25.01.2009

Sozial und national.

Thomas Lohmeier

Eine der größten Lügen, die je über die Sozialdemokraten verbreitet wurde, war die, dass es sich bei ihnen um vaterlandslose Gesellen handeln würde. Wir müssen zur ihrer Entlarvung erst gar nicht das Jahr 1914 bemühen – lächerlich, die SPD von heute mit der von damals vergleichen zu wollen. Aber blicken wir einmal zehn Jahre zurück: Gerade war die erste rot-grüne Bundesregierung ins Amt gewählt worden. Die Sozialdemokraten regierten nicht nur in Deutschland. Frankreich, Großbritannien, Italien – wohin das Auge blickte, die sozialdemokratische Internationale war an der Macht. Für einen kurzen Moment hätte sie die Chance gehabt, die neoliberalen Verträge von Maastricht und Amsterdam um eine europäische Sozialpolitik zu ergänzen. Statt dessen: Nationale Interessen, definiert durch die Exportindustrie, wurden verteidigt. Vor allem der SPD waren die Expansionspläne des deutschen Kapitals gen Osten wichtiger, als eine sozialpolitische Vertiefung der EU. So blieben die Sozialdemokraten der verschiedenen Länder, was sie schon immer waren: Parteien ihres Vaterlands.

Die Sozialdemokraten waren immer zuerst die Partei ihrer Nation. Internationalisierungsprozesse haben sie nur nachvollzogen. Ihr Internationalismus beschränkte sich auf Resolutionen. Und als sie die realpolitische Möglichkeit hatten, konnten sie selbst für die soziale Ausgestaltung der EU nicht über ihren nationalen Schatten springen. Sie blieben Verteidiger des Nationalstaats, anstatt Sozialpolitik europäisch zu gestalten. Auf die Möglichkeit, dem neoliberalen Wettbewerb der Nationalstaaten Einhalt zu gebieten, wurde verzichtet.

Wenn Müntefering nun der LINKEN eine „nationale soziale Politik“ attestiert, mag er damit Recht haben oder nicht. Aber warum konnotiert der Vorsitzende einer sozialnationaldemokratischen Partei dies eigentlich negativ?