09.12.2008

Nicht ganz Kärnten tickt wie Haider

Protest gegen Haider-Geist und faktische Zensur

Katharina Weise
Katharina Weise

Morddrohungen verhindern Auftritt von Grissemann und Stermann in Kärnten
"ARGE Zensurlos" protestiert und Grissemann und Stermann sind virtuell dabei

Website von Grissemann und Stermann

Wir befinden uns im Jahre 2008 n.Chr. Ganz Österreich ist vom Geist Haiders besetzt... Ganz Österreich? Nein! Eine von unbeugsamen Österreichern bevölkerte Community hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Und das Leben wird nicht leicht für die haiderianischen Legionäre, die als Besatzung in den befestigten Lagern BZÖ, FPÖ, Klagenfurt und in ganz Kärnten liegen...

Moment mal... Das Leben wird nicht leicht für die Haider-Nachfolger? Haben wir in Deutschland nicht gerade nach dem Tod Haiders die Bilder von Massentrauer der Österreicher sehen dürfen?

Es geht wieder einmal um die Frage der Wahrnehmung. Der Protest regt sich. Und der Protest wird auch in Österreich wahrgenommen.
Das österreichisch-deutsche Satiriker-Duo Grissemann und Stermann[1] (in Berlin bekannt durch die "Show Royale" auf Radio Eins) scherzte in seiner ORF-Sendung "Willkommen Österreich" am 23. Oktober 2008 über die Weinkrämpfe von Stefan Petzner, mittlerweile Ex- BZÖ-Obmann (stellvertr. Vorsitzender) und angeblicher Geliebter des "Lebensmenschen" Jörg Haider. Gleichermaßen wurden die verordnete Trauer der weiteren BZÖ-Führung und die lemminggleiche Trauer der an den Trauerfeierlichkeiten teilnehmenden Bevölkerung behandelt. Bewusst wurden Interviews mit der Frau und den Kindern Haiders ausgespart, um nicht den Verdacht zu erwecken, dass man sich über den Tod eines Menschen lustig machen wolle.

Die Dinge, die sich in der Folge ereigneten, hat sich nicht einmal Haider getraut, wären wohl aber ganz in seinem Sinne gewesen: Der neue, amtierende Landeshauptmann Kärntens Gerhard Dörfler (BZÖ) erklärte in einer öffentlichen "Protestnote" seine Empörung und die „ganz Kärntens“ gegenüber dem ORF über den Umgang mit dem Tod Haiders sowie über die Plattform, die der ORF Grissemann und Stermann biete. Gleichzeitig legte er dem Universitätsrektor Heinrich Mayr der Universität Klagenfurt nahe, eine Veranstaltung am 11. Dezember 2008 von Grissemann und Stermann zu untersagen. Die FPÖ forderte ganz offiziell das Auftrittsverbot.

Gemeint ist eine Veranstaltung an der Uni Klagenfurt im Rahmen des Programms "Die deutsche Kochschau", eine Nazi-Parodie. Zahlreiche Morddrohungen in Zusammenhang mit der Veranstaltung erreichten das Satiriker-Duo. Bei dem Manager der Veranstaltung wurden am Auto die Radmuttern gelockert und er entging nur knapp einem Unfall. Statt die Situation ausgleichend und beschwichtigend zu behandeln, bemerkte der Haider-Nachfolger Dörfler: "Vielleicht hat er gerade Winterreifen gewechselt." Grissemann und Stermann haben aufgrund der persönlichen Bedrohungen die Veranstaltung am 11. Dezember 2008 abgesagt.

Gegen die Verallgemeinerungen zur sogenannten „Volkskultur“ und die Zensurabsichten der BZÖ-Politiker wehrt sich die überparteiliche Gruppe „ARGE ZENSURLOS“. Sie legt in ihrem Manifest dar: „Kärnten ist keine Partei, die Seele des BZÖ ist nicht unsere Seele. Wir wollen für eine tolerante, die Vielfalt, Widersprüchlichkeit und Mehrsprachigkeit befördernde Kulturpolitik wirken.“ Am besagten 11. Dezember 2008 wird es auf dem "zensurlos fest – fe¨ta brez cenzure" in Klagenfurt Lesungen von KünstlerInnen, Ausstellungen, Live-Musik, Videos und DJs geben. Ein Highlight dürfte die virtuelle Anwesenheit des Satiriker-Duos Grissemann und Stermann via Grußbotschaft sein.

Dieser Artikel wurde für die Tageszeitung „Neues Deutschland“ geschrieben und erscheint dort voraussichtlich in der 50. Kalenderwoche 2008.

Zur Autorin:

Katharina Weise ist Referentin für Kommunalpolitische Bildung der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Mehr auf ihrer Website www.katharina-weise.de[2]

Links:

  1. http://www.stermann-grissemann.at/
  2. http://www.katharina-weise.de/

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