03.02.2009

Wenn das der Papst gewusst hätte ...

Thomas Lohmeier

Der Stellvertreter Gottes ist auf Erden schlecht beraten? Unvorstellbar. Auch wenn ich heute außerhalb eines Flugzeugs Atheist und innerhalb Agnostiker bin, so genoss ich doch eine katholische Erziehung. Seit früher Kindheit weiß ich daher: Gott sieht alles. Er ist barmherzig, nicht blind. Wenn der Hamburger Erzbischof Thissen nun erklärt, der Papst sei schlecht beraten gewesen[1] und habe nicht gewusst, wem er seine Barmherzigkeit hat zuteil werden lassen, dann scheint der gute Mann den Namen und die Geisteskraft seines obersten Dienstherrn offenbar gering schätzen zu wollen. Wie gut für ihn, dass noch niemand auf die Idee gekommen ist, das zweite Gebot auch auf den Stellvertreter zu beziehen. Der Mann hätte sonst gesündigt.

Zwar mag der Papst als menschliches Wesen nicht wie sein Vorgesetzter alles wissen, aber als Hörer von Radio Vatikan wird ihm kaum die Meldung vom 23. Januar[2] entgangen sein, dass gegen den einst von seinem Vorgänger verstossenen und von ihm ex-exkommunizierten Richard Williamson die Staatsanwalt Regensburg wegen Leugnung des Holocaust ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat. Es sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt, dass kein geringerer als Kardinal Ratzinger 1988 mit dem Begründer der Priesterbruderschaft St. Pius X., Marcel Lefebvre, die Verhandlungen führte, die nach ihrem Scheitern zur Bischofweihe und zur Exkommunikation der jetzt Rehabilitierten führte. Kaum vorstellbar also, dass der Papst wirklich nicht wusste, was er tat, wie einst die Jünger Jesu.

Der Papst ist also nicht unwissend, wie der Erzbischof glaubt. Er ist unfehlbar. Als Stellvertreter Gottes entscheidet er über das Schicksal der Kirche Jesu Christi, niemand sonst. Wer das autoritär und oder gar undemokratisch findet, ist ein Idiot. Eine Kirche - die katholische zumal - ist keine basisdemokratische Vereinigung. Die Schäfchen dürfen ihre Hirten nicht wählen. Wieso auch? Die Hirten sind Abgesandte Gottes. Wem´s nicht passt, möge sich eine andere weltanschauliche Gemeinschaft suchen. Alle Versuche, eine gute katholische Basis gegen einen wahlweise autoritären oder unwissenden Papst zu konstruieren, sind daher gegen die katholische Kirche als wichtige Glaubensgemeinschaft gerichtet. Die Religionsfreiheit - auch die der Katholiken - aber gilt es zu verteidigen!

Die ganze Aufregung ist geheuchelt. Der Papst vollstreckt Gottes Willen. Das ist seine Aufgabe. Die Frage ist nur, warum machen die Demokraten nicht, was Aufgabe der Demokraten ist? Warum behandeln sie den päpstlichen Verein nicht wie jeden anderen - wie Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände oder Umwelt- und Tierschutzorganisationen? Warum erlauben sie, dass eine antidemokratische Vereinigung ihre Mitgliedsbeiträge vom Staat eingezogen und überwiesen erhält, wie es sonst nur noch in islamischen Gottesstaaten üblich ist? Und warum darf eine Vereinigung, die einen Holocaustleugner explizit aufnimmt und als Teil ihrer Gemeinschaft betrachtet, eigentlich an Schulen ihre Anschauung verbreiten? Warum wird im Land des Papstes eigentlich nicht durchgesetzt, was seit der Französischen Revolution Merkmal eines jeden liberalen Staatswesen ist: Die Trennung von Kirche und Staat.

Links:

  1. http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video444028.html
  2. http://www.oecumene.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=260809