sein, die was in der Birne hat und sich von niemand was gefallen lässt. Und sie muss eindreiviertel Liter Popcorn verdrücken können. Ich schaffe nur einen Viertelliter, aber ich steh auf die großen Eimer.

Lieber Weihnachtsmann, ich weiß, du hast viel zu tun. Trotzdem verstehe ich nicht, was so ein Problem an meinem Wunsch sein soll, den du im letzten und vorletzten Jahr, wenn ich dich erinnern darf, auch schon nicht erfüllt hast! Ich weiß ganz genau, dass du Gerd einen neuen Job gebracht hast und Dörte eine nagelneue Adorno-Gesamtausgabe. Also bitte, denk auch mal an mich. So schwierig kann das doch wirklich nicht sein.